Sonntag 1. September 2024

Schulseelsorger Georg Winkler: „Meine Währung ist Vertrauen“

Für etwa zweihunderttausend Schüler:innen und deren Lehrkräfte hat in Oberösterreich der Schulalltag wieder begonnen. Auch Georg Winklers Arbeitsplatz ist die Schule: Der 40-jährige Leondinger ist hauptamtlicher Schulseelsorger am Bischöflichen Gymnasium Petrinum in Linz. Eine Aufgabe, die in Zeiten hoher psychischer Belastungen für Schüler:innen besondere Bedeutung hat. Für Winkler ist sie nicht nur Beruf, sondern auch Berufung.

Neben seiner Tätigkeit als Lehrer für Mathematik und Religion ist Georg Winkler seit sieben Jahren auch Schulseelsorger am Bischöflichen Gymnasium Petrinum. Als solcher steht er gern für ein vertrauliches Gespräch zur Verfügung. Die Schüler:innen sollen die Erfahrung machen, dass sie abseits ihrer Leistung gesehen werden und so in Ordnung sind, wie sie sind. „Ich möchte Gottes Gegenwart und Nähe spürbar machen“, sagt der 40-Jährige, „meine Währung ist Vertrauen.“ In den Pausen ist Georg Winkler immer auf dem Gang unterwegs. So können ihn die Schüler:innen kennenlernen und Vertrauen zu ihm aufbauen. Diesen „Pausen-Job“ empfindet er als eine wesentliche Alltagsaufgabe. „Ich habe keine Pause, denn in der Pause bin ich Schulseelsorger“, beschreibt er sein Selbstverständnis. Die Anstellung als Schulseelsorger, kombiniert mit seiner Anstellung als Lehrer, ermöglicht ihm Flexibilität, weil er zwischendurch immer wieder Freistunden und somit Zeit für Gespräche hat. „Die Schülerinnen und Schüler teilen es sich ja nicht ein, wann sie zu mir kommen, und oft ist es nicht mit einem Gespräch getan.“ Herausfordernd findet er, dass die Probleme, über die die Schüler:innen mit ihm reden, oft komplexer sind, als es zuerst aussieht. Manchmal ist es auch nötig, die Jugendlichen nach einem Erstgespräch zu einem Gespräch mit der Schulpsychologin zu ermutigen oder auf die Lernberatung zu verweisen.

 

Georg Winkler ist Schulseelsorger am Bischöflichen Gymnasium Petrinum.

Georg Winkler ist Schulseelsorger am Bischöflichen Gymnasium Petrinum. © Maria Appenzeller

 

Zuhören und da sein für Schüler:innen, Eltern und Kolleg:innen


Die Bandbreite der Themen, mit denen die Schüler:innen zu Georg Winkler kommen, bezeichnet er als „relativ groß.“ Schulische Probleme oder Fragen nach dem eigenen Platz in der Klassengemeinschaft werden genauso mit ihm besprochen wie Streitigkeiten im Freundeskreis oder in der Familie. Mit Corona ist die Anzahl der Gesprächsstunden explodiert. Mittlerweile hat sich das Redebedürfnis auf einem Niveau über der Vor-Corona-Zeit eingependelt. „Vielleicht gibt es aktuell tatsächlich mehr Bedarf; oder im Vergleich zu früher wissen mehr Schüler:innen von dem Angebot und nutzen es“, meint Georg Winkler. Als zusätzliches Angebot hat Winkler deshalb auf Bitte der Schüler:innen-Vertretung für das heurige Schuljahr Workshops mit Profis zum Thema Mental Health organisiert.

 

Auch Eltern suchen manchmal Rat bei Georg Winkler. „Es ist schon vorgekommen, dass Eltern meinten, den Draht zu ihrem Kind verloren zu haben. Von mir wollten sie wissen, wie sie das Verhältnis wieder verbessern können“, erzählt er. Seinen Kolleg:innen steht er in schwierigen Klassensituationen bei. Auch bei Schicksalsschlägen oder in Krisensituationen heißt es für Georg Winkler, für die Menschen an der Schule da zu sein. „Zuhören ist enorm wichtig – da sein und zuhören“, betont er. In diesen herausfordernden Situationen hilft ihm seine Ausbildung zum Geistlichen Begleiter. Wichtig ist ihm Rollenklarheit: „Einmal hatten wir den Fall, dass jemand einen Suizid angekündigt hat. Um diese Person haben sich Profis gekümmert, aber die Klasse musste auch begleitet werden – das war meine Aufgabe.“ Aktiv wird Georg Winkler bei Konflikten in der Klassengemeinschaft, „weil Zuhören hier nicht mehr reicht“. Dann tauscht er sich mit Kolleg:innen aus oder arbeitet mit der Klasse, etwa zum Thema Mobbing.

 

In seinem Büro hat Schulseelsorger Georg Winkler eine gemütliche Ecke zum Plaudern eingerichtet.

