Lange Nacht der Kirchen: Leichtigkeit mit Tiefgang
Auch heuer setzten die christlichen Kirchen mit dem ökumenischen Event am 10. Juni 2022 wieder ein spürbares Zeichen von Lebendigkeit und Lebensfreude. An 67 Orten in ganz Oberösterreich erwarteten die zahlreichen Besucher:innen bei knapp 220 Veranstaltungen – 105 davon in Linz – 300 Stunden Programm voller Inspiration, Begegnung und Muße. Die Menschen genossen es sichtlich, dass dieses unbeschwerte Miteinander wieder möglich war. Als besonderer Akzent zog sich heuer das Thema Friede durch viele Veranstaltungen in Linz und Oberösterreich. „Wir haben in der ökumenischen Vesper gemeinsam für den Frieden gebetet. Dieses friedvolle Miteinander hat sich durch die ganze Lange Nacht der Kirchen gezogen. Es war viel Freude und viel Tiefgang spürbar. Das so viele unterschiedliche Menschen miteinander feiern, sehe ich als kleinen Baustein für den Frieden, den wir uns für die Welt so sehr wünschen“, so Projektleiterin Maria Krone, die sich über gelungenen Abend mit regem Besucherandrang freute . Auch das Wetter war der Langen Nacht der Kirchen wohlgesonnen: Nach einem regnerischen Vormittag riss der Himmel am Nachmittag auf, und am Abend konnten die Besucher:innen im Trockenen flanieren.
Ökumenische Vesper: „Zeugen des Vertrauens und der Hoffnung, dass Krieg und Tod nicht das letzte Wort haben“
Auftakt der Langen Nacht der Kirchen in Linz war das ökumenische Abendgebet mit Vertreter:innen der neun christlichen Kirchen in Oberösterreich: Diözesanbischof Manfred Scheuer, Dompfarrer Maximilian Strasser und Ökumene-Referentin Gudrun Becker (Römisch-katholische Kirche), Superintendent Gerold Lehner und Pfarrer Wolfgang Ernst (Evangelische Kirche A. B.), Pastor Martin Obermeir-Siegrist (Evangelisch-methodistische Kirche), Diakon Nemanja Micic (Serbisch-orthodoxe Kirche), Pfarrer Sorin Bugner (Rumänisch-orthodoxe Kirche) und Pfarrer Samuel Ebner (Altkatholische Kirche). Musikalisch gestaltet wurde die Vesper von der Evangelischen Kantorei Linz unter der Leitung von Franziska Riccabona. An der Orgel musizierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber.
Bischof Manfred Scheuer am Beginn der ökumenischen Vesper: „Kirchen sind Sehnsuchtsorte des Friedens. Wir halten Ausschau nach einem versöhnten, friedlichen Miteinander untereinander und mit Gott.
In seiner Predigt nahm Bischof Scheuer Bezug auf die Friedensvision des Propheten Micha, die in der Lesung zu hören war: „Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.“ Scheuer: „Wer wollte das nicht – ein Ende der unseligen Verstrickungen von Krieg, Völkerhass und Fanatismus. Wer wollte das nicht angesichts der Kriegsschauplätze, zurzeit gerade in der Ukraine, aber auch in Syrien und vielen afrikanischen Ländern, angesichts von Vertreibungen und Verelendungen von Millionen von Menschen. Eine Welt, die nur den Frieden kennt – das muss unser Ziel sein. Und doch: Wie schwer fällt es oft schon im engsten Umfeld, Frieden in Auseinandersetzungen und Konflikten zu stiften, jeglicher Gewalt eine Absage zu erteilen.“
An der Wurzel von Krieg stehe nicht selten die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod und die Verachtung von Menschen. Diese Verachtung habe sich „aller Kräfte, auch jener der Wissenschaften, der Kommunikation und der Medien, der Politik, der Medizin, der Ökonomie, der militärischen Macht und sogar der Religion“ bedient. Der Krieg werde auf all diesen Ebenen, manchmal gleichzeitig, oft abwechselnd geführt, so Scheuer.
