Theologisch-praktische Quartalschrift: „Freude“
„Lassen wir uns die Freude der Evangelisierung nicht nehmen!“, erinnert uns Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium. Tatsächlich scheint es so, dass der moderne Mensch, auch die moderne Christin und der moderne Christ an die Freude der Evangelisierung erinnert werden muss. Man hat den Eindruck, dass in unserer westlichen Kultur immer mehr die Angst den Platz der Freude in unserem Leben einnimmt und somit auch unser Zusammenleben bestimmt. Jedoch: Gibt es angesichts des Krieges, der Pandemie, des Missbrauchsskandals in der Kirche, der Armut überhaupt noch einen Grund zur Freude? Ist es nicht widersprüchlich, angesichts tragischer Ereignisse in der Welt von Freude zu sprechen? Was wissen wir über die Freude? Empfinden wir Menschen noch Freude am Leben trotz tragischer Zustände oder warten wir ununterbrochen nur darauf, dass irgendeine Änderung in unserem Leben eintritt, worüber wir uns dann freuen können? Entspringt Freude dem, was wir tun oder fließt sie ein in das, was wir tun, und zwar aus unserem Inneren? Freude ist nicht in der Außenwelt oder in den Dingen um uns herum zu finden, sondern sie entspringt in uns, in unserer Präsenz, kommt in der Hingabe einer Person oder einer Sache zum Ausdruck. Freude hat eine non-generative Logik. Wir erfahren sie als eine dynamische und lebendige Wirklichkeit in unserem Leben, als eine existenzielle Lebenskraft, die sich zwar nicht generieren lässt, aber wohl gefunden und gelebt werden kann – trotz oftmals widrigster Umstände. Die biblische Tradition zeigt uns, dass Freude nicht vom Menschen selbst bewirkt ist, sondern ihren Grund in Gott hat. Das Christentum behauptet von sich, dass es die gute Botschaft verkündet, dass die Freude uns Christinnen und Christen und der Welt in Christus geschenkt wird. Dennoch wird Freude im Alltag oder im theologischen Diskurs nur selten thematisiert.
Im neuen Heft der Theologisch-praktischen Quartalschrift soll Freude als lebensbejahende Grundeinstellung beleuchtet und zugleich ihre Bedeutung für die Gestaltung des Lebens und des Zusammenlebens aufgezeigt werden.
Den biblischen Auftakt zur Thematik bietet die Linzer Alttestamentlerin Susanne Gillmayr-Bucher mit ihrem Beitrag zur Freude in den Psalmen. Ausgehend von der körperlichen Verankerung der Freude im Herzen des Menschen wendet sie sich den Anlässen, Formen und Orten der Kundgebung von Freuden zu, in der große Veränderungen der Lebensumstände verortet sind.
Der emeritierte Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner plädiert in seinem Beitrag für eine Kirche, die aus der biblischen Tradition heraus ihre ureigene Rolle als Freudenbotin wieder erkennt und dementsprechend ihre Praxis gestaltet.
Mit dem dritten Beitrag dieses Heftes wird die Predigt – Urform kirchlicher Verkündigungspraxis – unter die Lupe genommen. Der Linzer Bischofsvikar für Bildung, Johann Hintermaier, erinnert an die Bedeutung der Freude und des Lachens im Kontext von Predigt, indem er die Lebensbejahung Gottes verdeutlicht und sein Erlösungswerk als Grund unserer Freude zum Qualitätsmerkmal des Predigens etabliert.
Der Jesuit, Publizist und Theologe Andreas Batlogg zählt zu den besten Kennern von Papst Franziskus im deutschsprachigen Raum. In seinem Beitrag erschließt er Freude als Leitbegriff von Franziskus’ Pontifikat und deren existenzielle, spirituelle und ekklesiologische Bedeutung.
Wir wissen um andere Kulturen, denen nachgesagt wird, dass Freude in ihrem Leben einen höheren Stellenwert hat als hierzulande, und die auch freudevoller wirken. Die in Deutschland lebende nigerianische Ordensschwester und Philosophin Christiana Idika DMMM bietet einen Einblick in die afrikanische Kultur. Sie stellt verschiedene Facetten der Freude im afrikanischen Denken vor und erklärt, was Menschen in Afrika trotz Schmerz und Leid, trotz erdrückender Armut, die sie nicht selten ihrer Zukunft beraubt, Freude am Leben haben lässt.
Der letzte thematische Beitrag des aktuellen Heftes lädt ein, über den eigenen kirchlichen und theologischen Tellerrand hinauszuschauen. Daniela Phillipp, Lebensberaterin und Coach mit logotherapeutischer Prägung, führt die Bedeutung von Freude aus dem Blickwinkel der Praxis vor Augen. Mit Beispielen u. a. aus ihrem Praxisalltag zeigt sie, welchen Stellenwert Freude im Prozess der Sinnfindung insbesondere in schwierigen Lebensumständen hat.
Über die thematischen Beiträge hinaus wird in diesem Heft das Positionspapier der Katholisch-Theologischen Fakultäten Österreichs zum Synodalen Prozess veröffentlicht, das im Auftrag der Österreichischen Bischofskonferenz verfasst wurde. Die Reihe der Beiträge im aktuellen Heft beschließt Benjamin Nägele mit seinen Ausführungen zu Verschwörungsmythen und Vorurteilen den Juden gegenüber.
Freude und Leid begegnen uns insbesondere seit der Pandemie und nun mit dem Ukraine-Krieg unübersehbarer denn je. (...) Wir erfahren unsere Ohnmacht zum Frieden, zur Ruhe in der Welt nichts beitragen zu können. Unser Geschick haben wir nicht in der Hand. Unsere Haltung und innere Einstellung dem gegenüber, was uns widerfährt, bleibt jedoch nach wie vor allein in unserer Hand. Wir entscheiden darüber, ob wir auf Frieden und Ruhe in der Welt warten, oder ob wir getragen sind von der Hoffnung, dass Gott in dieser Welt am Werk ist, ob wir die Möglichkeit erkennen und den nächsten Schritt im Leben riskieren, der uns und unserem Umfeld Freude schenken kann.
Univ.-Prof.in Dr.in Klara A. Csiszar (für die Redaktion) / Katholische Privat-Universität Linz
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