In seinem Büro hat Schulseelsorger Georg Winkler eine gemütliche Ecke zum Plaudern eingerichtet. © Maria Appenzeller

 

Schulgottesdienste, „stille Pausen“ und eine Reise nach Taizé


Als Schulseelsorger bereitet Georg Winkler Schulgottesdienste vor oder lädt zu einer „stillen Pause“ in die Schulkapelle ein. „Still werden, einfach im Moment da sein“, beschreibt er das Format. Dreimal im Jahr plant er zudem Gottesdienste mit anschließender Einladung zu Kaffee und Kuchen für Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern. Im Sommer gibt es ein gemeinsames Grillfest. Auch eine fünftägige Reise nach Taizé, an der alle Sechst- bis Achtklässler:innen freiwillig teilnehmen konnten, hat er bereits organisiert. Die Gespräche, die sich bei all diesen Gelegenheiten ergeben, hält er für enorm wichtig. „Gute Gespräche sind die Basis dafür, dass die Schüler:innen zu mir kommen, wenn ihnen etwas auf dem Herzen liegt“, ist er überzeugt. Zu den schönen Seiten seines Berufs als Schulseelsorger gehört auch positives Feedback – sei es von den Schüler:innen zu einem gemeinsam gefeierten Gottesdienst oder von den Eltern, die sich bei Georg Winkler am Ende der Schulzeit ihres Kindes bedanken. Und noch etwas berührt ihn sehr: „Wenn ich Schüler:innen, denen es in der Klasse nicht gut gegangen ist, nach einiger Zeit auf dem Gang begegne und sehe, wie sie nun gern Zeit mit anderen verbringen – das ist wirklich schön.“ 

 

Katholische Kirche und Schule in Oberösterreich


Die katholische Kirche spielt im oberösterreichischen Bildungswesen eine wichtige Rolle. 45 Schulen sind unter katholischer Trägerschaft. Darüber hinaus organisiert und verantwortet das Schulamt der Diözese Linz gemeinsam mit der Bildungsdirektion auch den katholischen Religionsunterricht in ganz Oberösterreich. Die Diözese ist damit für 1.439 Religionslehrer:innen (Stand: Schuljahr 2022/23), die an staatlichen oder privaten Schulen unterrichten, fachlich zuständig. 


Katholische Schulen stehen für eine Bildung um der Menschen willen. Sie wollen Resonanzräume für das Religiöse sein, Werte und Verantwortung lehren und einen Dialog in Vielfalt ermöglichen. Dass das viele Eltern anspricht, zeigen die Schüler:innen-Zahlen: Im Schuljahr 2022/23 besuchten 12.668 Schüler:innen in Oberösterreich eine katholische Privatschule. Insgesamt 108.925 Schüler:innen nahmen 2022/23 am katholischen Religionsunterricht teil. 


Allen katholischen Privatschulen ist Schulseelsorge ein wesentliches Anliegen. Im Interesse von Schulerhalter, etwaiger Ordensgemeinschaft und Schulleitung wird Schulseelsorge am jeweiligen Standort entsprechend den Möglichkeiten und Gegebenheiten verwirklicht. Oft fungieren Religionslehrer:innen als Ansprechpersonen. An manchen Schulen gibt es Schulpastoralteams mit Lehrer:innen unterschiedlicher Fächer. In Oberösterreich sind alle in der Schulseelsorge Tätigen gut vernetzt.
 

50 Jahre gesendete Berufe

In die Berufung hineinwachsen - Seelsorger*in sein in den 90er Jahren

Auch wenn Gott sein Chef ist, wie es Josef Rathmaier im Interview beschreibt, so stellt sich in den 1990er Jahren die...

Fehlende weibliche Vorbilder – Seelsorgerin in den 1980er Jahren

Die Auswirkungen unterschiedlicher Bischofsernennungen beschäftigten die Kirche in Österreich in den 1980er Jahren....

Wir genossen höchstmögliche Freiheit – Die Pioniere in den 1970er Jahren

Nachdem 1974 die Berufsbezeichnung Pastoralassistent:in von der österreichischen Bischofskonferenz eingeführt worden...
Zukunftsweg
Titelbild Handbuch neu

Aktualisierung Handbuch zur neuen Pfarrstruktur

In der nunmehr vorliegenden Ausgabe 2024 wurden die Rechtstexte mit den Inhalten aus dem bisherigen Handbuch...

Mit Dir

Gemeinschaft erleben

Was vor der Strukturveränderung schon vielfach praktisch gelebt wird bekommt eine neue Grundlage und Verbindlichkeit....
100 Jahre Mariendom
100 Jahre Mariendom
Katholische Kirche in Oberösterreich
Diözese Linz

Fachbereich Kommunikation
Herrenstraße 19
Postfach 251
4021 Linz
TEL: 0732 / 7610 - 1170
FAX: 0732 / 7610 - 1175

www.dioezese-linz.at
post@dioezese-linz.at
https://www.dioezese-linz.at/
Darstellung: