Den NS-Opfern einen Namen und ein Gesicht geben: Gedenken im Linzer Bischofshof und im Mariendom
Bei der anschließenden „Langen Nacht der Namen“ im Linzer Mariendom wurden knapp 1.600 Namen von Verfolgten aus Linz verlesen.
Die Machtergreifung Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten im Jahr 1938 bedeutete auch für viele Menschen aus dem kirchlichen Umfeld Verfolgung, Schikane und KZ-Haft. Bei einem Gedenken im Linzer Bischofshof am 22. November 2018, zu dem Bischof Manfred Scheuer geladen hatte, wurden exemplarisch zwei Linzer Bischöfe und sechs Mitarbeiter aus der Leitungs- und Verwaltungsebene der Diözese Linz vorgestellt – stellvertretend für all jene, die aufgrund ihrer christlichen Überzeugung und ihrer diözesanen Funktion unter den Gräueltaten des Nazi-Regimes zu leiden hatten:
- Felix Kern (Bau- und Rechtsreferent der Diözesanfinanzkammer, ehemaliger Landesrat)
- Ferdinand Weinberger (Kanzleidirektor Bischöfliches Ordinariat und Generalvikar)
- Ludwig Kneidinger (Referent bzw. Direktor Diözesanfinanzkammer)
- Franz Vieböck (Seelsorgeamtsleiter Bischöfliches Ordinariat)
- Bischof Johannes Maria Gföllner
- Bischof Josephus Calasanz Fließer
- Franz Ohnmacht (Bischöflicher Sekretär)
- Ferdinand Klostermann (Bischöflicher Sekretär)
Etwa 70 Persönlichkeiten aus Kirche, Gesellschaft und Politik nahmen am Gedenken teil. Unter ihnen Bischof em. Maximilian Aichern, Generalvikar DDr. Severin Lederhilger, Pastoralamts-Direktorin Mag.a Gabriele Eder-Cakl, Schulamts-Direktor Mag. Franz Asanger, Pastoralrats-Vorsitzender Mag. Franz Froschauer, die Bischofsvikare Dr. Johann Hintermaier, Mag. Maximilian Mittendorfer und Wilhelm Vieböck, der Leiter der Abteilung Priester und Diakone Dr. Martin Füreder, die Vorsitzende der Frauenkommission Mag.a Maria Eicher, Rektor Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber und Univ.-Prof.in Dr.in Ines Weber von der KU Linz, Dr. Andreas Schmoller und Dr.in Verena Lorber vom Franz und Franziska Jägerstätter Institut an der KU Linz, Mag.a Elisabeth Jungmeier, Dr. Thomas Schlager-Weidinger und P. Dr. Ewald Volgger vom Jägerstätter-Beirat, Dompfarrer Dr. Maximilian Strasser, der Klubobmann der Grünen Gottfried Hierz und der Zweite Landtagspräsident Adalbert Cramer (FPÖ) sowie Angehörige von Personen, deren Leben und Wirken beim Gedenken betrachtet wurde.
