Bischof Scheuer am Ostersonntag: „Auferstehungs-Erfahrungen im Alltag erschließen uns die Auferstehung Jesu“
„Gaukeln die ChristInnen am Ostersonntag für einen Tag vor, dass sie in einer ganz und gar unerlösten Welt erlöst sind? Sind Auferstehung und Erlösung ohnehin nur ein Vorgang im ‚geistlichen’ Bereich und im Unsichtbaren, die sich in der Seele jedes Einzelnen abspielt? Hat unsere Hoffnung nichts mit der Öffentlichkeit zu tun, nichts mit dem Leib, nichts mit den wirklichen Schmerzen, nichts mit der Welt des Sichtbaren?“ Diese provokanten Fragen stellte Bischof Manfred Scheuer am Beginn seiner Predigt am Ostersonntag beim Festgottesdienst im Linzer Mariendom. Seine Antwort: „Was wir von Jesus her bekennen und was wir in der Liturgie feiern, versteckt sich nicht in einem Geisterreich. Die Leibwerdung ist das Ende der Wege Gottes, das Fleisch wird zum Angelpunkt des Heils. Jesu Leben und Verkündigung ist konkret leibhaftig: Er berührt und ist berührbar, isst und trinkt mit den Jüngern. In Jesu Wundern zeigt sich die Leibfreundlichkeit Gottes. Schließlich gibt er sich in der Eucharistie als leibliche Speise. Die Auferstehung des Leibes Christi wird vollendet sein, wenn alle in Christus auferstehen. Der Leib wird in die Auferstehungsherrlichkeit des lebendigen Christus hineingenommen.“
Die katholische Osterliturgie handle von einem Zweikampf, einem Duell zwischen Tod und Leben, so Scheuer weiter. Würde es die Auferstehung nicht geben, dann würde Jesu Geschichte mit dem Karfreitag enden, „dann hätte er das Duell, den Kampf verloren“, so Scheuer. Der Bischof skizzierte das entsprechende Szenario: „Jesus wäre verwest und so ein Gewesener. Dann wäre auch die Liebe nichtig, ein leeres Versprechen. Es gäbe kein Gericht und keine Gerechtigkeit. Wenn es keine Auferstehung geben würde, dann wären Liebe und Hass einerlei, Gut und Böse eine Frage der Konjunktur, Leben oder Tod eine Frage des besseren Durchsetzungsvermögens, Wahrheit oder Lüge eine Frage der Perspektive. Man könnte nicht unterscheiden zwischen Mördern und Opfern, zwischen Herren und Knechten, zwischen Starken und Schwachen. Alles wäre in einem Topf.“
Bischof Manfred Scheuer: "Die große Auferstehung erschließt sich in kleinen Erfahrungen des Lebens." © Diözese Linz / Eckerstorfer
Die große Auferstehung, der Himmel, erschließe sich in kleinen Erfahrungen des Lebens und der Auferstehung, betonte Scheuer. Auch der Frühlingsaufbruch preise die Auferstehung Jesu vom Tod. Als Erfahrungen mitten im Alltag nannte der Bischof „Auferstehung aus dem matten Alltag, aus Sorgen, aus festgefahrenen Situationen, aus schlechter Laune, aus Stress und Qual“. Jeder und jede erlebe Auferstehung bereits vor dem Tod: in Sternstunden des Lebens, Erfahrungen des Glücks, der Lebensfreude, der intensiven Beziehung. Scheuer: „Solche Erfahrungen sind Anker der Hoffnung; sie geben Zuversicht auch in dunklen Stunden und lassen nicht verzweifeln.“ Die Auferstehung Jesu in den Evangeliumserzählungen werde durch Begegnungen erschlossen, erläuterte Scheuer: „Jesus spricht Maria von Magdala beim Namen an. Er findet den Schlüssel zu verschlossenen Menschen – etwa bei allen Jüngern. In der Begegnung mit den Emmausjüngern teilt er sich im Brotbrechen und im gemeinsamen Mahl mit. Erfahrungen der kleinen Auferstehung und der kleinen Freude im Alltag erschließen uns die Auferstehung Jesu, die große Hoffnung.“
Predigtgedanken von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Musikalisch gestaltet wurde der Festgottesdienst am Ostersonntag im Mariendom mit der „Missa in Tempore Belli in C-Dur“ („Paukenmesse“, Hob. XXII:9) von Joseph Haydn mit dem Orchester und SolistInnen der Dommusik Linz unter der Leitung von Domkapellmeister Josef Habringer sowie Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel und Gerhard Raab an der Chororgel.
Festgottesdienst am Ostersonntag mit Bischof Manfred Scheuer im Linzer Mariendom. © Diözese Linz / Eckerstorfer