Freitag 16. August 2024

Bischöfe: "Frauen beistehen und Abtreibungen entschlossen reduzieren"

50 Jahre nach Beschluss der Fristenregelung haben Österreichs Bischöfe die Position der Kirche im Lebensschutz bekräftigt. In Politik, Gesellschaft und Kirche müsse man heute erneut fragen, wie man Frauen in einer Konfliktschwangerschaft effektiv beistehen könne.

 

 

"Einerseits müssen ihre Rechte, ihre Würde und ihre Selbstbestimmung sowie andererseits auch jene ihres ungeborenen Kindes gewahrt bleiben", schreiben die Bischöfe in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung. Als "Gebot der Stunde" werden dabei Begleitforschung zur Fristenregelung und entsprechende Hilfsmaßnahmen bezeichnet: Sie seien dringend notwendig, um "Schwangerschaftsabbrüche entschlossen zu reduzieren".

 

 

Kathpress dokumentiert im Folgenden die Erklärung im Wortlaut.

 

Leben schützen - 50 Jahre nach Beschluss der Fristenregelung

 

Vor 50 Jahren, am 29. November 1973, beschloss der Nationalrat mehrheitlich, den Schwangerschaftsabbruch in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen straffrei zu stellen. Seit 1. Jänner 1975 gilt die sogenannte Fristenregelung. Die Entscheidung des Gesetzgebers ist als solche hinzunehmen. Dazu halten die Bischöfe damals wie heute fest, dass aus dieser gesetzlichen Regelung niemals ein "Recht auf Abtreibung" abgeleitet werden darf. Auch wenn uns keine moralische Verurteilung von Menschen zusteht, die einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich haben, so bleibt doch die Weisung aus dem Dekalog aufrecht: "Du sollst nicht töten!" Sie schützt jene, die auf den Schutz durch die Rechtsordnung angewiesen sind.

 

Mehr Unterstützung für Frauen

 

Außerdem erfüllt uns mit zunehmender Sorge, dass nicht nur das Lebensrecht des Kindes, sondern auch die Selbstbestimmung der Frau untergraben wird. Für Frauen, die zur Abtreibung gedrängt werden, ist Selbstbestimmung eine Fiktion. Dieses Problem scheint auch in der Gesellschaft angekommen zu sein: Eine im März 2023 präsentierte IMAS-Umfrage ergab, dass sich 77 Prozent der österreichischen Bevölkerung mehr Unterstützung für Frauen im Schwangerschaftskonflikt wünschen, "um ein Ja zum Kind zu ermöglichen". Wo Abtreibung als Frauenrecht propagiert wird, werden Väter zudem völlig aus der Verantwortung genommen.

 

Umfassende Begleitforschung ist nötig

 

Es ist daher eine umfassende Begleitforschung nötig, die aufzeigt, in welchen Krisen und Nöten sich schwangere Frauen befinden, um ihnen effektiv zur Seite zu stehen und Mut zum Kind zu machen. Die Ergebnisse der Begleitforschung sollen zu einer gezielten Hilfeleistung führen und einen konkreten Ansatzpunkt für die 1973 einstimmig beschlossenen flankierenden Maßnahmen finden, die bis heute nicht vollständig umgesetzt wurden. Sehr bewährt hat sich das Netz von zahlreichen Familien- und Sozialberatungsstellen in Österreich.

 

Begleitung auf dem Weg der inneren Heilung

 

Viele Frauen würden sich bei entsprechender moralischer, sozialer und finanzieller Unterstützung für und nicht gegen ihr Kind entscheiden. Zwei Drittel der Frauen erleben ihre Entscheidung zur Abtreibung als Verletzung der eigenen Überzeugungen. Ihr stilles Leid nach dem gewaltsamen Verlust ihres Kindes, das der Heilung bedarf, wird jedoch häufig tabuisiert. Mitunter wird es jahrelang verdrängt, ehe es irgendwann aufbricht. Hier sieht die Kirche einen besonderen Auftrag, alle Betroffenen auf ihrem Weg der inneren Heilung zu begleiten.

 

Kein Menschenrecht auf Abtreibung

 

Ein liberaler Staat lebt davon, dass er die Rechte aller seiner Bürgerinnen und Bürger schützt. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass der Schwangerschaftsabbruch nur unter bestimmten Bedingungen (§ 97 StGB) straffrei gestellt ist, die Tötung des Ungeborenen grundsätzlich jedoch unter Strafe steht. Der österreichische Gesetzgeber hält somit das Leben des Kindes für grundsätzlich schützenswert. Es gibt auch kein "Menschenrecht auf Abtreibung", weil das ein Widerspruch in sich ist: Es kann kein Menschenrecht sein, einer anderen Person ihr Menschenrecht auf Leben vorzuenthalten.

