Pro Oriente-Delegation thematisiert in Brüssel Religionsfreiheit
Der weltweite Einsatz für die Religionsfreiheit war eines der zentralen Themen am zweiten Tag des Besuchs einer Linzer Pro Oriente-Delegation in Brüssel. Die Gruppe mit Bischof Manfred Scheuer und dem früheren oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer an der Spitze traf am 17. Mai 2023 u. a. mit dem österreichischen EU-Kommissar Johannes Hahn, dem Apostolischen Nuntius bei der EU, Erzbischof Noel Treanor, und COMECE-Generalsekretär Fr. Manuel Enrique Barrios Prieto zusammen.
Erzbischof Treanor bezeichnete es bei dem Gespräch in der Nuntiatur in Brüssel als ermutigendes Zeichen, dass es nach einer längeren Vakanz mit dem früheren belgischen Diplomaten Frans van Daele wieder einen EU-Sonderbeauftragten für weltweite Religionsfreiheit gibt. Allerdings müsse dem Thema noch weit mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, so der Befund des Vatikan-Diplomaten.
Nuntius Treanor bestätigte, dass die Rolle und Bedeutung der Religion auch in Brüssel wieder stärker zum Thema werde. Hier hätten freilich auch die Kirchen und Religionen eine Bringschuld und müssten sich stärker in den politischen Diskurs einbringen und mit den EU-Institutionen bzw. den handelnden Personen ständig im Gespräch bleiben.
Die inhaltlichen Aufgabenfelder für die Kirchen seien vielfältig, so der Nuntius, sie reichten etwa von der Friedens- und Entwicklungspolitik über Migration und Sozialpolitik bis zu ethischen Fragestellungen, u.a. bei neuen Technologien wie der Künstlichen Intelligenz.
Treanor unterstrich weiters auch die Bedeutung des Dialogs mit der Orthodoxie und würdigte in diesem Zusammenhang die jahrzehntelange Arbeit von Pro Oriente. Er ermutigte die Verantwortlichen der Stiftung, sich noch stärker auch in Brüssel einzubringen.
EU-Kommissar Hahn bekräftigte im Gespräch mit der Delegation, dass er zur EU-Mitgliedschaft für Österreich keine Alternative sehe. Österreich als kleines Land würde international ohne EU-Mitgliedschaft "nirgendwo" stehen. Schon die EU verliere international immer mehr an Bedeutung. Ende des Jahrhunderts werde laut Prognosen nur mehr vier Prozent der Weltbevölkerung in der EU leben. Auch sei das westliche Modell der Demokratie weltweit gesehen ein Minderheitenprojekt. Die jüngsten Krisen bzw. Herausforderungen - Hahn nannte die Pandemie, den Ukraine-Krieg, die politischen Entwicklungen in den USA und China - hätten gezeigt, dass Europa stärker auf eigenen Beinen stehen müsse.
Im Blick auf China meinte er etwa, dass China "Partner, Mitbewerber und zugleich aber auch ein systemischer Rivale" der EU sei. Die EU zeichne sich durch Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft aus, "China ist eine Diktatur".
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Wenig Chancen auf Frieden in Ukraine
Hahn sah auf Anfrage derzeit für die EU keine andere Möglichkeit, als die Ukraine auch mit Waffen zu unterstützen. Der Respekt vor den Landesgrenzen sei ein Fundament der Weltordnung. Der Aggressionskrieg Russlands daher eine immanente Gefahr weit über die Ukraine hinaus. Der EU-Kommisar räumte ein, dass es ein Fehler gewesen sei, nicht schon 2014 bei der russischen Besetzung der Krim entschieden gehandelt zu haben. Den derzeitigen Friedensbemühungen von Papst Franziskus räumte er - "leider" - keine realistischen Chancen ein. Den Zeitpunkt für einen Waffenstillstand sah Hahn noch nicht gekommen.
Dass die Ukraine und auch das kleine Nachbarland Moldau nun EU-Kandidatenstatus haben, bezeichnete Hahn vor allem auch als moralische Stärkung. Es werde freilich sicher keine EU-Mitgliedschaft zu "Diskontpreisen" geben. Es brauche umfassenden Reformen sowohl bei den Beitrittskandidaten als auch innerhalb der EU. Bis auf fundamentale Grundsatzfragen, für die es stets Einstimmigkeit brauche, müssten künftig auch Mehrheitsentscheidungen möglich sein, um handlungsfähig zu bleiben.
In den Räumlichkeiten der "Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft" (ComECE) in Brüssel feierte die OÖ-Delegation am 17. Mai 2023 mit dem polnischen Bischof Janusz Stepnowski, dem Vorsitzenden der COMECE-Kommission für Bildung und Kultur, einen Gottesdienst. COMECE-Generalsektretär Prieto erläuterte der OÖ-Delegation bei einem ausführlichen Hintergrundgespräch die Aufgabenfelder und Arbeitsweise der COMECE. Man stehe im intensiven Austausch mit den EU-Institutionen und habe zugleich eine Brückenfunktion zwischen den einzelnen nationalen Bischofskonferenzen und der EU inne.
Prieto räumte ein, dass es auch innerhalb der europäischen Bischofskonferenzen zu Themen wie Migration oder auch ethisch-moralischen Fragen unterschiedliche Auffassungen gibt. Und er fügte hinzu: "Auch die Bischöfe aus Osteuropa wollen gehört werden." Wichtig sei, dass man ständig miteinander im Gespräch bleibe, einander zuhöre und zu verstehen suche. Derzeit arbeitet die COMECE bereits an einem gemeinsamen Positionspapier zu den EU-Wahlen im Juni 2024
Die "Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft" (ComECE) wurde 1980 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Brüssel. Über die COMECE führen die katholischen Bischofskonferenzen der 27 Mitgliedstaaten den Dialog mit den EU-Institutionen.