Eröffnung des Gedenkortes für Menschen, die auf der Flucht verstorben sind
Der Gedenkort.Flucht wurde von der Projektgruppe „Gedenkort Flucht“ unter der Leitung der Diözese Linz als Gemeinschaftsprojekt der Katholischen Kirche in Oberösterreich, der Evangelischen Kirche A. B. in Oberösterreich und der Islamischen Religionsgemeinde Oberösterreich, der Kulturdirektion der Stadt Linz sowie der LINZ AG FRIEDHÖFE realisiert. Das Projekt wurde gefördert durch das Land Oberösterreich, die Städte Linz, Traun und Leonding, die Diözese Linz, die Evangelische Kirche A. B. in Oberösterreich sowie den Otto-Mauer-Fonds.
Das im Zeitraum von 4 Jahren über Religions- und Parteigrenzen hinweg realisierte Kunstwerk versteht sich als Gedenkort, als Trauerort und als Versammlungsort: „Als Gedenkort für Menschen, die auf der Flucht verstorben sind, als Trauerort für Hinterbliebene mit dem Namen ihrer Verstorbenen, als Versammlungsort, an dem erinnert, gefeiert und gebetet wird“, so Dr. Stefan Schlager, der Projektleiter von „Gedenkort.Flucht“ der Diözese Linz.
Der nun neu eröffnete Gedenkort wurde vom Wiener Künstler Mag. Arye Wachsmuth gestaltet. Sein Projekt wurde von einer Jury als Siegerprojekt bei einem geladenen Wettbewerb mit internationaler Beteiligung gekürt. Es nimmt die Topografie der zur Verfügung stehenden Fläche an einem Kreuzungspunkt im Stadtfriedhof Linz/St. Martin als zentrales Gestaltungselement in sein Konzept auf und schafft einen „bergenden“ Raum. Ausgangspunkt ist die Form der Träne, deren bildliche Darstellung eine – über die Religionen hinausgehende – Universalität besitzt.
Die Materialien – graue Zementfaserplatten und rostbrauner Cortenstahl – stehen in ihrer Dialektik für Brüchigkeit und Beständigkeit. Die räumliche Anlage ermöglicht einen intimen, besinnlichen Moment der Andacht und Erinnerung. An der Gedenkwand, die in der Tradition einer „Klagemauer“ steht, werden zusätzlich zu den Namen der Verstorbenen und Vermissten auch Bezeichnungen für Familienzugehörigkeit, wie Mutter, Vater, Tochter, Bruder in einer korrespondierenden Sprache angebracht. Damit sollen Menschen, deren Namen nicht bekannt sind, inkludiert werden.
Künstler Arye Wachsmuth zum neuen Gedenkort: „Ein Ort für jene, die auf der Flucht verstorben sind, ist sowohl ein Beitrag gegen das Vergessen als auch ein Hoffnungssymbol für eine Veränderung. In meinem Entwurf („VorAugen/In sight“, Gedenkort für Menschen, die auf der Flucht verstorben sind) steht die Möglichkeit einer aktiven Erinnerung im Mittelpunkt. Dabei sollte der Gedenkort ein Zeichen für Inklusion und Beachtung sein und zudem Gedenken und Trauer auf eine möglichst persönliche Art ermöglichen.“
© Diözese Linz / Schlager
Multireligiöser Gedenkort
Bischof Dr. Manfred Scheuer:
„Gräber sind wichtig, denn Trauer und Gedenken verlangen nach begehbaren Orten. Orte, an denen man sich an konkrete Menschen mit ihren Namen, mit ihren Gesichtszügen, mit ihrer Biografie, mit ihrem Sinnentwurf erinnert. Genau darum geht es auch beim Gedenkort für Menschen, die auf der Flucht verstorben sind: Man will ihrer Würde als Mensch gerecht werden und sie der Anonymität entreißen. Der Gedenkort steht für Humanität und für die Unverzichtbarkeit einer lebendigen Gedenkkultur in Österreich.“
