Caritas-DirektorInnen: Österreich demontiert schrittweise Sozialstaat
Die Kürzungen bei älteren bzw. langzeitarbeitslosen Menschen und bei der Mindestsicherung sowie auch die Abschaffung der Notstandshilfe könnten den sozialen Frieden in Österreich nachhaltig gefährden, heißt es in einem gemeinsamen Appell im März 2018 an die Bundesregierung. Diese solle ihre Pläne auf soziale Verträglichkeit prüfen und zurücknehmen, werde doch derzeit auf Kosten der Schwächsten gespart. "Wir warnen eindringlich vor einer schrittweisen Demontage des Sozialstaates in Österreich", so die Caritas-DirektorInnen.
Als "menschlich bedenklich, gesellschaftlich gefährlich und ökonomisch widersinnig" verurteilten die Caritas-Spitzen die Einsparungen bei der "Aktion 20.000" für Menschen ab dem 50. Lebensjahr, bei Programmen für Langzeitarbeitslose und Jugendliche sowie bei den Unterstützungen im Bereich der Integration von Geflüchteten. AMS-Prognosen zufolge würden die Kürzungen Österreichs Zahl der EmpfängerInnen von Mindestsicherung erhöhen statt sie zu verringern, auch wären Menschen dann länger statt kürzer auf diese Unterstützung angewiesen. Wie die DirektorInnen hervorheben, seien derzeit trotz sinkender Arbeitslosenzahlen weiterhin 444.000 Menschen in Österreich arbeitslos oder in Schulung, weshalb man ohne Qualifizierungsmaßnahmen und einem erweiterten Arbeitsmarkt nicht auskomme.
"Hier wird auf die kleine Frau, den kleinen Mann vergessen, die keine Lobby haben. Wir warnen vor einem Anstieg von Alters- und Kinderarmut in Österreich", heißt es in dem Brief. Der Druck auf die bereits heute am stärksten von Armut Betroffenen dürfe in Zukunft nicht noch weiter steigen. "Teurer als bei armutsbetroffenen Menschen kann man nicht sparen!", so das gemeinsame Schreiben, dessen Unterzeichner außer Caritas-Präsident Michael Landau auch die diözesanen Caritas-DirektorInnen Herbert Beiglböck (Graz-Seckau), Johannes Dines (Salzburg), Franz Kehrer (Linz), Josef Marketz (Gurk-Klagenfurt), Edith Pinter (Eisenstadt), Georg Schärmer (Innsbruck), Walter Schmolly (Feldkirch) und Hannes Ziselsberger (St.Pölten) sind.
Kritisch äußerten sich die DirektorInnen der katholischen Hilfsorganisation auch zum "Familienbonus": Zwar sei jede Unterstützungsmaßnahme für die Familien "grundsätzlich positiv", es dürften bei einem Bonus aber nicht "jene Familien, die Not und Druck am stärksten verspüren, bei einem Bonus am schlechtesten aussteigen". Sinnvoll sei es daher, den geplanten Kindermehrbetrag von 250 Euro für Alleinerzieher und Alleinverdiener deutlich zu erhöhen und nicht auf Familien mit geringem Verdienst beider Elternteile oder auf Mindestsicherung oder Notstandshilfe angewiesene Familien zu vergessen. Für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie seien außerdem "deutlich mehr Kinderbetreuungsplätze" nötig.
Das neu eingeführte verpflichtende Integrationsjahr sehen die Caritas-Spitzen als wichtigen Schritt für die Arbeitsmarktintegration und als "Maßnahme um geflüchteten Menschen rasch hinaus aus der Mindestsicherung zu verhelfen". Kürzungen für Sprachkurse, Qualifizierung und Integration hinderten Menschen allerdings daran, für sich und ihre Familien selbst sorgen zu können und einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, etwa indem sie auch Steuern zahlen. "Der Verdacht liegt nahe, dass hier Integrationsprobleme bewusst heraufbeschworen werden, um im Anschluss eine noch rigorosere Asylpolitik zu rechtfertigen. Das ist weder sozial noch wirtschaftlich zielführend", so die Caritas-DirektorInnen. Und weiter: "Eine starke Gesellschaft wie unsere hat auch eine besondere Verantwortung für die Schwächsten."