„Der Friede ist möglich – mehr noch: Der Friede ist geboten“, zitierte Bischof Scheuer Papst Johannes Paul II. Friede fuße auf vier Pfeilern, die Papst Johannes XIII. in seiner Enzyklika „Pacem in terris“ (1963) aufgezeigt habe: Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit. Papst Franziskus habe einmal formuliert, es sei nötig, „den Teufelskreis der Angst zu durchbrechen und die Spirale der Furcht aufzuhalten, die ein Ergebnis der Angewohnheit ist, sein Augenmerk ganz auf die ‚schlechten Nachrichten‘ – Kriege, Terror, Skandale und jegliche Art menschlichen Scheiterns – zu richten. Es solle versucht werden, „das Gefühl des Unmuts und der Resignation zu überwinden, das uns oft befällt, uns in Apathie versetzt und Ängste erzeugt oder den Eindruck erweckt, dass dem Übel keine Grenzen gesetzt werden können“, zitierte der Bischof den Papst. Scheuer wörtlich: „Wir sind berufen, Zeugen des Vertrauens und der Hoffnung zu sein, dass Krieg und Tod nicht das letzte Wort haben.“
Gedanken von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Ökumenisches Abendgebet mit Vertreter:innen der christlichen Kirchen im Linzer Mariendom als Auftakt zur Langen Nacht der Kirchen. © Diözese Linz / Kienberger
Inszenierung „Licht“ von Peter Androsch anlässlich 75(+1) Jahre Caritas in Oberösterreich
Die Caritas in Oberösterreich war 1946 nach dem Krieg wiedererrichtet und als bischöfliches Amt begründet worden. Stand unmittelbar nach dem Krieg die Bewältigung der Armut und Obdachlosigkeit im Mittelpunkt der Caritas-Arbeit, haben sich die Schwerpunkte im Lauf der Zeit immer wieder an die gesellschaftlichen Veränderungen angepasst. Der Grundauftrag lautet bis heute: „Not sehen und handeln“. Mit rund 3.200 angestellten und 1.100 freiwilligen Mitarbeiter:innen unterstützt und begleitet die Caritas OÖ heute jährlich rund 40.000 Menschen in Oberösterreich: Menschen in Not, Menschen mit Beeinträchtigungen, Kinder und Jugendliche, ältere Menschen, Familien und viele andere. – Aufgrund der Corona-Situation konnte das 75-Jahr-Jubiläum im Vorjahr nicht gefeiert werden. Im Rahmen der heurigen Langen Nacht der Kirchen lud die Caritas Oberösterreich zu einem Jubiläums-Ereignis der besonderen Art ein: Ab 20.15 Uhr wurde der Kirchenraum des Linzer Mariendoms zum Schauplatz eines faszinierenden Gesamtkunstwerks von Komponist und Schallkünstler Peter Androsch. Bei seiner Inszenierung „Licht“ verwandelten Licht, Projektion, Chöre, Orgeln, Trompete, Stimme und Elektronik den Raum in eine große Erzählung der Nächstenliebe, die den Reigen des Lebens umfasste: von der Geburt über die Kindheit zur jugendlichen Sinnsuche bis zum Erwachsensein mit allen Freuden und allen Krisen. Am Schluss blieb der Wunsch nach Würde im Alter. Die Caritas begleitet Menschen in all diesen Lebensphasen.
Inszenierung „Licht“ von Peter Androsch anlässlich 75(+1) Jahre Caritas in Oberösterreich. © Caritas / Hermann Wakolbinger
Wohltuendes für Leib und Seele
Genuss für alle Sinne und für kleine wie große Besucher:innen wurde in Linz bei der Langen Nacht der Kirchen geboten. Beim Klostermarkt auf dem Linzer Domplatz, der auch am 11. Juni von 10.00 bis 18.00 Uhr noch geöffnet ist, präsentierten Klöster und Ordensgemeinschaften aus Österreich, Deutschland und Frankreich ihre Produkte und Delikatessen. Das vielfältige Angebot reichte von Gewürzen und Weihrauch über handgearbeiteten Schmuck und Töpferwaren aus Taizé bis hin zu Säften, Wein, Bier und Klosterlikören. Am Freitagnachmittag wurde im „Kinderdom“ ein abwechslungsreiches Programm für Familien angeboten: Spezielle Domführungen gaben spannende Einblicke in besondere Bereiche des Mariendoms. Die Kinder konnten mit Domorganist Wolfgang Kreuzhuber die Rudigierorgel hautnah erleben, sich mit Domhüttenmeister Gerhard Fraundorfer als Steinmetze versuchen, mit Dombaumeister Schaffer den Dom aus Spielsteinen nachbauen, mit Mitarbeiter:innen der Glaswerkstätten des Stifts Schlierbach Glaskreuze anfertigen und vieles mehr. Das fahrradbetriebene Domkarussell und die Funballz rundeten die Programmvielfalt ab.
Einen Augen- bzw. Ohrenschmaus der besonderen Art lieferten in der Stadtpfarrkirche Urfahr der Gebärdenchor und „Tanz am Fluss“, dargeboten von Masterstudierenden des Tanzinstituts der Anton Bruckner Privatuniversität. „Getanzte Lebensfreude“ zum Mitmachen wurde auf dem Martin-Luther-Platz angeboten. In der Martin-Luther-Kirche entführte die Band „Acustica“ mit orientalischen Klängen in eine andere Welt. Richtig „abshaken“ konnten Jugendliche und Junggebliebene beim „Elektro Klub“ in der Jugendkirche Grüner Anker in Urfahr. In der Friedenskirche in Urfahr servierten der Upper Austrian Gospel Choir und das Vokalensemble b.choired vokale Leckerbissen.
