"Laudate Deum": Neues Papstschreiben zur Klimakrise
Papst Franziskus hat zu zügigen und umfassenden Maßnahmen gegen die Erderwärmung aufgerufen. In einem "Apostolischen Mahnschreiben" fordert der Papst von Regierungen, Unternehmen und jedem Einzelnen, rasch die notwendigen Schritte zu ergreifen, um eine Ausweitung der Klimakatastrophen zu verhindern. Das Schreiben "über die Klimakrise" mit dem lateinischen Titel "Laudate Deum" ("Lobt Gott") wurde am Mittwoch vom Vatikan veröffentlicht und ist an "alle Menschen guten Willens" gerichtet.
Skeptikern an der Theorie der Erderwärmung hält der Papst in dem Text entgegen, der menschengemachte Ursprung des Klimawandels könne "nicht mehr bezweifelt werden". Dabei richtet sich Franziskus auch an Kritiker in seiner eigenen Kirche und schreibt: "Ich sehe mich gezwungen, diese Klarstellungen, die offenkundig erscheinen mögen, aufgrund bestimmter abschätziger und wenig vernünftiger Meinungen vorzunehmen, die ich selbst innerhalb der katholischen Kirche vorfinde."
Gegen sogenannte Klimaleugner in der Kirche und außerhalb argumentiert der Papst: "Wie sehr man auch versuchen mag, sie zu leugnen, zu verstecken, zu verhehlen oder zu relativieren, die Anzeichen des Klimawandels sind da und treten immer deutlicher hervor."
Mit Blick auf mögliche Gegenargumente heißt es in dem Papst-Text: "Es stimmt, dass nicht jede einzelne Katastrophe automatisch auf den globalen Klimawandel zurückgeführt werden kann. Es ist jedoch nachweisbar, dass bestimmte von der Menschheit verursachte Veränderungen des Klimas die Wahrscheinlichkeit immer häufigerer und intensiverer Extremereignisse deutlich erhöhen."
Zugleich wendet er sich gegen eine Deutung der Ereignisse als anstehenden Weltuntergang. "Bestimmte apokalyptische Diagnosen erscheinen oft wenig vernünftig oder unzureichend begründet", erklärt er, schränkt dann aber ein: "Dies sollte uns nicht dazu verleiten, zu ignorieren, dass die reale Möglichkeit besteht, dass wir einen kritischen Punkt erreichen."
COP28 "kann ein Wendepunkt sein"
Ausführlich spricht der Papst in dem Dokument, das als "Fortsetzung" seiner Sozial- und Umweltenzyklika "Laudato si" von 2015 angekündigt war, von den Welt-Klimakonferenzen. Auf die Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015, bei der weltweit verbindliche Ziele zur Reduzierung der Erderwärmung vereinbart wurden, hatte die Enzyklika des Papstes seinerzeit einen gewissen Einfluss gehabt.
Franziskus bewertet die Weltklima-Konferenzen seit 1992 in dem Text unterschiedlich und lobt besonders jene von Paris. Über die von 30. November bis 12. Dezember anberaumte nächste Konferenz (COP28) schreibt Franziskus: "Wenn wir auf die Fähigkeit des Menschen vertrauen, über seine kleinen Interessen hinauszugehen und im Großen zu denken, können wir nur hoffen, dass die COP28 zu einer deutlichen Beschleunigung der Energiewende mit wirksamen Verpflichtungen führt, die einer dauerhaften Überwachung unterliegen. Diese Konferenz kann ein Wendepunkt sein."
"Situation hat auch mit der Wirtschaft zu tun"
Der Papst argumentiert in dem rund zwölf Seiten langen Schreiben meist naturwissenschaftlich, politisch - und auch volkswirtschaftlich. So schreibt er: "Diese Situation hat nicht nur mit der Physik oder der Biologie zu tun, sondern auch mit der Wirtschaft und unserer Weise, sie zu verstehen. Die Logik des maximalen Profits zu den niedrigsten Kosten, verschleiert als Rationalität, als Fortschritt und durch illusorische Versprechen, macht jede aufrichtige Sorge um das gemeinsame Haus und jede Sorge um die Förderung der Ausgestoßenen der Gesellschaft unmöglich."
Franziskus spricht sich dagegen aus, Mensch und Natur als getrennt voneinander zu betrachten. Der Mensch müsse "als Teil der Natur betrachtet werden. Das menschliche Leben, die Intelligenz und die Freiheit sind in die Natur eingebettet, die unseren Planeten bereichert, und sie sind Teil seiner inneren Kräfte und seines Gleichgewichts."
Theologische oder moralische Ausführungen gibt es in "Laudate Deum" nur an wenigen Stellen. So heißt es im letzten Kapitel unter Rückgriff auf ein Zitat der Enzyklika "Laudato si" von 2015: "Wir müssen anerkennen, dass das menschliche Leben ohne andere Lebewesen nicht verstanden und nicht aufrechterhalten werden kann. Es gilt, 'dass sämtliche Geschöpfe des Universums, da sie von ein und demselben Vater erschaffen wurden, durch unsichtbare Bande verbunden sind und wir alle miteinander eine Art universale Familie bilden, eine sublime Gemeinschaft, die uns zu einem heiligen, liebevollen und demütigen Respekt bewegt'."