 

Schwangerschaft ist keine Krankheit

 

Vor dem Hintergrund immer wieder aufflammender Forderungen halten wir Bischöfe fest, dass ein Schwangerschaftsabbruch keine "Gesundheitsleistung" sein kann: Weder ist eine Schwangerschaft eine Krankheit noch die Tötung des Ungeborenen die entsprechende Therapie. Aus diesem Grund lehnen wir die Durchführung von Abtreibungen in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen ab.

 

Lebensrecht für alle Kinder

 

Die erschreckende Praxis von Spätabtreibungen aufgrund einer diagnostizierten oder lediglich nur vermuteten Behinderung des ungeborenen Kindes ist ein diskriminierender Tatbestand, der nicht zu akzeptieren ist. Diese immer noch übliche Praxis ist einer humanen, auf Inklusion bedachten Gesellschaft, unwürdig. Wir unterstützen jede Form der Förderung und Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft.

 

Schwangerschaftsabbrüche sind keine Lösung

 

Wir müssen uns 50 Jahre nach Beschluss der Fristenregelung in Politik, Gesellschaft und Kirche erneut fragen, wie wir Frauen in einer Konfliktschwangerschaft effektiv beistehen können. Einerseits müssen ihre Rechte, ihre Würde und ihre Selbstbestimmung sowie andererseits auch jene ihres ungeborenen Kindes gewahrt bleiben. Eine Begleitforschung zur Fristenregelung und entsprechende Hilfsmaßnahmen sind daher ein Gebot der Stunde, um Schwangerschaftsabbrüche entschlossen zu reduzieren.

 

Frauen in einer Konfliktschwangerschaft effektiv beistehen: Das ist das Anliegen der österreichischen Bischöfe.

Frauen in einer Konfliktschwangerschaft effektiv beistehen: Das ist das Anliegen der österreichischen Bischöfe. © Stocksnap / www.pixabay.com

 

Familienbischof Hermann Glettler zu Abtreibung: Weniger Ideologie, mehr Hilfen für Frauen

 

Bischof Hermann Glettler hat zu Verbesserungen für die Situation werdender Mütter und zum Dialog über Abtreibungen und Lebensschutz aufgerufen. Jede Verhärtung und Ideologisierung sei in der Debatte "völlig fehl am Platz, erst recht wenn das sensible Thema parteipolitisch besetzt und in Wahlkämpfe gezogen wird", sagte der Leiter der Familienkommission der Bischofskonferenz am 28. November 2023 in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress. Ziel müsse sein, dass Kinder "angstfrei und ohne überbordende Sorgen zur Welt gebracht werden können". Dafür gebe es noch vieles zu tun.

 

Anlass des Interviews gab der Beschluss der Fristenregelung vor 50 Jahren. Damals seien auch flankierende Maßnahmen versprochen worden, von denen die meisten außer der Einrichtung von Sozial- und Familienberatungsstellen noch auf ihre Umsetzung warteten - "allen voran verstärkte Investitionen in Beratung, Begleitung, Prävention und Bewusstseinsbildung", unterstrich Glettler. Während Österreich zuletzt fünf Milliarden Euro für Corona-Tests ausgegeben habe, um Leben zu schützen, seien Vereine, die Schwangeren in Not auch finanziell helfen, bis heute fast ausschließlich spendenfinanziert. "Diese Logik ist nicht einsichtig", kritisierte der Bischof.

 

Als dringend erforderlich bezeichnete Glettler zudem eine statistische anonyme Erhebung von Schwangerschaftsabbrüchen und eine damit einhergehende Motivforschung, wie auch eine gesetzlich vorgegebene Wartefrist zwischen Beratungsgespräch und Eingriff. Für Schulen sah der Bischof eine "positive Sexualpädagogik" sowie auch Aufklärung über die Entstehung und Entwicklung menschlichen Lebens vonnöten, sowie Informationen über Hilfestellungen für Schwangere.

 

Keine Entscheidung erster Wahl

 

Die Straffreistellung des Schwangerschaftsabbruchs unter bestimmten Umständen bringe es mit sich, "dass Frauen die Last einer Entscheidung über das Leben des Ungeborenen aufgebürdet wird", hielt der Bischof fest. Dabei sei jedoch für keine Frau die Tötung des Ungeborenen eine "Entscheidung erster Wahl". Vielmehr dränge sich Abtreibung "oft als letzter Ausweg" auf, wenn entsprechende Angebote und Unterstützungen fehlten. Häufiger als gedacht sei dabei auch Druck durch Dritte - insbesondere durch den Kindesvater - im Spiel, verwies Glettler auf die Erkenntnisse aus internationalen Studien.

