Bischof Scheuer wünscht sich mehr Verständnis für Orden
Dass die angekündigte Schließung des Trappistenklosters Engelszell und weiterer Ordenseinrichtungen für viele auch als spiritueller Verlust empfunden wird, ist für den Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer doch auch ein wenig überraschend. "Weil das Verständnis doch breiter Kreise der Bevölkerung und auch innerkirchlich für diese Form des Klosterlebens enden wollend ist", wie er im "Kurier"-Interview am Sonntag, 4. Juni 2023 sagte. Er habe den Eindruck, "dass es wie beim Brand von Notre Dame in Paris eine Art Phantomschmerz gibt. Eine Gesellschaft wie die französische hat die Kirche schon ziemlich an den Rand gestellt. Aber wie Notre Dame abgebrannt ist, hatte man den Eindruck, dass den Menschen über etwas das Herz blutet, was sie eigentlich gar nicht mehr hat. So ähnlich habe ich es bei Engelszell empfunden."
Engelszell sei bekannt für seinen Kräuterlikör und das Trappistenbier, es sei auch ein Kulturzentrum. Aber: "Das innere Verständnis für das, was die Mönche tun, hat weitgehend gefehlt." Das sei im Grunde genommen das Schicksal der Ordensgemeinschaften insgesamt. Es gebe beispielsweise eine Wertschätzung für die Leistungen der Frauenorden im Bereich des Gesundheitswesens und der Pflege, aber für den Verzicht, also die Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams, den sie mit ihrem Ordensleben leisten, sei das Verständnis nicht gegeben. Der Verzicht, so Bischof Scheuer, "kann aber Leben gelingen lassen, die Ordensleute setzen sich für ihre Anliegen ein und brennen dafür".
Große Orden hätten in der Geschichte wichtige Weichenstellungen gesetzt. Scheuer: "Wenn ich zum Beispiel an die Benediktiner denke. Nach dem Zusammenbruch der römischen Zivilisation haben sie eine neue Ordnung aufgebaut. Der Ordnungsgedanke des Mittelalters stammt von den Regeln der Benediktiner. Die Englische Verfassung ist letzten Endes auf der Basis von Ordensregeln entstanden, wo es die Mitentscheidung durch die Klosterregeln gibt. Die Predigerorden standen als Kontrastymbol gegen die Verbürgerlichung. Diese Bettelorden haben bewusst auf Reichtum verzichtet und damit ein Signal gesetzt. Die Jesuiten hatten zu Beginn der Neuzeit eine unheimliche Dynamik und haben in der Wissenschaft sehr viel geleistet. Sie waren der Zeit voraus."
Im 19. Jahrhundert hätten die Frauenorden, die das Wort Barmherzigkeit in ihren Namen tragen, in der Pflege viel geleistet. "Sie waren oft Vorreiter." Heute seien die Orden stark in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert, betonte der Bischof: "Es waren und sind fast ausschließlich Orden, die sehr viel im Verhältnis von Nord und Süd leisten. Gegen die Kolonisatoren und gegen die Kapitalisten. Sie haben wichtige Voraussetzungen geschaffen, dass der Süden ein Selbstbewusstsein bekommt."
Orden seien so etwas wie "Kirche im Brennpunkt", oder im guten Sinn "Salz der Erde". Scheuer: "Es ist immer alles durchwachsen, niemand ist perfekt, im Gegenteil, natürlich gibt es auch Fehlformen, Mangelerscheinungen, Danebenstehen und Scheitern."
Gerade in der Gegenwart, "wo es so viele Probleme gibt wie zum Beispiel die Vereinsamung und das Auffangen von Menschen, die nicht in der Lage sind, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sind Orden oder ordensähnliche Ansätze wichtig", zeigte sich der Bischof zudem überzeugt..
Zur Frage, was Orden wieder attraktiv machen könnte, meinte Scheuer: "Das ist nicht ein Produkt, das gekauft wird, sondern ein Lebensentwurf in der Nachfolge Jesu. Diese Bindung an Jesus braucht es, sonst ist das nicht lebbar. Es wird dadurch attraktiv, indem man sich darauf einlässt." Das setze die Freude am Glauben voraus, die Anziehungskraft des Evangeliums, "und auch das Bewusstsein, dass man den Menschen damit etwas ganz Kostbares und Wichtiges vermittelt".
Und im Blick auf die Ordensgelübde sagte der Bischof: "Der Verzicht sei nicht das Erste, auf das man schaut, wenn man für etwas brennt, so ist zum Beispiel der Verzicht bei Wissenschaftern oft sehr groß. Der asketische Charakter der Spitzensportler ist enorm. Sie haben ihre Fastenzeiten und Diäten." Der Verzicht sei nicht in sich zu sehen, sondern im Hinblick auf ein anderes, höheres Gut. "Wenn jemand meint, er kommt hier zu kurz, dann ist er fehl am Platz", so Scheuer.