Am 1. September beginnt die kirchliche "Schöpfungszeit"
Seit 2015 ist der ökumenisch begangene "Schöpfungstag" am 1. September offiziell als "Weltgebetstag für die Schöpfung" im katholischen Kalender eingetragen. Bereits 1989 hatte der damalige Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Dimitrios I., "die ganze orthodoxe und christliche Welt" eingeladen, am 1. September "zum Schöpfer der Welt zu beten: mit Dankgebeten für die große Gabe der geschaffenen Welt und mit Bittgebeten für ihren Schutz und für ihre Erlösung". Diese Initiative wurde 1992 von der gesamten orthodoxen Kirche begrüßt und übernommen, katholische und evangelische Ortskirchen folgten.
2007 weitete die dritte Europäische Ökumenische Versammlung in Sibiu/Hermannstadt (Rumänien) dies aus und empfahl, "dass der Zeitraum zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober dem Gebet für den Schutz der Schöpfung und der Förderung eines nachhaltigen Lebensstils gewidmet wird, um den Klimawandel aufzuhalten".
Als besonderer kirchlicher Mahner für mehr Schöpfungsverantwortung gilt Patriarch Bartholomaios I., der Nachfolger von Dimitrios auf dem Patriarchensitz in Konstantinopel. Er hat auch den Beinamen "Der grüne Patriarch". Es überrascht nicht, dass Papst Franziskus in seiner Umwelt- und Sozial-Enzyklika "Laudato si" (2015) den Patriarchen als Vorbild hervorgehoben hat.
Der traditionelle Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) zu diesem Anlass findet heuer am Freitag, 15. September 2023 um 16 Uhr in der Wiener Michaelerkirche (1., Michaelerplatz 5) statt. Das Datum ist vonseiten des ÖRKÖ bewusst gewählt, findet doch am 15. September der nächste weltweite Klimastreik statt. Dazu gibt es u. a. auch in Wien Demonstrationen und Kundgebungen. Kirchenvertreterinnen und -vertreter sowie die "Religions for Future"-Wien laden beispielsweise am 15. September um 11.30 Uhr zu einem interreligiösen Auftakt im Innenhof der armenische Kirche in Wien-Landstraße (3., Kolonitzgasse 11) ein.
In jeder österreichischen Diözese gibt es im Rahmen der Schöpfungszeit auch heuer wieder zahlreiche Umweltschutzaktionen. Besondere Initiativen gehen auch jedes Jahr von den Umweltbeauftragten der Katholischen und Evangelischen Kirche Österreichs aus. (Infos: www.schoepfung.at)
Bewahrung der Schöpfung als christlicher Auftrag. © shameer pk / www.pixabay.com
Pariser Klimaziel verfehlt: Linzer Umweltethiker Rosenberger warnt vor Resignation
Auch wenn das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf einen Zuwachs von maximal plus 1,5 Grad Celsius zu beschränken, realistischer Weise nicht mehr erreicht werden kann, macht es Sinn, alle Anstrengungen in diese Richtung weiterzuverfolgen. Das hat der Moraltheologe, Ethiker und diözesane Umweltsprecher Prof. Michael Rosenberger im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress betont. Er wies auf wissenschaftliche Berechnungen hin, wonach es bei Umsetzung der jetzt geplanten Klimaschutzmaßnahmen zu einer Erwärmung von 2,7 Grad kommen werde. Das sei angesichts der dann zu erwartenden globalen Extremwetterereignisse unbedingt zu vermeiden. Statt in Resignation zu verfallen, müsse alles getan werden, um mit plus 1,7 oder 1,8 Grad den Schaden möglichst gering zu halten.
Der an der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz lehrende und seit 2004 als Umweltreferent der Diözese Linz tätige Priester mit Forschungsschwerpunkt Schöpfungsethik äußerte sich im Vorfeld des am 1. September begangenen "Tags der Schöpfung", an dem die christlichen Kirchen die Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft auf vielfache Weise betonen. Laut Rosenbergers Einschätzung ist der Klimaerwärmung mit technischer Innovation nicht beizukommen, auf die manche Politiker als Bewältigungsstrategie setzen.
Es sei aber auch verfehlt, ausschließlich von der Politik eine ökologische Kehrtwende einzufordern. Denn die Umweltkrise sei auch eine geistige, ja spirituelle Krise. Und um zu einem neuen, das Wohl künftiger Generationen berücksichtigenden Lebensstil zu kommen, und zu einer Haltung zu finden, die auch nichtmenschlichen Geschöpfen Respekt entgegenbringt, seien die Kirchen gefordert. Das Christentum könne eine Inspiration dafür sein, dass im Verzicht und in der Reduktion auf das Wesentliche im Leben auch ein Gewinn liegen kann, sagte Rosenberger.
Dass zuletzt politische Parteien im Aufwind scheinen, die Umweltpolitik links liegen lassen, ist laut dem Theologen ein Spiegelbild der Wählerschaft. Auch unter ihr werde die Dramatik der Klimakrise ausgeblendet und die Realität verleugnet. Rosenberger sieht dahinter ein anthropologisches Dilemma: Der Mensch nehme Gefahren wahr, wenn sie unmittelbar bedrohlich sind; als mögliches Zukunftsszenario würden Gefahren oft nicht ernst genommen - obwohl heutiges Handeln bzw. Nichthandeln absehbare Folgen habe.
Bischöfe würden sich hier leichter tun als Politiker, etwa Verständnis für den Protest von Klimaaktivistinnen und -aktivisten zu äußern statt mit Schielen auf aktuelle Mehrheiten verschärfte Strafen für "Klimaterroristen" zu fordern, meinte Rosenberger. Auf die Umkehr solcher Mehrheiten müsse aber von allen Verantwortlichen mit Vernunft und gutem Willen hingearbeitet werden - etwa durch die "absolut plausible" und leicht umzusetzende Maßnahme einer Temporeduktion im Straßenverkehr, wie der Experte im Einklang mit der Letzten Generation anregte.
Prof. Michael Rosenberger war Rektor und Prorektor der Katholisch-Theologischen Privat-Universität Linz, sein Forschungsschwerpunkt als Moraltheologe ist der Bereich Schöpfungsethik (dazu: "Christliche Schöpfungsethik" und "Spiritualität aus Erde", beide 2021 erschienen, "Krone der Schöpfung?", 2023). Der gebürtige Würzburger berät Politik und Kirche - seit 2004 als Mitglied der Gentechnik-Kommission beim Gesundheitsministerium und Umweltsprecher der Diözese Linz, seit 2019 gehört er der Kommission Ethische Geldanlagen der Österreichischen Bischofskonferenz und Ordensgemeinschaften (FinAnKo) an.
Der diözesane Umweltsprecher Prof. Michael Rosenberger. © suzy stoeckl
Kathpress-Themenpaket zur Schöpfungszeit: www.kathpress.at/schoepfung
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