© Diözese Linz / Appenzeller
„Die Geschichte der Menschen, derer wir heute gedenken, hat auch unser Leben mitgeprägt“
In seinen Begrüßungsworten betonte Bischof Manfred Scheuer, Straßen, Häuser und Räume hätten eine Geschichte und ein Gedächtnis und seien „gefüllt mit Beziehungen und Ideologien“. Scheuer erinnerte daran, dass Adolf Eichmann lange in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bischofshof, in der Herrenstraße 3, gewohnt habe, dass Bischof Gföllner im Bischofshof seinen Hirtenbrief „Vom wahren und falschen Nationalismus“ verfasst habe und dass in diesem Gebäude auch das Gespräch zwischen Bischof Fließer und Franz Jägerstätter stattgefunden habe, in dem Jägerstätter Sicherheit darüber gewinnen wollte, ob er seine Entscheidung, den Dienst mit der Waffe zu verweigern, seiner Familie zumuten könne. Bischof Scheuer wörtlich: „Wir gedenken der Namen, Gesichter, Geschichten und Schicksale. Die Geschichte der Menschen, derer wir heute gedenken, hat auch unser Leben mitgeprägt.“
Bischof Manfred Scheuer lud zum Gedenken in den Linzer Bischofshof. © Diözese Linz / Appenzeller
Von HistorikerInnen, TheologInnen und von Personen mit familiärem Bezug wurden Personen aus dem Bereich und Umfeld des Bischöflichen Ordinariats und deren Geschichte porträtiert: in einem ersten Teil Felix Kern, Ferdinand Weinberger, Ludwig Kneidinger und Franz Vieböck, in einem zweiten Teil die Bischöfe Johannes Maria Gföllner und Josephus Calasanz Fließer und die bischöflichen Sekretäre Franz Ohnmacht und Ferdinand Klostermann. Ihnen allen gemeinsam ist ihre christliche Überzeugung, die auch zu Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime führte. Die Nazis reagierten mit Haft, Kerker und Folter.
In seinen einleitenden Worten betonte der Bischofsvikar für Bildung, Kultur und Berufungspastoral Dr. Johann Hintermaier: „Beim Erinnern darf es nicht darum gehen, dass wir uns an Unmenschlichkeiten ergötzen, sondern es soll aufgezeigt werden, wohin Züge führen, die wir besteigen oder auch nicht. Dabei wollen wir heute an das Gute und die guten Beispiele, an die guten, engagierten und leidenden Menschen denken. Wir weisen bewusst auf die hin, die in schwierigen Zeiten gelebt haben und uns in schwierigen Situationen Vorbild und Ermutigung sein können.“ Im Zentrum des Gedenkens im Bischofshof stünden Menschen, die hier gewirkt und gelebt hätten. Dies verleihe dem Haus, seinen Mauern, Steigen, Türen und Fenstern „eine besondere Botschaft“.
Hausdirektor und Bischofsvikar Johann Hintermaier. © Diözese Linz / Appenzeller
„Lange Nacht der Namen“ im Linzer Mariendom
Sie waren Gärtner, Sängerin, Angestellter, Hausfrau, Journalist, Bedienerin, Geigenbauer, Beamtin oder Zimmermann: jene knapp 1.600 Menschen aus Linz, die in der NS-Zeit verfolgt, inhaftiert, gefoltert bzw. ermordet wurden. Ihre Namen wurden bei der „Langen Nacht der Namen“ im Linzer Mariendom gemeinsam mit den Berufsbezeichnungen und den Haftgründen verlesen. Initiiert wurde die Veranstaltung von Dr.in Erna Putz. Die Theologin, Publizistin und Politikwissenschafterin aus Ohlsdorf, die durch die wissenschaftliche Aufarbeitung der Biografie Franz Jägerstätters dessen Seligsprechung 2007 ermöglicht hat, hat seit Herbst vergangenen Jahres die Namen von in der NS-Zeit Verfolgten aus ganz Oberösterreich zusammengetragen – es sind insgesamt mehr als 7.000. Seither hat Erna Putz zahlreiche Gedenkveranstaltungen organisiert, in denen Opfern der Nazizeit ihre Namen zurückgegeben werden. Die Gedenkfeier in Dachau am 13. März 2018 mit Bischof Scheuer machte den Auftakt, Gedenken in ganz Oberösterreich folgten. Die Namen all dieser Menschen stehen für die Tatsache: Nicht alle haben den „Anschluss“ Österreichs hingenommen oder Hitler zugejubelt.
