Montag 4. November 2024

„Wir merken, es ist total wichtig, dass wir da sind“: Krankenhausseelsorge in Corona-Zeiten

Derzeit ist die Situation in den österreichischen Krankenhäusern mehr als angespannt. Umso wichtiger ist derzeit das erweiterte Angebot der KrankenhausseelsorgerInnen: Sie übernehmen eine VermittlerInnen-Rolle zwischen Angehörigen und PatientInnen.

Die verordnete Distanz in der Corona-Pandemie ist für kranke und insbesondere für sterbende Menschen sowie deren Angehörige eine zusätzliche Belastung in einer ohnehin schwierigen Zeit. Anders als im Frühjahr ist jetzt für Kranke und Sterbende die Möglichkeit der seelsorglichen Begleitung in Krankenhäusern – unter Einhaltung strenger Hygieneregeln – rechtlich durch die aktuelle COVID-19-Notmaßnahmenverordnung ausdrücklich gewährleistet. Die Krankenhausseelsorge ist dabei für PatientInnen, Angehörige und Krankenhauspersonal gleichermaßen notwendig wie hilfreich.

 

„Die derzeitige Situation ist schon viel intensiver als die Zeit ohne COVID. Es geht eindeutig mehr in die Tiefe und es geht mehr nahe. Aber es sind auch sehr bereichernde Einsätze und wir merken, es ist total wichtig, dass wir da sind.“ So beschreibt Mag.a Birgit Kopf, Leiterin der Katholischen Krankenhausseelsorge am Linzer Med Campus III, ihre derzeitige Arbeitssituation. Am Linzer Med Campus gibt es derzeit elf isolierte COVID-Stationen, auf denen keine routinemäßigen Besuche der SeelsorgerInnen stattfinden können. Das bedeutet für die PatientInnen eine zusätzliche Belastung, wie auch Dr.in Karin Hartmann, Leiterin der Krankenhausseelsorge am Klinikum Freistadt, an dem auch COVID-PatientInnen behandelt werden, beschreibt: „Die PatientInnen leiden neben der Krankheit auch an der sozialen Isolation und an der Tatsache, dass sie nur von Personen mit Schutzkleidung behandelt werden.“

 

Einsam im Krankenhaus

Soziale Isolation als zusätzliche Belastung im Krankenhaus. © Parentingupstream / www.pixabay.com CC0 1.0

 

Seelsorge als wichtige Stütze im System Krankenhaus

 

Im Gegensatz zum ersten Lockdown, in dem die SeelsorgerInnen nur sehr reduziert und vereinzelt vor Ort sein konnten, sind sie derzeit in jeder Klinik tätig. „Das ist auch wichtig und richtig“, meint Birgit Kopf. „Die Seelsorge ist eine wichtige Stütze im System bzw. ein Teil des Systems Krankenhaus, nicht nur für die PatientInnen.“

 

Denn auch das Krankenhauspersonal ist derzeit außerordentlich gefordert, besonders auf den COVID-Stationen. SeelsorgerInnen sind AnsprechpartnerInnen für alle im Krankenhaus – und das momentan noch viel mehr als sonst. Darum legen die SeelsorgerInnen auch großes Augenmerk auf das Personal. „Wenn man auf die Station kommt, dann fragt man auch die Menschen, die dort arbeiten, wie es ihnen geht“, erzählt Birgit Kopf.

 

Um die MitarbeiterInnen zu unterstützen, wurde in der Oberösterreichischen Gesundheitsholding eine Hotline für belastete MitarbeiterInnen eingerichtet, die in Zusammenarbeit mit der Betriebs- und Arbeitspsychologie, der Klinischen Psychologie und der Krankenhausseelsorge betreut wird. Mag.a Christiane Roser, Referentin für Krankenhauspastoral in der Diözese Linz, hält dieses Angebot für besonders wichtig und wegweisend: „Sich gegenseitig zu unterstützen, kollegial und kooperativ die jeweilige Expertise zur Verfügung zu stellen, halte ich für ein Gebot der Stunde.“

 

Christiane Roser, Referentin für Krankenhauspastoral

Christiane Roser, Referentin für Krankenhauspastoral. © Diözese Linz

 

Begleitung beim Abschied

 

