Neuer Wein in neue Schläuche?! Wege zwischen Tradition und Zukunft
Zusammenleben der Generationen in Ordensgemeinschaften
Junge Ordensfrauen in Gemeinschaften mit vielen älteren Mitschwestern – wie kann das zusammengehen? Was bewegt die älteren Schwestern im Blick auf die jungen Mitschwestern, was bewegt die jungen Schwestern im Blick auf die älteren und was tut das "Mittelalter"? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des gemeinsamen Tages.
Sr. M. Michaela Pfeiffer-Vogl, Vorsitzende der Regionalkonferenz der oö. Frauenorden. © Sr. Benedicta Pecksteiner / Marienschwestern
Nach der Begrüßung durch Schwester M. Michaela Pfeiffer-Vogl, Generaloberin der Marienschwestern vom Karmel und Vorsitzende der Regionalkonferenz der Frauenorden in Oberösterreich, berichteten drei junge Ordensfrauen offen und anschaulich von ihrem Weg ins Kloster und ihren Erfahrungen mit dem Ordensleben.
Schwester Hanna Maria Tuder (vorne, 4. von links), Schwester Genoveva Gaßner (hinten, ganz links) und Lucia Reiter (hinten, ganz rechts) mit jungen Mitschwestern und Kandidatinnen. © Sr. Benedicta Pecksteiner / Marienschwestern
Zwischen den persönlichen Gedanken der drei jungen Schwestern gab es die Möglichkeit zum Austausch zwischen den etwa 150 TeilnehmerInnen der oberösterreichischen Orden und Säkularinstitute.
© Sr. Benedicta Pecksteiner / Marienschwestern
Schwester Hanna Maria Tuder (26), Junioratsschwester bei den Marienschwestern vom Karmel, ist ausgebildete Religionspädagogin und absolviert derzeit das 3. Semester des FH-Bachelor-Studiengangs "Hebamme" in Linz. Für sie ist eine Klosterschwester als Hebamme kein Widerspruch in sich, sondern einer der vielen Bereiche, in dem die Not der Menschen von heute spürbar wird, sei es inner- oder außerkirchlich. Für Schwester Hanna Maria lautet die Grundfrage: "Woran hängt mein Herz? Wofür ist es frei? Ist es eine Freiheit, die fest macht? Weckt diese Freiheit in mir das Verlangen, für die Nöte der Menschen selbstlos da zu sein und sie aushalten zu können/wollen?" Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen beim Praktikum im Kreißzimmer, besonders im Hinblick auf ihr Schwester-Sein, erlebt die junge Marienschwester als herausfordernd, aber noch mehr als beglückend und bestärkend. "Sie wissen, dass ich mich für den Weg der Nachfolge entschieden habe, und dieses Wissen weckt in ihnen unendlich viele Fragen." Sie selbst nehme dabei die "große Not der kirchensprachlichen Barriere" wahr, weil es schwer in Worten zu beschreiben sei, warum der Glaube tragend, befreiend und heilend sei und lebendig mache. Gleichzeitig erlebe sie, wie die Faszination der Kolleginnen angesichts der Entschiedenheit, als Schwester zu leben, auch diesen neue Sichtweisen eröffne. Denn, davon ist Schwester Hanna Maria überzeugt: "Durch die Art, WIE ich meinen Weg gehe, wie jede und jeder Einzelne von uns ihren bzw. seinen Weg geht, können wir Gutes verkünden und ZeugInnen sein."
Schwester Genoveva Gaßner (23) ist Novizin im ersten Jahr bei den Franziskanerinnen von Vöcklabruck. Sie hat Ausbildungen zur Berufskraftfahrerin und Kindergarten-, Hort- und Krabbelstubenassistentin absolviert. Ihre Gedanken hat sie mit "Von 150 auf Minimum" überschrieben. Vor ihrem Klostereintritt arbeitete sie 20 Stunden als Jugendleiterin im Pinzgau gearbeitet, 20 Stunden als Buschauffeurin in der Firma ihres Onkels. "Gott sei Dank hatte ich immer das Gefühl, in meiner Berufung zu arbeiten", so Schwester Genoveva im Rückblick. Kein Tag war wie der andere, neben der Arbeit versuchte sie ihre Beziehung zu pflegen. "Alles schien perfekt zu laufen, außer in mir ... da fehlte etwas", erzählt die junge Ordensfrau, die im Glauben immer schon stark verwurzelt war. In der Regelmäßigkeit des klösterlichen Tagesablaufs hat sie gelernt, das Wesentliche zu sehen. Einfach war die Umstellung aber nicht, wie Schwester Genoveva zugibt: "Ich war geschockt, als ich damals merkte, dass ich mein Leben, das ich sehr liebte, VOLLGAS umstellen muss, um zum wahren Ziel zu gelangen, zum Einzigen, der Bestand hat. Meine Chefpositionen, meine Bereiche und Tätigkeiten, meine heißgeliebten Berufe aufzugeben und in einer Gemeinschaft bei null anzufangen ... und das noch dazu demütig und bescheiden, kostete und kostet mich immer wieder viel Vertrauen." Die 150 und das Reisen bzw. Fahren und das "Immer Vollgas" habe sie immer noch im Blut. Jesus sei sehr kreativ darin, wen er berufe: "Egal ob Professor, Reinigungskraft, Metzger, Bäcker oder eine der jüngsten Buschauffeurinnen des Landes – wenn es ihm gefällt, beruft er einfach!" Ihren Titel "Von 150 auf Minimum" müsse sie erweitern, denn es gehe darum, "im Minimum das Wesentliche zu erkennen und anzunehmen. Um mit dem gefundenen Schatz, dem Wesentlichen, Gott, wieder auf das pure Leben zu kommen und alles zu geben." Ihr Schlussplädoyer: "Hören wir nicht auf (weil es einfach viel zu schön ist), andere zu ermutigen, besonders junge Menschen, VOLLGAS Gott zu suchen und mit ihm die Lebensreise zu bestreiten!"