Bischof Manfred Scheuer am Beginn der „Langen Nacht der Namen“: „Erinnern und Gedenken sind zutiefst christlich und zeichnen jede humane Kultur aus. Getragen von der Suche nach Wahrheit, reinigen sie das Gedächtnis, nehmen das Leid der Opfer in den Blick, machen dankbar für das bleibend Gute und ermöglichen so Gerechtigkeit, Versöhnung und ein Lernen aus der Geschichte.“
Gedanken von Bischof Manfred Scheuer zur Langen Nacht der Namen zum Nachlesen
Bischof Manfred Scheuer bei der "Langen Nacht der Namen". © Diözese Linz / Appenzeller
Österreich gedenke 2018 wichtiger Ereignisse der Vergangenheit, die bis in die Gegenwart wirkmächtig seien und deren Lehren für das künftige Zusammenleben in Frieden bedeutsam blieben, so Scheuer. Habe 1918 für Österreich das Kriegsende und die Errichtung von Republik und Demokratie gebracht, so habe 1938 die Auslöschung Österreichs von der Landkarte und den Beginn einer beispiellosen Gewaltherrschaft gebracht, die Abermillionen zu Opfern des Krieges und der Shoah gemacht habe, erinnerte der Bischof. Scheuer wörtlich: „Heute gedenken wir der Opfer, die in der Folge dieser Ereignisse vertrieben, verfolgt, eingekerkert, verschleppt und ermordet wurden. Im Vordergrund stehen die, die damals gerecht waren, die sich nicht vom Sog der Ideologie mitreißen ließen, die Zeichen des Widerstands gesetzt haben und ihr Leben für andere riskierten. Jene, die zur Nummer, zum Kalkül, zur Funktion degradiert wurden, sollen beim Namen genannt werden.“
Die Namen der 1.600 Verfolgten wurden von den SchauspielerInnen Katharina Bigus und Franz Froschauer (er spielt derzeit die Hauptrolle im Thomas-Baum-Stück „Der Fall Gruber“) gelesen. Für jeden Namen wurde von SchülerInnen des BRG Schloss Traunsee und der BAKIP der Kreuzschwestern Linz eine Kerze entzündet.
Musikalisch berührend gestaltet wurde die „Lange Nacht der Namen“ von Domorganist Dr. Wolfgang Kreuzhuber, der zu Motiven aus „Meine Seele ist stille in dir“ (Gotteslob 892), dem Jägerstätterlied „Du rufst uns im Dunkel dieser Zeit“ (Gotteslob 968) und zum Thema „Non confundar in aeternum“ aus Anton Bruckners „Te Deum“ improvisierte.
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Gedenken im Linzer Bischofshof: Acht Kurzbiografien
Felix Kern, Bau- und Rechtsreferent Diözesanfinanzkammer, ehem. Landesrat
Vorgestellt von Mag. Bernhard Zopf
Felix Kern (21. Mai 1892 – 23. Oktober 1955) war ein oberösterreichischer Politiker (Christlichsoziale Partei). Von 1929 bis 1938 war er Landesrat für Bauwesen und Schulen. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Kern all seiner Ämter enthoben und am 13. März 1938 als einer der Ersten nach dem „Anschluss“ verhaftet. Am Fronleichnamstag 1938 wurde er ins KZ Dachau überführt. Nach knapp einem Jahr in Dachau wurde er im April 1939 entlassen und kehrte zu seiner Frau und den sechs Kindern nach Unterweißenbach zurück. Nach verzweifelter Arbeitssuche fand er ab August 1939 eine Anstellung als Bau- und Rechtsreferent in der Diözesanfinanzkammer. Dort leistete er Pionierarbeit: Er schuf die erste Bauordnung der Diözese und war mit der Neuaufstellung der Diözesanfinanzkammer betraut. Eine enge Zusammenarbeit bestand mit dem späteren Bischof Zauner. Kern wurde jedoch am 22. Juli 1944 erneut verhaftet und bis 17. Oktober im Linzer Polizeigefängnis inhaftiert. Danach brachte man ihn ins Lager Schörgenhub (Linz), wo er am 24. Dezember 1944 entlassen wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schied Kern freiwillig aus der Diözesanfinanzkammer aus und wurde wieder politisch aktiv: Nach den Landtagswahlen 1945 war er als Landesrat der ÖVP wieder für Bauwesen und Schulen zuständig, bis zu seinem plötzlichen Tod 1955 war er auch Landeshauptmann-Stellvertreter.