Superintendent Dr. Gerold Lehner:
„Keinen Ort zu haben, bedeutet unter anderem, nirgendwo festmachen zu können. Im Leben und im Sterben keinen Ort zugestanden zu bekommen, bedeutet, dem Vergessen anheimgegeben werden. Was wir hier in kleiner Form tun, ist, einen solchen Ort zu schaffen. Einen Ort, der denen gilt, die davon träumten, an einem anderen Ort in Freiheit leben zu können, der Perspektivlosigkeit zu entkommen. Dieser Ort bezeichnet eine offene Wunde in unserer Zeit. Er ist für uns eine stille Mahnung, die ‚Welt da draußen‘ nicht auszublenden.“
Binur Mustafi, BEd. MA, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinde Oberösterreich:
„Gemeinsam feiern wir die Eröffnung dieses besonderen Ortes, eines Gedenkortes für auf der Flucht Verstorbene. So traurig der Anlass unserer Zusammenkunft auch ist, so lässt er uns doch als Menschen, ja als ganze Gesellschaft näher zusammenrücken. Wir berufen uns dabei auf unsere gemeinsamen Werte der Menschenwürde, Nächstenliebe und Barmherzigkeit, die aber nicht davon abhängig sein dürfen, welche Herkunft ein Mensch hat. Diese Werte der Humanität kennen auch keine Außengrenzen. Ich freue mich, dass wir mit diesem Gedenkort all jenen ein Zeichen setzen, die in der Flucht den traurigen Tod gefunden haben. Nehmen wir den heutigen Tag jedoch auch zum Anlass, um all jenen die Hand auszustrecken, die in unserem Land eine neue Heimat gefunden haben.“
Multireligiöse Segnung der Gedenkstätte durch Bischof Dr. Manfred Scheuer, Imam Omber Berisha und Superintendent Dr. Gerold Lehner.
Foto: © LINZ AG, fotokerschi.at, Kerschbaummayr
Zeichen für Menschlichkeit
Landesrat Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer:
„Krieg, Flucht und die damit verbundenen tragischen Schicksale dürfen niemals in Vergessenheit geraten. Gerade die aktuelle Situation in der Ukraine zeigt uns, dass Krieg keinesfalls ein Relikt alter Tage ist oder nur fernab von Österreich stattfindet. Mit dem Projekt des Künstlers Arye Wachsmuth wollen wir uns an jene, die auf ihrer Flucht umgekommen sind, erinnern und geben Menschen einen Ort für ihre Trauer. Danke der Diözese Linz und Dr. Schlager für die Initiative.“
Stadtrat Dietmar Prammer, Linz:
„Bedenkt man, mit welcher fortdauernden Brisanz sich das Thema Flucht durch die Geschichte und unseren heutigen Alltag zieht, so ist ein Ort wie dieser wohl längst überfällig gewesen. Vielen wird dieses Schicksal immer noch aufgezwungen, und zu viele kommen weiterhin um. Meist sterben sie abseits der Augen der Öffentlichkeit. Arye Wachsmuth hat uns allen hier ein universales Angebot gemacht, ein Angebot, aktiv hinzusehen und ihrer zu gedenken, damit kein Name nur Teil einer Statistik wird. Denn ausnahmslos jeder Mensch ist es wert, betrauert zu werden. Der Gedenkort gibt Raum, zum einen dem aktiven Erinnern und zum anderen der persönlichen Trauer, sodass Gedenken aus dem bisher verborgenen Raum in einen geborgenen tritt. Aus dem heraus sich vielleicht sogar die Chance bietet, dass immer mehr zu dem Entschluss gelangen, dies nicht mehr einfach hinzunehmen.“
Bürgermeisterin Dr.in Sabine Naderer-Jelinek, Leonding:
„Flucht ist ein Thema, das zu allen Zeiten gegenwärtig ist, wir brauchen nur an den aktuellen schrecklichen Krieg in der Ukraine denken. Auch in unserer Stadt haben Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden und nach Leonding, vorwiegend in die Ortschaft Doppl, gekommen sind, Zuflucht gefunden und Geschichte geschrieben. Es ist mir ein großes Anliegen, den Hinterbliebenen von flüchtenden Menschen unser tiefstes Mitgefühl zu zeigen. Für sie ist der Gedenkort am Stadtfriedhof Linz/St. Martin ein würdevoller Ort, um sich an ihre Lieben zu erinnern und zu trauern. Ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben, diesen Ort zu schaffen, und freue mich darüber, das Projekt zu unterstützen.“
Bürgermeister Ing. Karl-Heinz Koll, Traun:
„Das Abbrechen aller Brücken hinter sich, mit der Ungewissheit, ob man je wieder in seine Heimat zurückkehren kann, das Zurücklassen der vertrauten Umgebung, der Liebsten – all das sind unbegreiflich schlimme Ereignisse. Stirbt auf der Flucht ein geliebter Mensch, so ist dies schwer traumatisierend und es bleibt meist keine Möglichkeit des Abschiednehmens oder ein Ort des Erinnerns. Mit diesem ‚Gedenkort für Menschen, die auf der Flucht verstorben sind‘ auf unserem Stadtfriedhof ist ein bedeutender Platz entstanden, an dem die Menschen in Stille gedenken und daraus Kraft und Zuversicht schöpfen können. Es gehört zu unseren gesellschaftlichen Verpflichtungen, dafür zu sorgen, dass jedes einzelne Menschenleben nicht in Vergessenheit gerät. Ich danke allen Projektbeteiligten, die zur Entstehung dieses wertvollen Gedenkortes beigetragen haben."
Generaldirektor der LINZ AG DI Erich Haider, MBA
„Nicht alle wissen vielleicht, dass auch vier Friedhöfe ein Teil der LINZ AG-Familie sind. Als größter Friedhof in Oberösterreich nimmt der Stadtfriedhof Linz/St. Martin unter den vieren eine besondere Rolle ein. Die erste Beerdigung fand hier 1945 am damals noch ganz neuen Friedhof statt. Inzwischen trägt der Stadtfriedhof auch den Namen ‚Park der Begegnung‘. Jede Grabstätte in diesem Park erzählt eine eigene Geschichte und bietet Hinterbliebenen einen Ort der persönlichen Erinnerung und der Zusammenkunft. Heute wird auf unserem Friedhof ein ganz besonderer Gedenkort eröffnet. Der Gedenkort für Menschen, die auf der Flucht verstorben sind, ist ab heute im Park der Begegnung eingebettet. Wir freuen uns, dass wir als LINZ AG zur Realisierung der von Arye Wachsmuth gestalteten Gedenkstätte beitragen konnten und sie heute gemeinschaftlich eröffnen dürfen. Danke an alle, die mitgewirkt haben, diesen Ort des individuellen und gemeinsamen Erinnerns zu schaffen und damit den Park der Begegnung im Sinne seiner Bestimmung zu erweitern.“
Eröffnet wurde der Gedenkort vom Bürgermeister der Stadt Traun, Ing. Karl-Heinz Koll; Geschäftsführer LINZ SERVICE GmbH, Werner Sonnleitner; Leiter Friedhöfe LINZ AG, Mario Wagenhuber; Landesrat Dr. Wolfgang Hattmansdorfer; Projektleiter der Diözese Linz, Dr. Stefan Schlager; Künstler Arye Wachsmuth; Stadtrat der Stadt Linz, Dietmar Prammer; Hamsa Sinanovic als Vertreter für von der Flucht betroffene Menschen; Bürgermeisterin der Stadt Leonding Dr.in Sabine Naderer-Jelinek.
Foto: © LINZ AG, fotokerschi.at, Kerschbaummayr