Chancen der Säkularisierung
Nach einem spirituellen Impuls und dem thematischen Auftakt von Bischof Dr. Manfred Scheuer, in dem er mit der Pastoralkonstitution Gaudium et spes des Zweiten Vatikanischen Konzils die „kritische Zeitgenossenschaft“ der Kirche herausstrich, präsentierte die Theologin und Religionsphilosophin Dr.in Annette Langner-Pitschmann philosophische und soziologische Theorie und half so den schillernden Begriff Säkularisierung differenziert in den Blick zu nehmen.
Gedanken von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Neben die klassischen Säkularisierungstheorien von M. Weber, Ch. Taylor und Th. Luckmann stellte sie die Gegenentwürfe von Desäkularisierung (Berger) und Postsäkularität (Habermas). Aufschlussreich attestierte Dr.in Langner-Pitschmann, dass Säkularisierungs-Diskurse kaum auf neutralem Boden stattfänden. Innerhalb wie außerhalb der Kirche stehen meist Vorannahmen von einer positiven oder besorgten/eher negativen Sicht auf die Welt und ihre Säkularisierungs-Phänomene im Hintergrund der Diskurse. Die Metapher der Kirche, die wie eine Eischolle im Eismeer „Säkulare Welt“ treibt, die Langner-Pitschmann einführte, fand in den nachfolgenden Diskussionen großen Anklang und gab Anlass weiter über die Zukunft der Kirchen in der heutigen Zeit nachzudenken.
Der Würzburger Pastoraltheologe Univ.-Prof. Dr. Johannes Först zeigte in seinem Vortrag theologische Zugänge und pastorale Chancen von Säkularisierung auf. Vor dem Hintergrund rahner’scher Anthropologie präsentierte er als alternativen Blickwinkel zu gängigen Säkularisierungsthesen einen transformationstheoretischen Ansatz. Wird versucht Phänomene als Transformationsprozesse zu betrachten, gibt das die Chance „Christentum dort zu entdecken, wo auf den ersten Blick nur Säkularisierung“ ist. Theologisch bieten die Phänomene von Säkularisierung die Chance einer Neuausrichtung der Kirchen. Theologie und Kirchen sind, so Prof. Först in seinem engagierten Plädoyer, gefordert die Gottesfrage an die tiefen und existentiellen Erfahrungen und Fragen der Menschen zu heften und sich den Dramen des Lebens zuzuwenden.
© Referat für Ökumene und Judentum
Im zweiten Teil des Vormittages gaben MitarbeiterInnen aus der pastoralen Praxis in OÖ Einblick in ihre Projekte und Arbeitsfelder und berichteten von ihren Erfahrungen mit Säkularisierung und deren Chancen.
Der katholische Pastoralassistent MMag. Helmut Außerwöger und der evangelische Pfarrer Mag. Andreas Hochmeir erzählten von ihren gemeinsamen Erfahrungen aus dem Ökumene-Projekt im Dekanat Eferding und den Chancen, die sie in der ökumenischen Zusammenarbeit für die Kirchen in der heutigen Zeit sehen.
Die katholische Theologin Mag.a Martina Resch stellte ihr Projekt Salon Raum_Zeit vor, in dem sie an säkularen Orten Raum für existentielles Fragen und tiefgründiges Nachdenken eröffnete.
Mag.a Katharina Brandstetter, Projektassistentin für den Zukunftsweg der Katholischen Kirche in Oberösterreich, gab Einblicke in ihr Projekt „Erzähl mir was, ich hör dir zu“, bei dem sie sich mit KollegInnen mit Klappstühlen auf der Landstraße als Gesprächspartnerin für PassantInnen zur Verfügung stellte, und in das Projekt „Seelsorge auf SummerSplash“, in dem sie junge Menschen in kleineren und größeren Krisen während der Maturareise begleitete.
Pfarrer Mag. Martin Eickhoff berichtete aus dem Alltag einer evangelischen Pfarrgemeinde und den Herausforderungen und Chancen theologischen Sprechens.
Superintendent Dr. Gerold Lehner fasste am Ende des Theologischen Tages seine Erkenntnisse zusammen: Säkularisierung kann die Chancen eröffnen die Narrative unseres Glaubens wieder zu erzählen, Hörende zu werden, konfessionelle Unterschiede neu in den Blick zu nehmen, mutig zu sein und Grenzen zu überschreiten, und ebenso sich wieder bewusst zu werden, dass das Christentum immer auch das Fremde, das Andere sein wird und auch in einem Gegensatz zur Moderne steht.
Die Vortragendes des 38. Ökumenisch-theologischen Tages thematisierten unterschiedlichste Aspekte von Säkularisierung bzw. Pastoral an säkularen Orten. © Referat für Ökumene und Judentum
Gudrun Becker | Referentin für Ökumene und Judentum