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Ferdinand Weinberger, Kanzleidirektor Bischöfliches Ordinariat und Generalvikar
Vorgestellt von Dr.in Monika Würthinger
Ferdinand Weinberger (23. Mai 1896 – 29. April 1981) kam nach dreijähriger Tätigkeit als Kooperator in Scharten und Hartkirchen 1925 ins Bischöfliche Ordinariat. Mit 1. Mai 1936 wurde er Kanzleidirektor. Zudem war er als bischöflicher Sekretär und Zeremoniär ständiger Begleiter von Bischof Johannes Gföllner und wurde von diesem als Vertreter des Ordinariats auch zu den Verhandlungen mit Gauleitung und Gestapo geschickt. Am 6. November 1940 wurde Ferdinand Weinberger – für alle völlig überraschend – wegen Mitwisserschaft der Vorbereitung zum Hochverrat von der Gestapo verhaftet. Gemeint war die Widerstandsgruppe Großösterreichische Freiheitsbewegung, deren Ziel die Bildung einer Donauföderation mit Bayern (Loslösung vom Deutschen Reich) unter Einbeziehung der Habsburger war. Bis zum Jahr 1944 saß Weinberger in verschiedenen Gefängnissen in Österreich und Deutschland ein, bevor er im Juli 1944 vom Berliner Volksgerichtshof zu zweieinhalb Jahren Kerker verurteilt wurde (die er durch die Untersuchungshaft längst abgebüßt hatte). Am 21. Juli 1944 wurde er freigelassen und kehrte im September ins Ordinariat zurück. 1949 wurde Weinberger Kanonikus, mit 1. September 1953 erfolgte die Ernennung Weinbergers zum Generalvikar durch Bischof Fließer, er blieb dies auch unter Bischof Franz S. Zauner bis 1. August 1973. Besonders während der langen Abwesenheiten Zauners während des Zweiten Vatikanischen Konzils lag die Diözesanregierung praktisch in den Händen Weinbergers.
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Ludwig Kneidinger, Referent bzw. Direktor Diözesanfinanzkammer
Vorgestellt von Mag. Klaus Birngruber
Ludwig Kneidinger (20. Mai 1914 – 11. Jänner 2004) war seit etwas mehr als einem Jahr als Referent in der Diözesanfinanzkammer tätig, als er am 13. Jänner 1942 von der Gestapo verhaftet und ins Linzer Polizeigefängnis gebracht wurde. Bei der Durchsuchung seines Schreibtisches waren hektographierte Briefe an Priestersoldaten gefunden worden. In Verhören gab Kneidinger zu, die NS-kritischen Predigten des Münsterer Bischofs Clemens August von Galen vervielfältigt und weitergegeben zu haben. Informationen über das Ordinariat ließ er sich jedoch nicht entlocken. Kneidinger blieb mehr als drei Jahre in Haft – in Linz bis Mitte April 1942, im Konzentrationslager Dachau bis zum 6. April 1945. Im Juni 1945 nahm er seine Arbeit in der Diözesanfinanzkammer wieder auf und wurde 1970 (nach Wahl durch den Priesterrat) deren Direktor. 17 Jahre, bis 1987, übte er diese Funktion aus, arbeitete aber auch im Ruhestand weiter mit. Er war Mitglied des Diözesankirchenrates, des Bautenkomitees und Kunstrates, Mitglied des Aufsichtsrates der Glockengießerei St. Florian, Vertreter der Diözese Linz im Katholischen Hochschulwerk Salzburg und Mitglied im Kuratorium der Kirchlichen Aufbauanleihe. Seit 1971 war er Mitglied des Linzer Domkapitels, zuletzt bis 1996 als Dompropst. Der „Päpstliche Ehrenprälat“ war Träger des Silbernen Ehrenzeichens des Landes Oberösterreich.