Ein Markt für Leib und Seele: der Klostermarkt auf dem Linzer Domplatz. Im Bild Sr. Anna Pointinger, Marienschwester vom Karmel. © Diözese Linz / Kienberger
Friede als thematischer Akzent
Dass die Sehnsucht nach Frieden viele Menschen bewegt, zeichnete sich auch im Programm der Langen Nacht der Kirchen ab: Das Thema zog sich wie ein roter Faden durch viele Veranstaltungen in Linz und ganz Oberösterreich. Eine musikalische Bitte um Frieden der Chor-i-Feen erklang in der Linzer Minoritenkirche. Auch das Vokalsextett „Voices“ in der Ursulinenkirche stellte sein Programm unter das Friedens-Thema. In der Linzer Ursulinenkirche waren Musik und Texte zum Thema „Frieden und Hoffnung“ zu hören. „Freiheit, Frieden und Verantwortung – Eine Debatte über die Rolle der Einzelnen und der Gesellschaft für eine friedliche Zukunft“: Unter diesem Titel diskutierten an der Katholischen Privat-Universität Linz Nina Horaczek (Chefreporterin bei der Wochenzeitung „Falter“ und Buchautorin), Hermann Schneider (Intendant des Landestheaters Linz) und Gerold Lehner (Superintendent der Evangelischen Kirche A. B. Oberösterreich); die Moderation übernahm Pastoralamtsdirektorin Gabriele Eder-Cakl. Im Linzer Mariendom ist – noch bis 7. Juli – die Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ der Friedensbibliothek Berlin zu sehen.
Besucher:innen der Langen Nacht der Kirchen in Linz waren eingeladen, mit der „Aktion Friedenswunsch“ ihrer Sehnsucht nach Frieden Ausdruck zu verleihen. In zahlreichen Linzer Kirchen lagen Karten auf, die mit einem Friedenswunsch versehen und in der Kirche hinterlegt werden konnten. Die gesammelten Friedenswünsche werden beim ökumenischen Friedensgebet am 20. Juni 2022 im Linzer Mariendom sichtbar und hörbar gemacht.
Auch viele Pfarren in Oberösterreich griffen das Friedensthema auf. So ertönten etwa „Lieder für den Frieden“ in der Pfarrkirche von Neukirchen am Walde. „Tausend Lichter für den Frieden“ wurden in der Stadtpfarrkirche Bad Ischl entzündet. In der Stadtpfarrkirche St. Ulrich in Vöcklabruck lud das Interreligiöse Dialogforum zum Kennenlernen und zum gemeinsamen Bemühen um den Frieden ein – mit spirituellen, musikalischen und künstlerischen Impulsen. Die Kapelle Teufenbach in der Pfarre St. Florian am Inn schenkte den Besucher:innen mit meditativen Betrachtungen in Wort und Bild eine Zeit des Friedens.
Friede als "roter Faden" durch die Lange Nacht der Kirchen. © Diözese Linz / Kienberger
„Ordenswalk“ durch Linz
Wer die Linzer Ordensgemeinschaften näher kennenlernen wollte, konnte bei einem „Ordenswalk“ durch das Linzer Stadtzentrum Veranstaltungen in den jeweiligen Klosterkirchen besuchen. In der Kirche der Barmherzigen Brüder stand das Thema „Pflege und Care-Arbeit“ im Zentrum. In der Kirche der Barmherzigen Schwestern wurde nach einer meditativen Stunde zum Thema „Segen“ vom „Trio Forlane“ musikalischer Genuss geboten. Bei den Marienschwestern vom Karmel kamen Tanzbegeisterte bei meditativen Kreistänzen zur Ruhe, bevor Heinz Purrer mit seiner Band Eigenkompositionen zum Besten gab. Die Karmeliten luden in stimmungsvoller Atmosphäre zu Gebet und Lobpreis in ihrer Kirche an der Landstraße ein. In der Klosterkirche der Elisabethinen zeigte die Ausstellung „Werte. Wandel. Wirken“ Meilensteine in der über 275-jährigen Geschichte der Schwesterngemeinschaft; auch die persönliche Begegnung mit den Elisabethinen war möglich.
Lange Nacht der Kirchen in Oberösterreich
Viele Pfarren in Oberösterreich beteiligten sich auch heuer an der Langen Nacht der Kirchen. Einige Blitzlichter: In der Welser Marienkirche stand Poetry Slam auf dem Programm. In der Pfarrkirche Unterweißenbach unternahmen kleine und große Besucher:innen mit Orgelholzwurm Rudi eine musikalische Entdeckungsreise. Im Stift St. Florian konnten u. a. Gruft und Krypta besichtigt werden, während im Stift Lambach die Lange Nacht der Kirchen mit einem Festkonzert begangen wurde. Bei einer „ökumenischen Kirchenroas“ in Vöcklabruck wurde in insgesamt fünf Kirchen ein buntes Programm geboten. In Kirchheim im Innkreis war die Pfarrfirmung mit Firmspender Klaus Dopler gleichsam in die Lange Nacht der Kirchen „eingebettet“ – davor wurde eine Schnitzeljagd für Kinder veranstaltet, danach eine Orgel- und Kirchendisco, und „Magic Priest“ Gert Smetanig verzauberte das Publikum, bevor eine Fackelwanderung das Programm abrundete.
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