Auf die COVID-Stationen dürfen die SeelsorgerInnen nur, wenn sie gerufen werden. Fast immer geht es um Sterbesituationen bzw. um Unterstützung der Angehörigen beim Abschied. Solche Situationen gehen auch den KrankenhausseelsorgerInnen besonders nahe. Birgit Kopf erzählt von einer Abschiedssituation: „Ich habe eine Frau auf die COVID-Station zu ihrem sterbenden Mann begleitet. Sie im Bewusstsein, dass sie ihren Mann nun das letzte Mal sehen wird. Sie selbst hatte auch COVID, hat die Erkrankung aber überstanden. Gemeinsam haben wir eine Segensfeier gefeiert. Selbst die Krankenschwester hat mitgefeiert, was normalerweise nicht der Fall ist.“ Dabei nimmt Birgit Kopf eine große Dankbarkeit wahr: „Ich glaube, die Menschen fühlen sich sehr alleine. Umso intensiver spüren sie dann, wenn jemand für sie da ist.“

 

Die Situationen auf den anderen Stationen ist unterschiedlich. Jeden Tag muss aufs Neue geschaut werden, wie die Situation ist und was gebraucht wird. Christiane Roser beschreibt die Arbeit der SeelsorgerInnen: „Als Mitglied des therapeutischen Teams unterstützen sie dort, wo es notwendig und hilfreich ist: Gespräche am Krankenbett, Krankensegnungen, Kommunionspendung und Krankensalbungen sind unter den gebotenen Hygienemaßnahmen und auf Wunsch der PatientInnen möglich. In manchen Kliniken werden Gottesdienste der Ordensgemeinschaften digital übertragen und Gedenkfeiern – stellvertretend – begangen.“

 

Die derzeitige Situation birgt aber auch Herausforderungen für die SeelsorgerInnen selbst, wie Karin Hartmann beschreibt: „Leider können die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen in der Seelsorge ihren Dienst derzeit nicht verrichten, somit sind unsere Teams stark reduziert. Außerdem leide ich persönlich unter dem dauernden Arbeiten mit der FFP2-Maske.“

 

„Verbunden bleiben“ mit einem Angebot der Krankenhausseelsorge

 

PatientInnen und Angehörige leiden gleichermaßen, wenn sie nicht in Kontakt sein können. Gerade kranke Menschen sind auf die Zuwendung und Nähe verständnisvoller und vertrauter Menschen angewiesen. Das Gefühl, nicht allein, sondern verbunden und geborgen zu sein, trägt wesentlich zur Heilung bei. Daher gehört zu den besonders positiven Erfahrungen, von denen Karin Hartmann berichtet, die Videotelefonie-Vermittlung zwischen Angehörigen und PatientInnen. Ähnliche Erfahrungen haben auch KollegInnen in anderen Krankenhäusern gemacht. Daraus entstand unter dem Motto „Verbunden bleiben“ ein neues Angebot der Krankenhausseelsorge, das sich an FreundInnen und Angehörige von kranken Menschen in den Spitälern richtet. Diese können bei dem/der diensthabenden SeelsorgerIn anrufen oder eine Nachricht an der Rezeption hinterlassen. Die SeelsorgerInnen versuchen dann, mit Rücksicht auf die Abläufe im Krankenhaus die Aufträge stellvertretend auszuführen. Christiane Roser: „Die Anliegen sind vielfältig: So werden SeelsorgerInnen gebeten, den kranken Vater zu besuchen und Grüße von den Kindern auszurichten. Ein anderes Mal wird dabei geholfen, den Kontakt zu den Angehörigen via Handy oder Tablet herzustellen. Es kann aber auch darum gehen, Kleidung zu der kranken Person zu bringen, weil in der Eile beim Einpacken etwas vergessen wurde.“ Zusätzlich gibt es in vielen Krankenhäusern bereits die Möglichkeit, Genesungswünsche über die Website zu übermitteln.

 

„Die KrankenhausseelsorgerInnen wissen, wie wichtig Begegnung, Gespräch, Zuwendung sind, und möchten in dieser herausfordernden Zeit einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen miteinander in Verbindung bleiben“, beschreibt Christiane Roser das Anliegen hinter dem Angebot.

 

Liste zum Download: Erreichbarkeit der SeelsorgerInnen an den unterschiedlichen Standorten

 

Ein Lichtblick im Krankenhaus: SeelsorgerInnen, die Grüße der Angehörigen überbringen.

Ein Lichtblick im Krankenhaus: SeelsorgerInnen, die Grüße der Angehörigen überbringen. © Joduma / www.pixabay.com CC0 1.0

 

Melanie Wurzer / (be)

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