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Franz Vieböck, Seelsorgeamtsleiter Bischöfliches Ordinariat
Vorgestellt von seinem Neffen Bischofsvikar Wilhelm Vieböck
Franz Vieböck (12. Mai 1907 – 7. September 1984) war von 1931 bis 1934 Kooperator in Mondsee, bevor er zum Sekretär des Katholischen Volksvereins bestellt wurde. Am 10. Mai 1938 erfolgte die Ernennung zum Generalsekretär der Katholischen Aktion. Während des Krieges wurde er von Bischof Gföllner mit dem Aufbau des Seelsorgeamtes (Pastoralamt) betraut, dessen Leitung er im Juni 1939 übernahm. Vieböck unterstützte seine priesterlichen Mitbrüder nicht nur mit liturgischen Behelfen, sondern intervenierte bei der Gestapo persönlich zugunsten von inhaftierten Priestern bzw. zugunsten kirchlicher Organisationen und Feiern, was ihn ebenfalls in Gefahr brachte. Sein Neffe Bischofsvikar Wilhelm Vieböck schildert ein Beispiel von vielen: „Im Juni 38 wollte man zum Fronleichnamsfest in Obernberg am Inn wie immer einen Altar beim Kolpinghaus aufstellen, was aber die NS-Behörden untersagten. Das Kolpinghaus war von der SA beschlagnahmt. Der Gesellenverein Obernberg durfte aber weiterbestehen. Vieböck sprach bei der Gestapo vor, bat um Klärung des Falls und drohte, er werde sonst veranlassen, dass der Tatbestand am Sonntag vor Fronleichnam von der Kanzel verkündet werde. Am Samstag zuvor, am 11. Juni, wurde Vieböck vor die Gestapo geladen, ‚zehn Minuten lang auf das Schlimmste beschimpft und dann eingesperrt‘, wie er in Aufzeichnungen schildert. Die Haft dauerte sechs Tage.“
Nach 1945 war Vieböck weiterhin Leiter des Seelsorgeamtes. 1968 wurde er „Vorsitzender der vorbereitenden Zentralkommission“ zur Diözesansynode (1970 – 1972). Bei der Synode selbst, der Weihbischof Dr. Alois Wagner als Präsident vorstand, fungierte Vieböck neben Dr.in Inge Loidl und Eduard Ploier als einer der Vizepräsidenten. 1972 bat er den Bischof um Entpflichtung von der Leitung des Seelsorgeamtes. Erst 1974 wurde dieser Bitte stattgegeben und Josef Wiener als Nachfolger bestellt. Weitere Tätigkeitsfelder waren Kirchenzeitung, Jahrbuch und Katholischer Pressverein. Von 1934 bis zu seinem Tod war er Seelsorger der Karmelitinnen; als Beichtvater und bischöflicher Kommissär zuständig auch für die Barmherzigen Schwestern, die Kreuzschwestern und die Franziskanerinnen von Vöcklabruck. Ab 1956 war Vieböck Mitglied des Domkapitels, Firmspender, MIVA-Präsident, erster Sprecher des Priesterrates, Generaldechant und Leiter der neuerrichteten Schieds- und Schlichtungsstelle.
