Donnerstag 26. September 2024

Ein Himmel ohne Tiere wäre kein Himmel

Moraltheologe Michael Rosenberger

Zum Welttierschutztag am 04. Oktober äußert sich Dr. Michael Rosenberger, Moraltheologe der Katholischen Privat-Universität Linz, über die Mensch-Tier-Beziehung.

In den letzten Jahren hat die Zahl der Tierfriedhöfe im deutschsprachigen Raum deutlich zugenommen, und ebenso die Zahl der Tierbestattungen. Was für die einen ein Weg ist, ihre Trauer um ein geliebtes Tier auszudrücken und zu bewältigen, scheint anderen völlig übertrieben und unangebracht. Da wirkt die Überzeugung des frühen Christentums bis heute nach, dass Tiere vernunftlose Wesen sind, die nur für den Nutzen der Menschen dienen, aber selbst nicht in den Himmel kommen. Diese Überzeugung finden wir schon im 3. Jahrhundert, und nur eine kleine Minderheit widersetzt sich ihr. Drei Gründe dürften hauptsächlich dazu geführt haben: Erstens wollte man sich von der platonischen Idee der Seelenwanderung distanzieren und die Einmaligkeit des irdischen Lebens unterstreichen. Zweitens wollte man Jesu Botschaft ernst nehmen, dass nur der in den Himmel kommen kann, der ein moralisch gutes Leben geführt hat – und das können Tiere in diesem Sinne nicht. Und drittens wollten die frühen ChristInnen beweisen, dass sie mit der neuesten Philosophie mithalten können – das war die stoische Philosophie, die die Tiere weit unter den Menschen stellte. Die Abwertung der Tiere im frühen Christentum war also eher ein unbeabsichtigter Kollateralschaden. Doch wirkt sie bis heute folgenschwer nach.


Dabei kann sich die Bibel das messianische Friedensreich gar nicht ohne Tiere vorstellen. Kuh und Bärin, Wolf und Lamm, Mensch und Schlange werden dort in Frieden leben, wie der Prophet Jesaja schildert (Jes 11). Jedes Tier ist von Gott in Liebe geschaffen und hat eine einzigartige Beziehung zu Gott – wie sollte er es im Tode allein lassen? In der Volksfrömmigkeit und in der christlichen Kunst ist diese Überzeugung immer lebendig gehalten worden. Wir stellen Ochs und Esel an die Krippe, weil sie zur Familie Jesu gehören und seine Geschwister sind. Das Leiden Jesu wird in zahlreichen Kunstwerken mit dem Leiden der Tiere in Verbindung gebracht. Und Paradiesdarstellungen entbehren selten der nichtmenschlichen Geschöpfe. 


Was Franz von Assisi poetisch und mystisch erkannte, dass Tiere und Menschen Geschwister sind, untermauert die moderne Evolutionsbiologie naturwissenschaftlich. Nur weil Menschen und Tiere in vieler Hinsicht ähnlich empfinden, wahrnehmen und sich verhalten, können sie einander so tief verbunden sein. Tiere sind in vieler Hinsicht sehr „menschlich“ – und Menschen in vieler Hinsicht sehr „tierlich“. Beides ist gut so! Denn als von Gott geliebte Geschöpfe haben wir Menschen es überhaupt nicht nötig, unser Selbstbewusstsein zu gewinnen, indem wir andere für minderwertig erklären und uns von ihnen abgrenzen.


Papst Franziskus hat aus alldem die richtige Konsequenz gezogen. In seiner Enzyklika „Laudato si‘“ von 2015 bekundet er die Überzeugung, dass Menschen und Tiere gemeinsam in den Himmel kommen, wo sie einander die Fülle ihrer Gaben schenken (LS 243). Ohne Tiere würde uns im Himmel etwas sehr Wesentliches fehlen. Und warum sollte es Gott da anders gehen als uns?


Dr. Michael Rosenberger ist Vorstand des Instituts für Moraltheologie der Katholischen Privat-Universität Linz, Umweltsprecher der Diözese Linz und Vorsitzender der interdisziplinären Arbeitsgruppe zur Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung. 

 

Der Beitrag erschien am 02. Oktober 2021 in den OÖNachrichten im Rahmen der Reihe "Mystik und Geist"
 

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