Das Schreiben Namen trägt den Namen "Lobt Gott" nach der Aufforderung, die der Heiligen Franz von Assisi mit seinem Leben, seinen Liedern und seinen Taten zum Ausdruck gebracht habe, erklärt der Papst: "Denn ein Mensch, der sich anmaßt, sich an die Stelle Gottes zu setzen, wird zur schlimmsten Gefahr für sich selbst."
Papst Franziskus hat ein Apostolisches Schreiben "über die Klimakrise" verfasst. © Franz Gruber
Linzer Theologe Michael Rosenberger betont Dringlichkeit
Papst Franziskus hat in seinem neuen Apostolischen Schreiben "Laudate Deum" keine originellen neuen Gedanken formuliert, sondern die von ihm bereits bekannten Gedanken dringlicher formuliert und wiederholt. Dieses Fazit hat der Linzer Moraltheologe und Umweltethiker Prof. Michael Rosenberger am 4. Oktober 2023 in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress gezogen. Angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise habe der Papst seine mahnenden Worte mit neuesten Zahlen und Fakten untermauert. Die Stoßrichtung seines Schreibens: "Ein technokratisches Herangehen an einzelne Teilprobleme wird nicht genügen, es braucht vielmehr eine ganzheitliche Sicht der Probleme und einen ganzheitlichen kulturellen Wertewandel", so Rosenberger. In Letzterem liege freilich auch die größte Herausforderung.
Das Schreiben enthalte eine klare Absage an alle Klimaleugner und jene, die die Krise verharmlosen; ebenso eine Absage an jene, die die Ursache vorrangig in der wachsenden Weltbevölkerung sehen, denn in den Ländern mit wachsender Bevölkerung werden am wenigsten Treibhausgase emittiert, so Rosenberger: "Der Papst positioniert sich auch deutlich gegen Klimaleugner und Verharmloser in der Kirche."
Perspektiven der Geisteswissenschaften
An der Wurzel des Übels stehe für den Papst das noch immer wachsende technokratische Paradigma. Und hier sieht Rosenberger auch einen wesentlichen Auftrag an die Theologie und andere Humanwissenschaften: "Das Klimaproblem lässt sich nicht allein naturwissenschaftlich-technisch lösen, es braucht auch die Perspektiven der Geisteswissenschaften", so Rosenberger.
Was die Perspektiven des Handelns im Dokument betrifft, benennt der Linzer Moraltheologe zum einen die von Franziskus festgestellte Schwäche der internationalen Politik, zweitens die bisherigen ambivalenten Klimakonferenzen und drittens die anstehende UN-Klimakonferenz in Dubai Ende des Jahres. Für Rosenberger bleibt der Papst bei konkreten Vorgaben allerdings recht vage - aber er sei auch kein Politiker, sondern deute die grobe Richtung an.
Spirituelle Vertiefung
Umso wesentlicher sei dafür die spirituelle Vertiefung, die der Papst in seinem Schreiben biete. Alle Religionen sollten im Einsatz für die Schöpfung ihre Beweggründe nennen, das Christentum könne u. a. folgende Elemente anbieten: "Die Erde gehört Gott (LD 62); der Reichtum der Schöpfung zeigt die Vielfalt des Schöpfers (LD 63); Jesus zeigte gegenüber den Geschöpfen 'eine von Liebe und Staunen erfüllte Aufmerksamkeit' (LD 64); alle Geschöpfe sind erfüllt von Gottes Gegenwart in ihnen (LD 65)." - In diesem spirituellen Bereich liegt für Rosenberger wie schon in "Laudato si" eine besondere Stärke des Dokuments. Letztlich sei das freilich auch das Spezifikum, das ein Papst einbringen könne. Hier liege zudem auch der genuine Auftrag an die Theologie, aber auch an die Bischöfe und Seelsorgenden, so Rosenberger.
Zulehner zu "Laudate Deum": "Unleugbare Dringlichkeit"
Acht Jahre nach der Veröffentlichung der epochalen Enzyklika "Laudato si" redet Papst Franziskus der Welt neuerlich ins Gewissen. Das hat der Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner auf Anfrage der Nachrichtenagentur Kathpress in einer ersten Stellungnahme zum am 54. Oktober 2023 veröffentlichten Papst-Schreiben "Laudate Deum" zur Klimakrise betont. Den Papst dränge seine tiefe Besorgnis um den Erhalt des gemeinsamen Hauses: Auf den Klimawandel, in welchem er eine der größten Herausforderungen für die globale Gemeinschaft sieht, werde in fahrlässiger Weise unzulänglich reagiert. Das werde unvorhersehbare ökologische und soziale Folgen zeitigen, vor allem für die am meisten gefährdeten Menschen, warne der Papst. Zulehner attestiert dem neuen Schreiben, dass es von "unleugbarer Dringlichkeit" sei.