Schwester Lucia Reiter (27) ist Junioratsschwester bei den Elisabethinen Linz. Sie ist Krankenschwester und absolviert derzeit die Ausbildung zur Pastoralassistentin; währenddessen ist sie Pastorale Mitarbeiterin in der Pfarre Ansfelden. Der Schwerpunkt ihres Statements ist die sogenannte "Stabilitas", die Ortsbeständigkeit, also das Verbleiben in jener Gemeinschaft bzw. in jenem Kloster, in das man eingetreten ist. Für Schwester Lucia ist diese Stabilitas etwas Positives, das Heimat schenkt. "Ich bin nicht nur physisch anwesend, sondern auch mit dem, was mich ausmacht, mit meinem Herzen." Trotz äußerer Stabilität brauche es ein innerliches "Auf-dem-Weg-Bleiben", so Schwester Lucia. Diese innere Beweglichkeit hängt für sie eng mit dem Gelübde des Gehorsams zusammen, mit dem Hören auf Gott, aufeinander und auf die Mitmenschen. Aus dem Hören wachse ein neuer Weg der Verantwortung – "nicht nur für mich, sondern für die Ordensgemeinschaft, für meine Mitmenschen, für die ganze Welt". Eine wichtige Stütze im Wachstumsprozess sind ihr die Mitschwestern, wie sie selbst sagt: "In unserer Gemeinschaft ermutigen wir uns gegenseitig, stärken und stützen uns, manchmal müssen wir uns auch durch ein Tief 'durchtragen'." Grundlagen dafür sind für Schwester Lucia ein offener Austausch und eine ehrliche Gesprächskultur: "Die älteren Mitschwestern erkundigen sich um das Befinden der Jüngeren, ebenso sehe ich es als eine Aufgabe von uns jüngeren Ordensleuten, Interesse an den Bedürfnissen der Älteren zu zeigen. Nur im gegenseitigen Hören aufeinander, im Zeigen, dass mir der andere wichtig ist, dass ich ihn wertschätze, dass mir seine Lebenswelt ebenso am Herzen liegt wie meine eigene, kann Wachstum gelingen."
Schwester Lucia Reiter vom Orden der Elisabethinen: "In unserer Gemeinschaft ermutigen wir uns gegenseitig." © Sr. Benedicta Pecksteiner / Marienschwestern
"Kirche ist Dienstleistungsgesellschaft, wird aber als solche auch verwechselbar und austauschbar"
In seinen Impulsgedanken ortete Bischof Manfred Scheuer große Wertschätzung den Orden gegenüber, wenn dabei auch nicht Nachfolge oder Gemeinschaft im Vordergrund stünden, sondern vielmehr das Angebot "religiöser Dienstleistungsgesellschaften". Scheuer wörtlich: "Schulen, Sozialeinrichtungen und auch geistliche Zentren, auch mit Lebenshilfeangeboten und Meditationsangeboten von Orden getragen, sind durchaus beliebt und gefragt. Zudem fasziniert die Liturgie als nicht funktionalisiertes Handeln; Ästhetik insgesamt, Konzerte. Klöster sind Orte der Entgiftung für geplagte Typen. Sympathisch sind die Ordensleute, weil sie Menschen wie du und ich sind. Kirche ist Dienstleistungsgesellschaft, wird aber als solche auch verwechselbar und austauschbar. Zunehmend ist dies bei Krankenhäusern, Schulen, Sozialarbeit, aber auch in Fragen menschlicher Begleitung der Fall." Bei aller Wertschätzung, auch durch die Politik, gebe es zugleich ein hohes Maß an Unverständnis gegenüber der Lebensform der Evangelischen Räte, so Scheuer: "Es gibt doch einen eklatanten Widerspruch zwischen der Beliebtheit der Dienste von Orden und der Fremdheit eines authentisch gelebten christlichen Zeugnisses."
Gedanken von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Ein wertvoller Impuls des Nachmittags kam von Bischof Manfred Scheuer. © Sr. Benedicta Pecksteiner / Marienschwestern
Anschließend hatten die TeilnehmerInnen Gelegenheit zu Begegnung und Austausch bei einer Agape. Der "Tag des geweihten Lebens" endete mit einem gemeinsamen Gottesdienst. Bei der Predigt nahm Bischof Manfred Scheuer Jesus als Gabe des Vaters, als Selbstgabe an den Vater und das Geschenk der Liebe für alle Menschen in den Blick.
Predigt von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
© Sr. Benedicta Pecksteiner / Marienschwestern