Tag für ehrenamtlich Engagierte in den oö. Pfarren
Sollte das geplante Strukturmodell der Pfarren und Pfarrgemeinden der Katholischen Kirche in Oberösterreich umgesetzt werden, ist den Ehrenamtlichen darin eine wesentliche Rolle zugedacht: Sie übernehmen als Mitglieder der lokalen Seelsorgeteams (Mit-)Verantwortung in der Leitung der Pfarrgemeinden.
Beim Tag für Ehrenamtliche am 29. Februar 2020 kamen im Stift Wilhering rund 100 Engagierte aus verschiedenen Bereichen der oberösterreichischen Pfarren zusammen, um sich mit den Herausforderungen durch die kirchlichen und gesellschaftlichen Veränderungen auseinanderzusetzen.
Ehrenamt als Ausdruck des Glaubens
Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer betonte in seinem Grußwort, im Ehrenamt gehe es um die Schlüsseldimensionen eines christlichen Gottes- und Menschenbildes, also um die Gottes- und Nächstenliebe: „In der konkreten Lebenswelt, im konkreten Menschen, in der Arbeitskollegin, im Nachbarn ist Jesus gegenwärtig. Ehrenamt wird auf diesem Weg zur Gotteserfahrung. Es geht um die Achtung vor der Würde des Menschen, um Helfen, Teilen, Solidarität und Vergebung, um Gerechtigkeit und Ehrfurcht vor der Schöpfung, um Hoffnung auf Vollendung und Vertrauen in die Zukunft.“
Ehrenamtliches Engagement sei „ein Echo der Dankbarkeit und Weitergabe der Liebe, die wir selbst erfahren haben“. Eine Kultur, die alles verrechnen und auch alles bezahlen wolle, die den Umgang der Menschen miteinander in ein Korsett von Rechten und Pflichten zwinge, erfahre durch unzählige sich ehrenamtlich engagierende Mitmenschen, dass das Leben selbst ein unverdientes Geschenk sei. „Durch euer Tun bringt ihr Licht, ihr segnet, ihr belebt, ihr richtet auf, ihr heilt und befreit“, würdigte Scheuer den Dienst der Ehrenamtlichen in den Pfarren.
In der Gemeinschaft der Kirche seien alle Ämter und Gnadengaben „auf die Ehre Gottes und den Nutzen, das Heil und die Auferbauung der anderen hin geordnet“, so Scheuer. „Der Geist Gottes führt zu einer Gemeinschaft des Miteinanders. Kirche ist lebendiges Miteinander und ein umfassendes Beziehungsnetz. Die vielen Formen des Ehrenamtes, die Vielfalt von Dienstleistungen sind für uns Christen auch Ausdruck des Glaubens“, betonte der Bischof. Um die Berufung zum Engagement in der Kirche zu fördern, brauche es Menschen mit der Fähigkeit, den Ruf Gottes in anderen hörbar zu machen: Eltern, FreundInnen, PädagogInnen, BegleiterInnen, SeelsorgerInnen – „kurz: Vorbilder, die angreifbar und ansprechbar sind“, wie Scheuer meinte.
Grußwort von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Gemeinden als Initiatorinnen des Aufbruchs
Univ.-Prof.in DDr.in Regina Polak, Vorständin am Institut für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, beleuchtete gesellschaftliche Entwicklungen und theologische Perspektiven der Pfarrgemeinde. Polak verwies in ihrem Referat auf die biblische Tradition der Zukunft durch Erinnerung. Hinter den Texten der Heiligen Schrift stünden „handfeste Aufbrüche im Kontext von Migrationsphänomenen oder die Erfahrung von Gemeinden, die sich in schwierigen Situationen befunden haben“. Polak ortet heute eine Transformationskrise der Kirche, die sie als spannende Herausforderung versteht. Um aus dieser Krise aufbrechen zu können, schlägt Polak im Rückgriff auf die biblische Tradition einen Dreischritt vor: die konkrete geschichtliche Situation der Gemeinde am Ort ist der Ausgangspunkt. Diese Situation verlangt nach einer theologischen Reflexion, aus der sich im dritten Schritt Handlungsmöglichkeiten ableiten lassen.
Die christlichen Gemeinden versteht Polak als Orte der Lernerfahrung. Sie empfiehlt, die gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen im Lichte des Glaubens zu deuten, aber nicht nur darüber zu reden, sondern sich darauf einzulassen. Erst aus dem Handeln folgt die Erkenntnis. Pollak sieht vor allem aktuelle Phänomene wie etwa die sozioreligiösen Umbrüche in Europa oder die Migration als Zeichen der Zeit und somit als Lernherausforderung für christliche Gemeinden. Wenn sich Gemeinden auf diesen Lernprozess einlassen, können sie Initiatorinnen des Aufbruchs werden und Lernorte für den Glauben, ein gutes Miteinander in Vielfalt und einen konstruktiven Umgang mit Konflikten werden.
© Diözese Linz / Leppen
Nicht jede/r muss alles können
Pastoralamtsdirektorin Mag.a Gabriele Eder-Cakl knüpfte als Leiterin des Zukunftsweges der Katholischen Kirche in Oberösterreich in ihrem Statement an die Aussagen von Regina Polak an. Sie sei davon überzeugt, dass Gemeinden durch wirklich ernsthaftes Hinhören auf das, was die Menschen bewege, Aufbrüche initiieren und dadurch Kirche verändern könnten. Eder-Cakl erinnerte auch an das Wort des hl. Paulus an die Gemeinde von Korinth: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16) Die Pastoralamtsdirektorin dazu: „Paulus meint damit die konkrete Pfarrgemeinde in Korinth. Deren Mitglieder sind alle zusammen Tempel, Wohnung Gottes. Ein Tempel aus freien und selbstbewussten Wesen, ein Tempel der sich durch Zeit und Raum bewegt und viele Einzelne zu einem Ganzen macht. Wie kommt so eine Gemeinschaft zustande? Wir alle wissen, dass das nicht so einfach ist und auch wieder das Miteinander braucht.“ Zur Gemeinschaftsbildung, zum Zugehen auf Menschen und zum Miteinander brauche es soziale Kompetenz, Selbstbewusstsein, Kommunikationsfreude, einen guten Umgang mit Konflikten und die Fähigkeit, Gefühle und Meinungen zum Ausdruck zu bringen. „Jedes Gemeindemitglied kann seine Stärken in diesem Sinne einsetzen. Nicht jede/r muss alles können“, ermutigte Eder-Cakl die Anwesenden.
Am Nachmittag konnten die TeilnehmerInnen nach einem spirituellen Impuls in der Stiftskirche unterschiedliche Workshops besuchen: So gab es etwa die Möglichkeit, mit Abt Reinhold Dessl die Spiritualität der Stiftskirche und des Klosters Wilhering kennenzulernen, ein Genusstraining zu absolvieren, mit meditativen Achtsamkeitsübungen zur Ruhe zu kommen, Wissenswertes über Resilienz zu erfahren oder Wichtiges zum Umgang mit Konflikten zu lernen. Den humorvollen Abschluss des Tages bildete das Kabarett mit Lydia Neunhäuserer mit dem Titel „Glauben hoast nix wissen“.
Michaela Leppen / (be)