Religionsvertreter bestürzt über Angriff auf Grazer IKG-Präsident
"Die wiederholten Angriffe auf die Grazer #Synagoge erschrecken mich. Mein erster Gedanke gilt Herrn Rosen", twitterte Kardinal Christoph Schönborn am Samstagabend, 22.8.2020. "Antisemitismus darf nie mehr Platz finden in Österreich!", appellierte der katholische Wiener Erzbischof.
Der Angriff sei "schändlich und zu verurteilen", ebenso wie die Vandalenakte auf die Synagoge der steirischen Landeshauptstadt in den Tagen zuvor, sagte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. "Elie Rosen gilt unser Mitgefühl und die Solidarität der Evangelischen Kirchen. Judenhass und Antisemitismus dürfen in Österreich keinen Platz haben", betonte Chalupka. Es könne nicht sein, dass Jüdinnen und Juden Angst haben müssen, in Österreich auf die Straße zu gehen.
Ähnlich äußerte sich der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. "Antisemitismus und Hetze haben keinen Platz in unserer Gesellschaft! Meine volle Solidarität gilt der jüdischen Gemeinschaft", twitterte Ümit Vural.
Rosen war am Samstagabend vor dem jüdischen Gemeindehaus in Graz von einem Unbekannten mit einem Holzprügel attackiert worden. Der Präsident der Kultusgemeinde blieb unverletzt, der Täter flüchtete. Eine Fahndung wurde eingeleitet, berichtete die Austria Presseagentur APA. Der Angreifer gleicht nach Aussage von IKG-Präsident Rosen in Statur und Aussehen jener Person, die im Zuge der Vandalenakte auf die Grazer Synagoge von Mittwoch und Freitag auf Überwachungskameras zu erkennen gewesen war. Der mutmaßliche Täter ist mittlerweile gefasst und geständig.
Innenminister Karl Nehammer ordnete eine verstärkte Überwachung aller jüdischen Einrichtungen in Österreich an. "Wir werden alles tun, um den Täter rasch zur Rechenschaft zu ziehen und die Sicherheit der jüdischen Gemeinde in Österreich weiterhin zu gewährleisten", teilte Bundeskanzler Sebastian Kurz mit. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte den Angriff auf Rosen und die Vandalenakte auf die Synagoge auf das Schärfste. "Judenhass und Antisemitismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Meine Solidarität gilt allen in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden", schrieb Van der Bellen auf Twitter.
Es sei traurig, dass es in Graz zu solchen Vorfällen komme. "Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas passiert", sagte Rosen zur APA. Er werde sich aber davon nicht beirren lassen: "Ich werde mich in meiner Arbeit für die Gemeinde durch diese Anschläge in keinster Weise beeinträchtigen lassen."
Bereits in der Nacht auf vergangenen Mittwoch war die Außenmauer der Synagoge mit propalästinensischen Parolen beschmiert worden. Auch das Gemeindehaus war Ziel des Vandalenaktes. In der Nacht auf Samstag warf ein unbekannter Täter mehrere Betonstücke gegen die Fenster an der Nordseite. Eine Scheibe ging dabei zu Bruch, mehrere Fenster wurden beschädigt.
Schon vor dem Angriff auf IKG-Präsident Rosen hatte sich das örtliche Komitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit solidarisch mit der Jüdischen Gemeinde erklärt. In einer vom katholischen Bibelwissenschafter Johannes Schiller gezeichneten Reaktion verurteilte das Komitee die Vandalenakte von Mittwoch und Freitag als Ausdruck antijüdischer Ressentiments und Stereotypen.
"Den zentralen Begegnungsort der Jüdischen Gemeinde mit politischen Parolen zu beschmieren, ist nicht nur Sachbeschädigung, sondern gefährdet die Sicherheit von Jüdinnen und Juden in Graz", erklärte das Komitee. "Ein legitimer politischer Diskurs über Israel und Palästina, der notwendigerweise unterschiedliche Standpunkte und Interessen beinhaltet, kann nur in gegenseitigem Respekt geführt werden", hieß es.
Die Jüdische Synagoge in Graz wurde in der Pogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 zerstört. Nach mehr als 70 Jahren wurde das wiedererrichtete jüdische Gebetshaus im November 2000 auf den übrig gebliebenen Mauern am ursprünglichen Standort wiedereröffnet.
Ruf nach klarem Konzept in Kampf gegen Antisemitismus
Nach dem Angriff auf den Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, hat der österreichische Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit der Gemeinde seine Solidarität versichert. Gleichzeitig forderte der Vorstand am Sonntag von der Regierung ein klares Durchführungskonzept, um den Kampf gegen Antisemitismus als politische Querschnittmaterie zu etablieren. "Das erste Mal in der Geschichte der Zweiten Republik wurde ein hochrangiger Funktionär der Israelitischen Kultusgemeinde körperlich attackiert. Es sollte ein Warnzeichen sein", betonte der Koordinierungsausschuss in einer von Präsident Martin Jäggle gezeichneten Erklärung.
Beschädigungen jüdischer Einrichtungen würden zu oft unter Sachschäden bagatellisiert. "Sie sind aber Aggressionen auf jüdisches Leben, das gedemütigt, herabgewürdigt und möglichst klein gehalten, gestört und zerstört werden soll", hielt Jäggle fest. Die Ereignisse in Graz führten dies erschreckend vor Augen.
Dass nach Bekanntwerden des Angriffs auf Elie Rosen noch in der Nacht auf Sonntag Menschen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen zusammengekommen waren und im strömenden Regen vor der Grazer Synagoge Wache standen, bezeichnete der Koordinierungsausschuss als "beeindruckendes und ermutigendes Zeichen". "Wir danken Ihnen ganz besonders, fragen aber, warum die Polizei nicht schon davor präsenter war?", fügte der Vorstand in seiner Erklärung hinzu.
Österreich brauche noch mehr Anstrengungen, ein aktiv offenes und einander wertschätzendes Zusammenleben zu gestalten und den Polarisierungen eine Absage zu erteilen. Für notwendig erachtet der Koordinierungsausschuss aber auch eine "tiefgreifende und wahrscheinlich schmerzliche Auseinandersetzung mit den geschichtlichen (Ab)Gründen von Familien und Gesellschaft, die Antisemitismus gedeihen ließen und lassen".
Jüdisches Leben sei ein unverzichtbarer Teil von Österreich, so der Ausschussvorstand abschließend: "Dass es nach der Shoa wieder aufgeblüht ist, macht uns dankbar und verantwortlich, alles zu tun, damit jüdische Bürgerinnen und Bürger nicht nur in Sicherheit, sondern auch in Würde und Wertschätzung leben können."
Quelle: kathpress