Wie schon in "Laudato si" setze Franziskus an den Beginn eine fundierte Diagnose der Lage des Weltklimas. Er stütze sich dabei auf die neuesten Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) aus den Jahren 2021 und 2023, denen rund 34.000 wissenschaftliche Studien zugrunde liegen. Aus diesen übernimmt er die hohe Dringlichkeit, mit der umgehend gehandelt werden müsse.
Papst kritisiert "unerleuchtete Leugner"
In scharfen Worten zeig der Papst zugleich Unverständnis gegenüber jenen, welche den von Menschen verursachten Klimawandel leugnen. Solche unerleuchtete Leugner orte er auch in der katholischen Kirche. Neben dem Leugnen störe den Papst auch ein unverantwortlicher Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, "Grünes", Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird.
Treu bleibe sich Papst Franziskus auch bei der Suche nach den Ursachen des Klimanotstandes. Es sei das "wachsende technokratische Paradigma". Ein wichtiger Baustein sei "die Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums, das die Ökonomen, Finanzexperten und Technologen so sehr begeisterte", zitierte Zulehner den Papst.
Gefährlicher "Gotteskomplex"
Die päpstlichen Überlegungen erinnern Zulehner an den deutschen Psychoanalytiker und Sozialphilosophen Horst Eberhard Richters, der den Begriff vom "Gotteskomplex" prägte. Darunter zu verstehen sei der Versuch, die menschliche Macht über alles Vorstellbare hinaus zu steigern. Tatsächlich, so der Papst, hätte die Menschheit noch nie so viel Macht über sich selbst gehabt wie jetzt. Doch der Papst fahre besorgt fort: "Nichts kann garantieren, dass sie diese gut gebrauchen wird". Denn: "Ein Mensch, der sich anmaßt, sich an die Stelle Gottes zu setzen, wird zur schlimmsten Gefahr für sich selbst", zitierte Zulehner einen weiteren zentralen Satz des Schreibens, mit dem dieses auch schließt.
Der Papst diagnostiziere freilich nicht nur, sondern suche auch nach Auswegen, wie der Pastoraltheologe weiter erläuterte. Franziskus nehme die Einzelnen und ihre Familien in den Blick, verlange aber auch eine ökologische Umkehr der Gesellschaften und Kulturen. Er setze dabei nicht nur auf die alte Diplomatie, sondern auch einen neu konfigurierte "Multilateralismus von unten". Die Zivilgesellschaft müsse einbezogen werden, auch um die politisch Verantwortlichen zu bewegen und zu kontrollieren, brachte Zulehner eine zentrale Forderung des Papstes auf den Punkt. Für Franziskus braucht es eine Weltorganisation "mit echter Autorität ausgestattet sein, um die Erfüllung bestimmter unverzichtbarer Ziele zu gewährleisten".
"Erstaunlich konkrete" Forderungen
Wie Zulehner weiter schreibt, werde der Papst mit Blick auf die kommende Klimakonferenz Ende des Jahres in Dubai (COP28) erstaunlich konkret. - "Der Leser kommt sich vor, wie in die kommenden Verhandlungen versetzt." - Der Papst erwartet, dass die Konferenz zu einer "deutlichen Beschleunigung der Energiewende mit wirksamen Verpflichtungen" führe. Man habe dabei aber den Eindruck, dass angesichts der Dringlichkeit der Ökologie die Ökonomie wie auch die Sozialpolitik zurückstehen müssten, resümiert Zulehner diesen Abschnitt des Schreibens: "Umweltpolitiker werden dem Papst euphorisch zustimmen, manche Wirtschafts- und Sozialpolitiker hingegen werden seine Vorschläge kopfschüttelnd als undurchführbar ablehnen."
Während der Großteil der Überlegungen des Papstes an alle Menschen guten Willens gerichtet sind, richte sich ein abschließender Teil des Schreibens an die katholischen Adressaten. Diese wolle der Papst geistlich motivieren, sich ökologisch einzusetzen. Er wolle aber nicht nur ein ökologisches Umdenken anstoßen, "es geht ihm viel tiefer um den Lobpreis Gottes, der unser Handeln beflügeln kann". Daher lautet auch der Name des Apostolischen Schreibens "Laudate Deum".
Schließlich zeigte sich Zulehner in seiner Analyse des Schreibens ein wenig skeptisch, "ob diese gut begründeten und eindringlich starken Worte des Papstes entsprechendes Handeln bewirken werden". Denn: "Der Weg vom Einsehen zum Handeln ist vielfach weit. Auch und gerade in ökologischen Belangen." Dessen scheine sich der Papst bewusst zu sein, was ihn zu einem deutlichen Appell veranlasste, den Zulehner abschließend zitierte: "Wir müssen diese Logik überwinden, dass wir einerseits ein Problembewusstsein an den Tag legen und gleichzeitig nicht den Mut haben, wesentliche Veränderungen herbeizuführen."
Links:
- Volltext des Papst-Schreibens "Laudate Deum" in deutscher Übersetzung
- Vatikan-Website zum Papstschreiben: www.laudatedeum.org
- Themenpaket Kathpress: www.kathpress.at/Laudate-Deum