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Franz Ohnmacht, Bischöflicher Sekretär unter Bischof Gföllner
Vorgestellt von Prof. Kons. Gottfried Gansinger
Der Priester Franz Ohnmacht (5. Dezember 1893 – 11. April 1954), Doktor der Theologie und Philosophie, war nach seinem Wirken als Kooperator ab 1919 bischöflicher Sekretär und ab 1987 Professor für scholastische Philosophie am Priesterseminar Linz. Von 1934 bis 1938 war Ohnmacht Generaldirektor der Katholischen Aktion der Diözese Linz. Ohnmacht wurde stellvertretend für Bischof Johannes M. Gföllner, den entschiedensten Gegner des Nationalsozialismus unter den österreichischen Bischöfen, eingesperrt. 1933 hatte Bischof Gföllner in seinem berühmten Hirtenbrief über den wahren und falschen Nationalismus erklärt, dass es unmöglich sei, „gleichzeitig guter Katholik und wirklicher Nationalsozialist zu sein“. Am 13. März 1938 verhaftete die Gestapo Franz Ohnmacht nach einem Spaziergang mit dem Bischof und brachte ihn nach Linz ins Polizeigefängnis. In der Tagespost vom 15. März 1938 wurde Ohnmacht „Volksverräter“ genannt. Ohne Begründung und Anklage wurde Franz Ohnmacht am 17. Juni 1938 ins KZ Dachau überstellt. Die Qualen für die Häftlinge dort waren unbeschreiblich: Sie wurden zu Nummern ohne Namen degradiert, entwürdigt, entmenschlicht und geschunden, brutal gepeinigt durch Hunger, Kälte, schwere Arbeit, willkürliche Strafen, massiv gefoltert und massenhaft getötet. Für Franz Ohnmacht folgte eine lange Leidensgeschichte: Von September 1939 bis Dezember 1940 war Ohnmacht im KZ Buchenwald, danach wieder in Dachau. Nach unzähligen Bemühungen von Seiten des Ordinariats und von Ohnmachts Schwester Anna wurde er endlich am 16. März 1943 aus dem KZ Dachau entlassen. Es folgten die Gauverbannung und ein Zwangsaufenthalt in Gadebusch an der Ostsee (Mecklenburg-Vorpommern).
Erst am 3. August 1946 kam Ohnmacht nach Linz zurück. Die langen Jahre der Gefangenschaft waren nicht spurlos an ihm vorübergangen: Ein rapider Verfall seiner geistigen Kräfte setzte ein, den der behandelnde Arzt auf die körperlichen – es wurden medizinische Experimente an ihm durchgeführt – und seelischen Qualen im KZ zurückführte. Ohnmacht starb am Palmsonntag, 11. April 1954 im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern. Im „Lern- und Gedenkort Ried“ ist ihm eine Stele gewidmet.
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Bischof Johannes Maria Gföllner
Vorgestellt von Bischof Dr. Manfred Scheuer
In der österreichischen Kirche war es vor allem der Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner (17. Dezember 1867 – 3. Juni 1941), der bereits im Sommer 1929, also lange vor Hitlers Machtergreifung, eindeutig gegen den Nationalsozialismus Stellung bezogen hat. Gföllner von 1915 bis 1941 Bischof von Linz, warnte vor „falschen Propheten“, welche der „übervölkischen römischen Kirche“ eine völkische Organisation entgegenstellten. „Über wahren und falschen Nationalismus“ war der Beginn eines Hirtenbriefes, der am 22. Jänner 1933 von allen Kanzeln der Diözese Linz zu verlesen war. Darin formulierte Gföllner: „Der nationalsozialistische Rassenstandpunkt ist mit dem Christentum völlig unvereinbar und muss daher entschieden abgelehnt werden.“ Gföllner verurteilte darin auch den „radikalen Rassenantisemitismus“ als „unmenschlich und unchristlich“, warnte jedoch gleichzeitig in einer Haltung des „christlichsozialen Antisemitismus“ (Markus Lehner) vor dem „schädlichen Einfluss vieler gottentfremdeter Juden auf fast allen Gebieten des modernen Kulturlebens“.
Der engste Mitarbeiter Gföllners, der Generaldirektor der Katholischen Aktion Dr. Ohnmacht, kam in das KZ Dachau und kehrte von dort als menschliches Wrack zurück. Es war klar, dass die Verhaftung von Ohnmacht unmittelbar nach dem Einmarsch am 13. März 1938 gegen den Bischof gerichtet war. Als Hitler am 7. April 1938 den Mariendom besichtigen wollte, erschien Bischof Gföllner nicht persönlich, sondern entsandte Prälat Schöfecker. Die Feierliche Erklärung der Österreichischen Bischofskonferenz vom 18. März 1938 hat Gföllner unterzeichnet. Der entscheidende Schlusssatz des Aufrufs lautete: „Am Tage der Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständliche nationale Pflicht, uns als Deutsche zum deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen, dass sie wissen, was sie ihrem Volk schuldig sind.“ Keiner der Bischöfe hat protestiert, auch nicht der Bischof von Linz. Die Verlesung dieser Erklärung von den Kirchenkanzeln erfolgte am Sonntag, 27. März 1938 auch in der Diözese Linz.
Am 30. Juni 1938 wurde ein hektisch erarbeiteter „Friedensplan“ vorgelegt. „Die österreichischen Bischöfe erklärten bei dieser Gelegenheit erneut, die Geistlichkeit zur treuen Beobachtung der staatlichen Gesetze anzuhalten.“ Partei und katholische Kirche in Deutschösterreich waren entschlossen, „jeden, der die oben niedergelegten Grundsätze … stört, unnachsichtig aus ihren Ämtern zu entfernen bzw. ernstlich zu maßregeln.“ Bischof Gföllner sollte vor dem Unterhändler von Gauleiter Bürckel am 5. Juli 1938 unterzeichnen. Er nahm jedoch eine ganz andere Haltung ein als die übrigen Bischöfe und verweigerte dem verblüfften Unterhändler Bürckels, unter Hinweis auf die bevorstehende Bischofskonferenz (8. Juli), glattweg die Unterschrift. Zu diesem Beschluss kam es nicht, weil vermutlich Gföllner die österreichischen Bischöfe dazu brachte, „aus formalrechtlichen Gründen“ die Duldung des Friedensplans durch den Vatikan einzuholen.
Gedanken von Bischof Manfred Scheuer zu Bischof Gföllner zum Nachlesen
© Diözese Linz / Appenzeller
Ferdinand Klostermann, bischöflicher Sekretär unter Bischof Gföllner
Vorgestellt von DDr. Helmut Wagner
Der Priester Ferdinand Klostermann (21. März 1907 – 22. Dezember 1982) wurde 1938 nach dem „Anschluss“ Sekretär von Bischof Gföllner im Bischöflichen Ordinariat. Die bischöflichen Sekretariatsaufgaben füllten den 31-Jährigen nicht gänzlich aus. So widmete er sich ab 1940 nebenbei der Schüler- und Studentenseelsorge. Herbert Wenninger und Herbert Watschinger sind zwei später diözesan bekannt gewordene Jugendliche, mit denen er – trotz Überwachung durch das NS-Regime – mit großer Leidenschaft in der katholischen Studentenarbeit aktiv war. Dass die Gestapo eines Tages hinter die Aktivitäten kommen würde, war zu erwarten. Ferdinand Klostermann wurde am 31. März 1943 verhaftet und fast 9 Monate später, am 15. Dezember 1942, aus dem Linzer Polizeigefängnis (auf Grund der Adresse auch „Mozarteum“ genannt) entlassen. Die Entlassung war verbunden mit „Gauverbot“, konkret mit der Auflage, seinen Wohnsitz nördlich der „Mainlinie“ zu nehmen. Klostermann ging nach Berlin und wurde Kaplan in einer Filialpfarre der Berliner Dompfarre St. Hedwig. 1945 kehrte Klostermann zurück nach Linz und wurde mit 1. März 1945 zum Sekretär des Bischöflichen Seelsorgeamtes ernannt. 1960 wurde Klostermann Professor für Pastoraltheologie an der Universität Wien und wurde von Kardinal König zum Konzilstheologen bestellt.
Über die Haltung der Kirche insgesamt sagte Klostermann 1978 rückblickend: „Ein reines Heldenlied ist die Geschichte des kirchlichen Kampfes gegen den NS-Staat und die NSDAP gerade nicht. Die Unterscheidung der Geister und die Balance zwischen Klugheit und Tapferkeit gelang nicht immer. Die Parole ‚Kampf gegen den jüdisch-materialistischen Geist‘, das christlich-antisemitische Erbe, die Verachtung der Demokratie, des Liberalismus und Pazifismus brachten die Kirche und kirchliche Kreise oft in eine verdächtige und peinliche Nähe zu NS-Ideen.“
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Begegnung zwischen Bischof Joseph Calasanz Fließer und Franz Jägerstätter
Vorgestellt von Dr.in Erna Putz
Der studierte Kirchenrechtler Joseph Calasanz Fließer (28. Juli 1896 – 12. Juni 1960) leitete von 1941 bis 1955 die Diözese Linz. Aus gesundheitlichen Gründen bekam er 1949 nicht wie gewünscht einen Weihbischof, sondern DDr. Franz Zauner als Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge. Fließer unterstützte engagiert die Liturgische Bewegung. Von der NS-Kirchenpolitik war er als Präses der Marianischen Kongregation von Anfang an betroffen. Nach dem Tod von Regens Dr. Wenzel Grosam übernahm Fließer auch die Regentschaft des Priesterseminars, die Alumnen waren fast alle an der Front und er kümmerte sich um die brieflichen Kontakte zu ihnen. Um Kapläne erfolgreich vor dem Einrücken zu bewahren, schuf er für diese selbständige Seelsorgestellen.
Die Erfahrungen als Soldat vom Oktober 1940 bis April 1941, das Wissen um den Massenmord an psychisch Kranken und die Verfolgung von Priestern in seinem Umfeld führten Franz Jägerstätter zur Entscheidung, den Dienst mit der Waffe zu verweigern. Die Konsequenzen waren ihm klar, aber bis zuletzt rang er darum, ob er diese Entscheidung seiner Familie zumuten durfte. In seinen Aufzeichnungen erwog er „Für und Wider“ und besprach sich mit befreundeten Priestern. Er suchte auch Bischof Fließer auf. Wahrscheinlich hat er u. a. gefragt: „Welcher Katholik getraut sich, diese Raubzüge, die Deutschland schon in mehreren Ländern unternommen hat und noch immer weiterführt, für einen gerechten und heiligen Krieg zu erklären?“ Franziska Jägerstätter nahm am Gespräch im Linzer Bischofshof nicht teil. Sie wartete auf dem Gang. Franz kam enttäuscht heraus und sagte zu seiner Frau: „Die haben ja selber Angst.“ Bischof Fließer später zu seiner Begegnung mit Jägerstätter: „Ich habe umsonst ihm die Grundsätze der Moral über den Grund der Verantwortlichkeit des Bürgers und Privatmannes für die Taten der Obrigkeit auseinandergesetzt und ihn an seine viel höhere Verantwortung für seinen privaten Lebenskreis, besonders für seine Familie erinnert. Ich kenne seine ‚Konsequenz’ und achte sie, besonders die Motive.“
Die Argumente und Bedenken Jägerstätters konnte niemand entkräften. Die Konsequenzen wollten ihm der Bischof und auch die Priesterfreunde ausreden. Sie blieben moraltheologisch auf einer sekundären Ebene stehen, die Frage nach der Legitimität des Krieges stellten sie nicht.
Eine Würdigung Franz Jägerstätters blieb lange aus; sie hätte womöglich zudem die Kriegsheimkehrer irritiert. Franz Vieböck um 1984 zu Jägerstätter-Biografin Erna Putz: „Wir haben gefürchtet, dass uns die heimkehrenden Soldaten sagen: ‚Das hättet ihr uns gleich sagen können, dass es gescheiter ist, nicht zu kämpfen’“. Die drei auf Franz Zauner folgenden Bischöfe Maximilian Aichern, Ludwig Schwarz und Manfred Scheuer erreichten mehr oder minder gemeinsam die Anerkennung Franz Jägerstätters als offizielles Vorbild christlichen Lebens in seiner Zeit.
© Diözese Linz / Appenzeller