Diözese Linz präsentierte aktuellen Stand der Strukturüberlegungen
Ein Rückblick auf die letzten Etappen des Zukunftswegs „Kirche weit denken“ der Katholischen Kirche in Oberösterreich: Am 18. Jänner 2019 war im Rahmen einer Diözesanversammlung in Wels die Diskussionsgrundlage für neue territoriale Strukturen der Diözese Linz vorgestellt worden. Danach folgten fast 90 Resonanztreffen mit haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, in denen eingehend und mit sehr großer Beteiligung diskutiert wurde.
Über den Sommer wurden tausende Eingaben und Rückmeldungen zum Strukturmodell von einem Forschungsteam der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz wissenschaftlich analysiert und systematisiert und der Arbeitsgruppe „Option zeitgemäße Strukturen“ im Zukunftsweg übergeben. Bei der Dechantenkonferenz am 25./26. September im Bildungshaus Schloss Puchberg in Wels wurden die Rückmeldungen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen präsentiert und weiter diskutiert.
Über den aktuellen Stand der Strukturüberlegungen und weitere Schritte auf dem Zukunftsweg der Katholischen Kirche in Oberösterreich informierten Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer, Pastoralamtsdirektorin und Zukunftsweg-Leiterin Mag.a Gabriele Eder-Cakl und Generaldechant Dr. Slawomir Dadas, der Themenpate der Arbeitsgruppe „Option zeitgemäße Strukturen“, die Öffentlichkeit bei einer Pressekonferenz am 26. September 2019 im Bildungshaus Schloss Puchberg in Wels.
V. l.: Dr. Slawomir Dadas (Generaldechant und Themenpate der Arbeitsgruppe „Option zeitgemäße Strukturen“), Mag. Gabriele Eder-Cakl (Pastoralamtsdirektorin und Leiterin Zukunftsweg), Bischof Dr. Manfred Scheuer. © Diözese Linz / Appenzeller
„Vorrangig ist das Warum und das Wozu von Strukturen: Damit mehr Freude in die Welt kommt, damit mehr Liebe lebendig ist“
Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer dankte eingangs den tausenden Menschen, die sich nach der Präsentation der Strukturüberlegungen im Jänner in intensiven Diskussionen und bei Austauschtreffen eingebracht hatten. Diese Diskussionen seien zum Teil auch kontrovers gewesen, aber, so Scheuer: „Ich deute das als Zeichen der Lebendigkeit unserer Pfarrgemeinden und unserer Kirche. Das ermutigt mich, den Weg weiterzugehen. Die Offenheit der Diskussion und auch der kritischen Beiträge waren äußerst wertvoll.“ Der Dank des Bischofs galt auch all jenen, die in den Sommermonaten intensiv an den Überlegungen zur Struktur gearbeitet hatten: die private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz, die für die wissenschaftliche Bearbeitung der Eingaben aus der Resonanzphase verantwortlich war, und die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Option Zeitgemäße Strukturen“, die die Ergebnisse der wissenschaftlichen Analyse in das Strukturmodell einarbeiteten.
Bischof Scheuer stellte einige grundsätzliche Überlegungen zur Struktur an. Er wies mit Erich Fromm auf die Gefahr hin, die Lebendigkeit an Strukturen zu delegieren, und betonte deren Relativität: „Wir werden mit strukturellen Veränderungen nicht alle Probleme der Kirche und des Glaubens lösen – es geht um die Begleitung von lebendigen Prozessen“, stellte Scheuer klar. Strukturen würden Räume und Felder schaffen, die eine anregende und schöpferische Kraft entfalten, aber auch lähmen könnten, so Scheuer. Der Bischof wörtlich: „Es gibt die aussaugende Wirkung von Institutionen, es gibt Blasen und geschlossene Systeme, aber auch die Erfahrung: Kommunikation und Beziehung kann gefördert werden, Räume für die Feier von Leben und Glauben können geöffnet werden. Wenn wir in diesen Monaten unsere Struktur anschauen, dann geht es nicht nur um organisatorische Fragen, sondern um Weichenstellungen, in denen Grundsatzentscheidungen zu Leben, zu Glaube, zu Beziehung, zu Kirche getroffen werden – im Sinne des Aufbauens, schöpferischen Gestaltens, im Sinne einer Option für das Leben.“
Präsentation des aktuellen Stands zu den Strukturüberlegungen. © Diözese Linz / Appenzeller
Bischof Scheuer nannte einige für ihn wesentliche Grundhaltungen auf dem diözesanen Weg. Zuerst müsse es um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit gehen. Zweitens brauche es Aufmerksamkeit füreinander, die das Gegenteil von Übergriffigkeit oder von Über-andere-Hinweggehen sei. „Manchmal werde ich gefragt: Warum braucht ihr so lange? Die Antwort ist: Wenn ich Menschen mitnehmen und einen Konsens erzielen will, braucht das auch Zeit“, so der Diözesanbischof. Zu einer geistlichen Entscheidungsfindung gehöre auch der Disput und das Vertrauen darauf, dass sich der gute Weg auch in der öffentlichen Auseinandersetzung, im Disput durchsetze. In der Konfrontation von Pro und Contra gehe es nicht nur um die relevanten Aspekte, nicht nur um die Fragwürdigkeit oder auch die Tragweite möglicher Antworten, sondern auch darum, „Menschen zu informieren, weil sie Halbwahrheiten auf den Tisch legen“, so Scheuer. Viele berechtigte Einwände seien eingearbeitet worden, manche Menschen seien aber nicht zu überzeugen.
Grundsätzlich sei eine Haltung des Wohlwollens anderen gegenüber wichtig, betonte der Bischof. „Wesentlich ist: Wo gewinnen Menschen Hoffnung? Wo wächst Zuversicht, Trost, Freude, Lebensmut? Entscheidend ist auch die Frage: Was dient dem Aufbau der Gemeinschaft der Kirche? Wir wollen vorhandene Ängste umwandeln in eine gute Sorge: um Menschen, um Gemeinschaften, um das Evangelium. Es geht auch darum, dass die Menschen am Zukunftsweg Geschmack gewinnen und Freude am Mitmachen haben. Auch bei den Strukturen geht es letztlich um die Frage: Wie geht Christsein heute? Wie können Menschen zum Glauben hingeführt werden? Wie gewinnen sie am Evangelium Geschmack? Oder: Wie können wir mehr zu liebenden Menschen werden?“ Bei den Strukturen gehe es zuerst um das Warum, um das Wozu, unterstrich Scheuer: „Damit mehr Freude in die Welt kommt, damit mehr Liebe lebendig ist.“
Die realistische Sicht des Bischofs: Die Einheit einer Diözese bzw. der Kirche werde nie so aussehen, dass alle Menschen zur gleichen Zeit die gleiche Position hätten, auf dem gleichen Stand seien und sich gleich intensiv beteiligten. „Das halte ich für eine Ideologie, es wäre auch unmenschlich. Strukturen sollen Raum für Entwicklung schaffen und Mut zu Neuem geben. Der Prophet Jeremia sagt: Nehmt Neuland unter die Füße – das wollen wir tun.“
Bischof Manfred Scheuer: "Strukturen sollen Raum für Entwicklung schaffen und Mut zu Neuem geben." © Diözese Linz / Appenzeller
Auswertung der Rückmeldungen aus den Resonanzen
Die Leiterin des Zukunftswegs, Pastoralamtsdirektorin Mag.a Gabriele Eder-Cakl, betonte wie Bischof Scheuer, im Zentrum der Strukturpläne stehe die Frage, wie Christsein heute gehe. Dazu seien grundsätzliche Überlegungen in der Fortschreibung der Pastoralen Leitlinien der Katholischen Kirche in Oberösterreich festgehalten. „Die Struktur dient den Leitlinien und nicht umgekehrt“, stellte Eder-Cakl klar.
Die Leiterin des Zukunftswegs gab einen Überblick über die Ergebnisse aus den Resonanztreffen. Bei knapp 90 Resonanztreffen, die von Jänner bis Juli 2019 in allen Teilen Oberösterreichs, in allen Dekanaten, mit allen Berufsgruppen und auch unter Einbindung der Ordensgemeinschaften stattgefunden hatten, waren ca. 16.000 Eingaben gemacht worden. Diese und weitere Eingaben, die per Mail erfolgten, wurden im Sommer von einem Forschungsteam der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz in einem mehrstufigen Verfahren analysiert und ausgewertet.
Das Datenmaterial wurde vom Forschungsteam in 22 Kategorien unterteilt, die wiederum 5 inhaltlichen Clustern zugeordnet wurden: Personal, Kommunikation, Ressourcen, Religion und Entwicklung.
Details zu den Ergebnissen aus den Resonanztreffen
Zukunftsweg-Leiterin Mag.a Gabriele Eder-Cakl. © Diözese Linz / Appenzeller
Grundlagen der neuen Struktur
Generaldechant Dr. Slawomir Dadas, der Themenpate der Arbeitsgruppe „Option zeitgemäße Strukturen“, präsentierte die Grundzüge des überarbeiteten Strukturmodells, das seit der Präsentation im Jänner ergänzt, verändert und weitergedacht wurde. Rückmeldungen aus den Resonanzen wurden eingearbeitet, Begrifflichkeiten nochmals überdacht und teilweise verändert.
Dadas berichtete davon, dass die Arbeitsgruppe „Option zeitgemäße Strukturen“ viele Stimmungen wahr- und ernstgenommen habe: „In diesen Monaten sind mir die Worte ‚Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute‘ in Bezug auf die MitarbeiterInnen unserer Kirche so nahe wie nie zuvor gewesen. Es gibt einerseits Freude und Hoffnung, Aufbruchstimmung, Hoffnung auf mehr Ressourcen und neue Räume, andererseits aber auch Ängste und die Trauer darüber, Abschied nehmen zu müssen von dem, was vertraut und ans Herz gewachsen ist.“
Dadas skizzierte nochmals den Kern des Modells: Die derzeitigen Pfarren bleiben auch künftig in Form von Pfarrgemeinden als selbstständige Einheiten weiter bestehen und verwirklichen die Grundfunktionen von Kirche (Verkündigung, Liturgie, Caritas, Gemeinschaft) in einer Weise, die den Gegebenheiten vor Ort entspricht. In der übergeordneten Verwaltungseinheit kommt es zu Änderungen. Ausgehend von den bisherigen 39 Dekanaten werden rund 40 Pfarren gebildet, von denen jede aus durchschnittlich 14 Pfarrgemeinden besteht. Das bedeutet: Auch künftig verfügen die Pfarrgemeinden über eine eigenständige Vermögensverwaltung und weitgehende Selbstständigkeit.
Die rund 40 Pfarren werden von einem Pfarrvorstand geleitet, der sich aus dem Pfarrer, dem Pastoralvorstand und dem Verwaltungsvorstand zusammensetzt. Die Gremialstruktur wird bewusst klein gehalten; verpflichtend sind nur ein Pfarrlicher Pastoralarat und ein Pfarrlicher Wirtschaftsrat.
Die Pfarrgemeinden werden vor Ort von Teams unter Einbeziehung von Ehrenamtlichen geleitet. Um auf die Bedenken aus der Resonanz einzugehen, ob wirklich genügend Ehrenamtliche gewonnen werden können, wurde das Modell dahingehend verändert, dass ein Seelsorgeteam aus mindestens drei (nicht sechs) Personen besteht, zu denen ein/e hauptamtliche/r Seelsorger/in gehört oder gehören kann. Der Pfarrgemeinderat trifft strategische Richtungsentscheidungen und ist damit ein Steuerungs- und Beschlussgremium. Vom Pfarrgemeinderat können bestimmte Fachteams (Jugend, Senioren, Schöpfung etc.) gebildet werden.
Dadas betonte, zur Karte mit der Grenzeinteilung der Pfarren seien zahlreiche Eingaben gemacht worden. „Es wurde bei der Überarbeitung der Karte sehr darauf eingegangen, was einzelne Pfarrgemeinden, Ordensgemeinschaften, Gemeinden und Regionen sich wünschen“, so Dadas. Zu 90 Prozent stünde die Karte mit den Pfarrgrenzen nun fest. Modellphilosophie sei, einen guten Rahmen zu schaffen für ein lebendiges Glaubensleben, geleitet und koordiniert im Miteinander. Dadas: „In der Praxis bedeutet das: keine zu kleinen Pfarren zu schaffen, in denen eine Person versucht, die Verantwortung für alle Gemeinde allein zu übernehmen und sich und die anderen dabei überfordert.“
Karte (Stand 26. 9. 2019) zum Download
Der Themenpate der Arbeitsgruppe „Option zeitgemäße Strukturen“ betonte, das Thema der ehrenamtlichen MitarbeiterInnen sei bei den Resonantreffen besonders häufig erwähnt worden. „Die Sorge um Frauen und Männer, die in den Pfarrgemeinden engagiert sind, nehmen wir sehr ernst. Um den tausenden Ehrenamtlichen in den Pfarrgemeinden gute Rahmenbedingungen zu sichern, haben wir einen Maßnahmenkatalog erarbeitet“, so Dadas. So sei etwa geplant, Ehrenamtliche durch hauptamtliche SeelsorgerInnen zu unterstützen, klare Zeichen ihres Gewollt-Seins durch die Diözesanleitung zu setzen und deutlich zu machen, dass Ehrenamtliche Hauptamtliche nicht ersetzen können und müssen. „Sie sind nicht nur die OrganisatorInnen und VerwalterInnen, sondern leisten ‚Alltagsseelsorge‘“, unterstrich Dadas.
