Paul VI. und Romero heiliggesprochen: "Radikale Jesus-Nachfolger"
Paul VI. sei ein "Prophet einer hinausgehenden Kirche, die Weitblick hat und sich um die Armen kümmert", sagte er bei der Heiligsprechungsfeier auf dem Petersplatz vor hunderttausenden Gläubigen. Ähnlich würdigte Franziskus auch Romero für dessen "evangeliumsgemäße" Lebenshingabe und Nähe für die Armen und zum Volk.
Beim Gottesdienst trug Papst Franziskus einen Gürtel, den Erzbischof Romero im Augenblick seiner Ermordung am Altar getragen hatte. Außerdem benutzte der Papst ein Messgewand seines Vorgängers Paul VI. und dessen Kelch. Unter den Mitfeiernden waren u. a. alle Teilnehmer der derzeit im Vatikan stattfindenden Bischofssynode, die versammelte Bischofskonferenz von El Salvador, die Präsidenten von Chile, Panama und El Salvador sowie die frühere spanische Königin Sofia. Benedikt XVI., Franziskus' Vorgänger im Papstamt, konnte an der Heiligsprechungsfeier nicht teilnehmen, war vom Papst jedoch am Samstagabend noch besucht worden.
Wie die neuen Heiligen vorgezeigt hätten, sei Jesus "radikal", sagte Franziskus in seiner Predigt. "Er gibt alles und verlangt alles: er gibt totale Liebe und verlangt ein ungeteiltes Herz". Jesus gebe sich "mit einem Prozentsatz an Liebe nicht zufrieden: wir können ihn nicht mit zwanzig, fünfzig oder sechzig Prozent lieben. Entweder alles oder nichts". Reichtum sei gefährlich, weil ein Zuviel-Haben und Zuviel-Wollen das Herz ersticke. "Wo das Geld im Mittelpunkt steht, gibt es keinen Platz für Gott und auch keinen Platz für den Menschen", so der Papst
Mit Blick auf die neuen Heiligen forderte der Papst die Christen auf, sich von alten Sicherheiten zu verabschieden. Die Kirche müsse sich fragen, ob sie nur gute Gebote predige oder Jesus in Liebe nachfolge. Sie müsse um die Gnade bitten, Reichtum und "Sehnsucht nach Status und Macht" loszulassen. Jene Strukturen, die der Verkündigung des Evangeliums nicht mehr angemessen seien, gelte es aufzugeben, ebenso wie den "Ballast" und die weltlichen Bindungen, welche die missionarische Sendung bremsten und dazu beitrügen, dass die Christen und die Kirche ohne einen "Fortschritt in der Liebe" an "egozentrischer Selbstgefälligkeit" erkrankten, mahnte der Papst. Dabei ende man bei einem Leben "ohne Schwung, wo ein wenig Narzissmus die Tristesse des Unvollendet-Bleibens überdeckt".
"Mit Leidenschaft und ohne Lauheit"
Franziskus würdigte Paul VI. dafür, ein "weiser Steuermann" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) – welches weiter eine "bleibende Mahnung an die Kirche" sei – gewesen zu sein. Unter Paul VI. endete das Konzil, bei dem die Kirche ihre Haltung zur modernen Welt reformierte. Wie Franziskus hervorhob, sei das Wirken des neuen Heiligen auch von "Mühen und von Unverständnis" begleitet gewesen. Der als Giovanni Battista Montini bei Brescia geborene Paul VI. hatte vor allem durch seine Enzyklika "Humanae vitae" (1968) zur Sexualethik viel Nachhall und Kritik gefunden. Wegweisend war aber auch sein Lehrschreiben "Populorum progressio" (1967) zu globaler Entwicklung und wirtschaftsethischen Fragen.
Erzbischof Romero, ein wichtiger Vertreter der Befreiungstheologie, wurde 1980 nach seinem Eintreten gegen die salvadorianische Militärjunta erschossen. Romero habe für seine Hingabe für die Armen und das Volk "auf weltliche Absicherungen, ja auf seine eigene Sicherheit" verzichtet, würdigte ihn der Papst. Er habe "ohne Lauheit, ohne Berechnung, mit der Leidenschaft, etwas zu riskieren und loszulassen", in der Nachfolge Jesu gelebt.
All dies gilt nach den Worten des Papstes auch für die übrigen fünf am Sonntag heiliggesprochenen Personen der Kirchengeschichte, darunter die aus dem Westerwald stammende Gründerin der "Dernbacher Schwestern", Maria Katharina Kasper (1820–1898). Kasper gründete 1845 einen Verein für Kranken- und Altenpflege, aus dem später die Kongregation der Dernbacher Schwestern hervorging. Heute zählt sie rund 600 Schwestern. Auch eine weitere Ordensgründerin, die Spanierin Nazaria Ignazia March Mesa (1889–1943), ist nunmehr eine Heilige, sowie ein aus Süditalien stammender junger Mann: Der Süditaliener Nunzio Sulprizio (1817–36) starb schon mit 19 Jahren, Franziskus stellt ihn Jugendlichen von heute als Vorbild vor Augen.