Wilheringer Patres kamen vor 80 Jahren in Gestapo-Haft
"Insgesamt neun Mitbrüder wurden ab Sommer 1940 festgenommen und kamen NS-Haft oder ins Konzentrationslager. Einer davon, Abt Bernhard Burgstaller, starb in der Haft", berichtete Stiftsprior P. Johannes Mülleder am 5. August 2020 gegenüber Kathpress. Eine Dauerausstellung im Fritz-Fröhlich-Saal der Zisterzienserabtei erinnert an die damaligen Mönche, von denen einige Mitglieder des NS-Widerstands waren. Rückblickend sei die frühzeitige Verhaftung und Verurteilung der Mitbrüder "ein Glück" gewesen, so der Ordensmann, denn: "Nach dem Stauffenberg-Anschlag gab es gegen Widerständler nur noch Todesurteile."
Vor 80 Jahren war Wilhering ein "Nest des Widerstandes", erklärte Mülleder. Im Kloster versammelte sich die katholisch-konservative "Großösterreichische Freiheitsbewegung" (GÖFB), eine der wichtigsten Widerstandsgruppen des Landes gegen den Nationalsozialismus unter der Führung von Ex-Ständestaatsfunktionär Jakob Kastelic, die eine Donauföderation Österreichs mit Bayern und Ungarn anstrebte. Auch sechs Ordensbrüder hatten sich angeschlossen und begannen von ihren Pfarren aus, Gesinnungsgenossen anzuwerben.
Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) kam jedoch dahinter - durch einen großangelegten Verrat, wie die Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN, Sonntag) berichteten: Der frühere Schauspieler und NS-Spitzel Otto Hartmann, der auch die Gruppen des Klosterneuburger Chorherren Karl Roman Scholz und des Juristen Karl Lederers ausspionierte, schleuste sich ein und regte die unerfahrenen, um ihre Pläne ringenden Hitlergegner in Absprache mit der Gestapo zu Gewaltaktionen wie einer Gasometer-Sprengung an. Auch wenn diese abgelehnt und nie verwirklicht wurden, konnte man sie den Gruppen als Plan vorwerfen.
Stift Wilhering 1938 - 1945 (Weeser-Krell, um 1905). © Stift Wilhering
Handhabe für Klosterenteignung
Am 26. Juli 1940 schlug das Regime dann bei den Zisterziensern zu. Als erster wurde P. Gebhard (Florian) Rath als GÖFB-Landesleiter verhaftet, tags darauf seine Mitbrüder P. Eduard Haiberger, P. Stephan Plohberger und P. Amadeus Reisinger, erneut am Folgetag P. Theodorich Hofstätter und wenig später P. Sylvester (Karl) Birngruber. Ähnlich erging es einem Englischlehrer des Stifts, den ein Spitzel anzeigte, "weil er Feindsender hörte", berichtete P. Mülleder.
Die Aufdeckung der Widerstandsgruppe lieferte dem NS-Regime auch die Handhabe für die im November erfolgende Klosterenteignung, die Entwendung zahlreicher Kunstschätze sowie auch die Verhaftung von Abt Burgstaller, selbst wenn dieser von den Widerstands-Tätigkeiten im Kloster "zu 100 Prozent nichts wusste", so der Stiftsprior über die zwischenzeitlichen Forschungen.
Die führenden Mitglieder der drei Gruppen wurden 1944 zum Tod verurteilt. Die Wilheringer Patres wie der spätere Staatsarchiv-Leiter Florian Rath oder der als Religionspädagoge bekannt gewordene Karl Birngruber fassten Gefängnisstrafen aus. Birngruber konnte vor Kriegsende bei einem Todesmarsch flüchten, der zur Vergasung führen sollte.
Als einziger der inhaftierten Wilheringer Patres starb während der NS-Diktatur Abt Burgstaller, nachdem er im November 1941 an einem von Unterernährung verursachten Schlaganfall erlitten hatte. Die übrigen Brüder durften seinen Leichnam ins Stift bringen und ihn hier beerdigen. Sie wählten im Geheimen den Gramastettner Pfarrer P. Balduin Wiesmayr zum neuen Abt für das Stift, das es zu diesem Zeitpunkt freilich gar nicht mehr gab. Die Nazis nutzten das Kloster nämlich zur Unterbringung bessarabiendeutscher Umsiedler und als NSDAP-Fliegerabwehrschule, ab 1943 auch als Standort der damals als "Reichshochschule" benannten Technischen Hochschule Linz, sowie ab 1942 als Kriegsgefangenenlager und rund um Kriegsende als Lazarett.
Erst nach Kriegsende kehrten die zerstreuten Wilheringer Mönche ab Juli 1945 in ihr Kloster zurück. Der Konvent wuchs in den Folgejahren auf über 60 Mönche an, auch wurde 1955 ein Westflügel zur Erweiterung des Gymnasiums errichtet und der Stiftshof damit abgeschlossen.
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