Vorausgesetzt, dass Bischof Manfred Scheuer bis Ende Februar 2020 eine Entscheidung für die weitere Ausfaltung des Modells und seine Übernahme in die territoriale Pastoral trifft, könnte die Umsetzung des neuen Modells in zwei Phasen erfolgen, die jeweils ein Jahr dauern. Dadas dazu: „Im ersten Jahr ist eine Sensibilisierungs- und Konzeptphase geplant: ein Jahr der Vorbereitung und der Beschäftigung mit Veränderung, Entwicklung von Zukunftsbildern für die Pfarre, Finden des Pfarrnamens etc. Darauf folgt im zweiten Jahr die Umsetzungsphase mit kirchenrechtlicher Pfarrgründung, Arbeitsbeginn des Pfarrvorstandes, Begleitung und Schulung.“ Ein Vorschlag ist, dass 8 bis 14 Pfarren den Umsetzungsprozess pro Jahr starten könnten. Damit wäre ein Ende der Strukturumsetzung frühestens bis 2024 und spätestens bis 2026 erreicht.
Grundlagen der neuen Struktur im Detail
Generaldechant Dr. Slawomir Dadas. © Diözese Linz / Appenzeller
Zeitplan für die Entscheidung zum Strukturmodell
Die Leiterin des Zukunftswegs, Pastoralamtsdirektorin Mag.a Gabriele Eder-Cakl, skizzierte die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer endgültigen Entscheidung.
Die Ergebnisse der Auswertung der Resonanztreffen und aktuelle Informationen zum Zukunftsweg werden zunächst in 5 Regionaltreffen im Oktober allen Interessierten präsentiert (jeweils um 19 Uhr):
- Mittwoch, 9. Oktober: Laakirchen, Pfarrsaal
- Donnerstag, 10. Oktober: Linz, Priesterseminar
- Montag, 14. Oktober: Riedberg, Pfarrsaal
- Dienstag, 15. Oktober: Steyr, Dominikanerhaus
- Freitag, 18. Oktober: Wels, Bildungshaus Schloss Puchberg, Festsaal
Die Details aus der Auswertung der Resonanzen wurden von der Strukturgruppe des Zukunftsweges im Sommer in ein umfangreiches Handbuch verarbeitet. Der Entwurf dieses Handbuchs wird bei den diözesanen Räten (Dechantenkonferenz: 25./26. 9., Pastoralrat: 5. 10., Priesterrat: 22. 10.) und beim 3. Diözesanforum (15./16. November) mit etwa 200 Delegierten. diskutiert. Danach erfolgen Beratungen in den diözesanen Räten und im Konsistorium, dem Beratungsgremium des Bischofs.
Bei einem zusätzlichen 4. Diözesanforum am 25. Jänner 2020 wird von den Delegierten ein Votum abgegeben. Danach wird sich der Bischof mit dem Konsistorium beraten und bis Ende Februar 2020 eine Entscheidung treffen, ob das Modell umgesetzt wird oder nicht.
Die weiteren inhaltlichen Schwerpunktsetzungen der Katholischen Kirche in Oberösterreich aus den 8 Themenfeldern des Zukunftswegs werden sowohl beim 3. Diözesanforum im November 2019 als auch in der Zeit bis Pfingsten 2020 diskutiert und festgelegt. Am Pfingstsamstag, 30. Mai 2020 werden im Rahmen einer großen gemeinsamen Pilgerwanderung die Ergebnisse des Zukunftsweges vorgestellt und die Umsetzung eingeleitet.
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