Mittwoch 20. November 2024

Digitale Jägerstätter Edition als Plattform für Forschung und Vermittlung

Am 1. Juni 2023 präsentierte das Franz und Franziska Jägerstätter Institut der KU Linz die digitale Jägerstätter Edition. Nach mehrjähriger Forschung sind nun 370 Schriften aus dem Familiennachlass und weiteren Sammlungen auf einer Website frei zugänglich.

Franz Jägerstätter wurde vor 80 Jahren, am 9. August 1943, aufgrund seiner Verweigerung, dem NS-Regime als Soldat zu dienen, in Brandenburg an der Havel hingerichtet. Seit 2018 sind die von Franziska Jägerstätter aufbewahrten Schriften von und über Franz Jägerstätter im Besitz der Diözese Linz. In seiner Begrüßung betonte Rektor Universitätsprofessor Christoph Niemand, dass die Gründung des FFJI, welches im gleichen Jahr seine Arbeit aufnahm, den Drittmittelförderungen der Diözese Linz, des Landes Oberösterreich und der Österreichischen Ordenskonferenz zu verdanken sei. Mit der Präsentation der digitalen Jägerstätter Edition im Rahmen einer Feier, an der auch zwei Töchter und ein Enkel von Franz Jägerstätters teilnahmen, werde nun die Forschungsleistung des Instituts aufgezeigt. 

 

v.l.: Rektor Univ.-Prof. Dr. Christoph Niemand, Dr.in Verena Lorber, Abt Dr. Reinhold Dessl OCist, Aloisia Maier, Dr. Andreas Schmoller, DDr.in Erna Putz, Maria Dammer, Bischof Dr. Manfred Scheuer, Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer.
Dr. Andreas Schmoller, Abt Dr. Reinhold Dessl OCist, Dr.in Verena Lorber, Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer, DDr.in Erna Putz, Bischof Dr. Manfred Scheuer, Rektor Univ.-Prof. Dr. Christoph Niemand.
Dr. Andreas Schmoller, Leiter des FFJI, und Dr.in Verena Lorber, wissenschaftliche Mitarbeiterin am FFJI, präsentieren die digitale Jägerstätter Edition als Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit.

© KU Linz/Eder


Abt Reinhold Dessl sprach als Vorstandsmitglied der Österreichischen Ordensgemeinschaft in seinem Grußwort von der Digitalisierung als Potenzial hinsichtlich der Reichweite und neuen Vermittlungschancen der außergewöhnlichen Lebensgeschichten. Er verwies auf die Ordensspiritualität von Franz und Franziska Jägerstätter, mit der sie sehr gut in die Gegenwart passen, wie die wachsende Zahl von Laienordensmitglieder und anderen neuen klösterlichen Bindungsformen zeigt. Jägerstätter-Biografin und Ehrendoktorin Erna Putz erinnerte daran, dass Franziska Jägerstätter selbst es war, die nach den Schriften ihres Mannes auch ihre eigenen Briefe zur Verfügung stellte und damit Einlass in ihre Beziehung ermöglichte. Putz ist überzeugt, dass der digitalen Schriftenausgabe hinkünftig große Bedeutung zukomme: "Die digitale Jägerstätter Edition ist ein Modell hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit, Breite und Tiefe der Erschließung." Für Landeshauptmann Thomas Stelzer ist Franz Jägerstätter weit über die Landesgrenzen hinaus eine Persönlichkeit, die zu faszinieren vermag und auch in der Gegenwart und Zukunft immer wieder als Vorbild dienen soll. Am Innviertler Bauern und Familienvater Franz Jägerstätter wird sichtbar, dass es für zentrale ethische und politische Fragestellungen und Entscheidungen nicht automatisch ein Universitätsstudium braucht, sondern Gewissensbildung, politische Urteilskraft und Willensstärke durch Bildung im umfassenden Sinn vermittelt und geprägt werden.  
 
Besonderes Element der Feier war die musikalische Gestaltung von Albin Zaininger und Lisa Felbermayer mit Kompositionen Zainingers zu Briefen Franz Jägerstätter unter dem Titel "Gegen den Strom".  