 

Weil die Schwangerschaft keine Krankheit sei, sei der Staat nicht verpflichtet, ein oftmals gefordertes, niederschwelliges, kostenloses Angebot für Abtreibungen bereitzustellen, betonte der Bischof. "Ein staatlich finanziertes Abtreibungsangebot in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen lässt sich aus meiner Sicht auch ethisch nicht begründen. Das Spital ist ein Ort, um das Leben zu erhalten, nicht um es zu verwerfen."

 

"Gewaltfreie Lösungen"

 

Grundsätzlich sei das Abtreibungsproblem kein religiöses, sondern ein menschliches, sagte Glettler. "Ausschlaggebend ist, ob wir über ein Zellgewächs diskutieren, das beliebig entfernt werden kann, oder über einen Menschen in seiner ersten Entwicklungsphase." Eine Sensibilisierung für die Würde und den Wert jeden menschlichen Lebens sei vonnöten, welches "gerade in seiner verwundbarsten Phase im Mutterleib" ein "Geschenk Gottes" sei. Dass das "elementare Lebensrecht eines Kindes" nicht geringer bewertet werden dürfe als das Freiheits- und Selbstbestimmungsrecht einer erwachsenen Person, bezeichnete der Bischof als Grundkonflikt, den es zu benennen und "gewaltfreie Lösungen" dafür zu finden gelte.

 

Es sei "fundamentale Aufgabe des Staates, das Leben zu schützen, in letzter Konsequenz auch mit Strafbestimmungen", befand der Bischof. Dennoch gehe es der Kirche "nicht um Strafandrohungen, sondern um den Ausbau von Unterstützungsleistungen". Nicht aus dem Strafrecht, sondern vielmehr aus den positiven Erfahrungen jener, die sich trotz widriger Umstände für ihr Kind entschieden haben, gewinne der Schutz ungeborenen Lebens seine Überzeugungskraft. Keine Frau solle sich durch soziale oder andere Umstände zu einer Abtreibung genötigt sehen.

 

Anwältin für Vulnerable

 

Die Kirche steht laut Glettler auf der Seite der "besonders Vulnerablen" und versteht sich als Anwältin des Wohls der Frau und des Kindes zugleich. Dabei müsse auch sie den Fokus künftig noch stärker auf die Begleitung richten, durch ein "Hinhören auf das, was Frauen in einer Konfliktschwangerschaft wirklich bewegt und was sie benötigen". Schon bisher seien viele kirchliche oder kirchennahe Einrichtungen in diesem Bereich tätig, wobei Glettler beispielhaft die Beratungsangebote der Caritas, von der Kirche geführte und subventionierte Frauenhäuser sowie die "Aktion Leben" nannte, sowie auch die Begleitung und Unterstützung armutsgefährdeter Familien.

 

Jenen Frauen, die bereits abgetrieben haben, wolle die Kirche verständnisvolle Begleitung bieten, denn "jede Form der Verurteilung ist vollkommen unangebracht", unterstrich der Bischof. Betroffene bräuchten "innere Heilung", würden sie doch oft noch nach Jahrzehnten die Last einer Abtreibung mit sich tragen, wisse er als Seelsorger und Beichtpriester. "Wir sollten offener über die Notwendigkeit einer psychischen Betreuung nach einer Abtreibung sprechen. Wo gibt es Angebote dazu?", so der Bischof.

 

Dank sprach der Bischof den Lebensschutz-Organisationen aus. Deren Aktionsformen entwickelten sich sehr positiv, sei man doch vom kompromisslosen Dagegen-Sein und Konfrontation mit Fotos abgetriebener Föten abgekommen und setze heute den Fokus auf "Ermutigung und Kooperation für ein Ja für das Leben". Bei Veranstaltungen wie dem Wiener "Marsch fürs Leben" sehe man "Menschen, die das Leben umarmen wollen und zum Gespräch bereit sind". Letzteres halte er selbst für den effektivsten Lebensschutz, sagte Glettler - und zwar eher auf persönlicher Ebene als bei "öffentlichen Kundgebungen, die immer wieder auch gegenteilige Proteste auf den Plan rufen".

 

Kathpress

 

Weitere Beiträge und Hintergrundberichte zu "50 Jahre Fristenregelung" im Kathpress-Themenschwerpunkt unter www.kathpress.at/fristenregelung

 

 

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