 


Die digitale Edition des Jägerstätter Nachlasses


Im Hauptteil des Abends boten die beiden Herausgeber:innen Andreas Schmoller, Leiter des FFJI, und Verena Lorber, wissenschaftliche Mitarbeiterin am FFJI, einen Streifzug durch die Onlineplattform. Die Franz und Franziska Jägerstätter Edition zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen ungewöhnlichen Quellenbestand aus Familienbesitz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. "Die Edition wurde mit dem Ziel konzipiert, sowohl für die akademische als auch für pädagogische und individuelle Nutzung neue Akzente zu setzen", betont Institutsleiter Schmoller. Mit der Edition werden alle Schriften von Franz Jägerstätter in vollem Umfang und chronologisch abgebildet. "Außerdem werden erstmals Korrespondenzen und Schriftwechsel eingebunden, die zwischen den Jägerstätters und anderen Personen bestanden", erklärt Lorber. Es handelt sich dabei um 183 Briefe und Karten.  

Franziska Jägerstätter ist es zu verdanken, dass die historisch bedeutenden Quellen heute zur Verfügung stehen und digital aufbereitet werden konnten. Seit 2018 befinden sich diese durch eine Schenkung im Besitz der Diözese Linz und werden durch das Franz und Franziska Jägerstätter Institut inventarisiert, katalogisiert und wissenschaftlich erforscht.  


Dieser Quellenbestand bildet den Hauptteil der Edition, konnte aber um weitere Briefe und Lebensdokumente aus anderen Sammlungen erweitert werden. "Die Edition umfasst insgesamt 370 schriftliche Quelle, die in Buchseiten gerechnet rund 1.000 Seiten entsprechen", fasst Lorber zusammen. Davon stammen 103 Schreiben aus der Hand Jägerstätters, 183 Schreiben wurden an ihn gerichtet und 50 Schreiben stammen von Personen aus Jägerstätters Umfeld an – nicht nur, aber vor allem – Franziska. Zudem sind vier Hefte mit rund 200 Seiten und 30 mehrseitige schriftliche Reflexionen Jägerstätter aus der Zeit vor der Kriegsdienstverweigerung und der Haft. Namensregister mit über 400 Namen, rund 1.640 textkritische Kommentare, ein Bibelstellenverzeichnis und Biografien zu zentralen Personen aus Jägerstätters Umfeld machen den Quellenbestand verständlich. "Es galt, die Schriften in eine heute verständliche Lesefassung zu bringen und möglichst viel Hintergrundinformationen zu den Inhalten der Texte zu liefern", beschreibt Lorber. In der digitalen Umgebung befinden sich Bilder der Originalschriften in individueller Handschrift neben mehreren Textfassungen, aus denen je nach Interesse ausgewählt werden kann. Eine Fotosammlung mit über 50 Fotografien bieten zudem einen visuellen Einstieg in die Lebensgeschichte der Familie Jägerstätter.  


Diözesanbischof Manfred Scheuer, Postulator im Seligsprechungsprozess, bedankte sich in seinem Schlusswort für die von den beiden Herausgeber:innen geleistete Arbeit. "Jede Generation nähert sich Jägerstätter neu an und macht sich seinen neuen Jägerstätter. Und das ist auch gut so", fasste Scheuer mit Blick auf die teils recht unterschiedlichen Inspirationen zusammen, zu denen der Selige in der Vergangenheit Anlass bot. Die Jägerstätter Edition führt zu den Quellen, den Beziehungen, Lebenswelten der Menschen damals, auch wenn das Digitale die menschliche Begegnung nicht zu ersetzen vermag, so bietet sie doch neue zusätzliche Möglichkeiten der Auseinandersetzung und Annäherung. Das FFJI wird bereits 2024 ein weiteres Projekt abschließen, das sich generell der pädagogischen Arbeit zu Jägerstätter widmet, einschließlich der Nutzung der digitalen Edition.  

 

Schlusswort von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen

 


Die Jägerstätter Edition ist online abrufbar unter https://edition.jaegerstaetter.at 

 

Katholische Privat-Universität Linz | Hermine Eder

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