Feierliche Vesper mit Lichtfeier am Vorabend der Altarweihe
Nach der Innenraum-Neugestaltung des Linzer Mariendoms werden die überarbeiteten bzw. neu geschaffenen liturgischen Orte geweiht bzw. gesegnet. Am Vorabend der Altarweihe feierte Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer mit knapp 200 Gläubigen eine feierliche Vesper mit Lichtfeier, in der die Pflüger-Orgel geweiht und das Chorgestühl gesegnet wurde.
Am Beginn des Abendgebets versammelte sich die Feiergemeinde beim Hauptportal des spärlich beleuchteten Doms. Nach einem Lichtruf wurde das Licht der Osterkerze an alle Anwesenden ausgeteilt. Gemeinsam zogen dann die Mitfeiernden in einer Prozession nach vorn an den Ort der Tagzeitenliturgie, der sich vor dem Hochaltar befindet. Die Tagzeitenliturgie, auch Stundengebet genannt, gehört zu den frühen Gebetsformen des Christentums und wird von der orthodoxen, römisch-katholischen, der anglikanischen Kirche und den evangelischen Kirchen gemeinsam gepflegt. Beim Stundengebet sollen einzelne Tageszeiten mit ihrer Besonderheit vor Gott gebracht werden. Zudem begleitet das Stundengebet den Tagesablauf in der Kirche. Mit dem Stundengebet erfüllt die Kirche den Auftrag des Apostels Paulus: „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5,17)
© Diözese Linz / Hermann Wakolbinger
Durch die (Rück-)Versetzung des restaurierten historischen Chorgestühls an seinen ursprünglichen Ort (vor dem Presbyterium) ist vor dem Hochaltar ein offener Raum entstanden, der für die Feier der Tagzeitenliturgie sowie für unterschiedliche Feiern und Andachtsformen zur Verfügung steht.
Die Prozession blieb bei der Orgel stehen, wo Bischof Manfred Scheuer die Weihe der Pflüger-Orgel vornahm, die im Zuge der Umbauarbeiten gereinigt, versetzt und neu intoniert worden war. Bischof Scheuer betete: „In dieser festlichen Stunde bitten wir dich, Herr: Gieße deinen Segen über diese Orgel aus und über alle, welche darauf zu deinem Lobe spielen, damit sie zu deiner Ehre ertöne und unsere Herzen emporhebe zu dir. Wie die vielen Pfeifen sich zu harmonischem Klang vereinen, so lass uns als Glieder deiner Kirche in gegenseitiger Liebe und Menschenfreundlichkeit verbunden sein, damit wir einst mit allen Engeln und Heiligen in den ewigen Lobgesang deiner Herrlichkeit einstimmen dürfen. Das gewähre uns durch Christus, unseren Herrn.“
Domorganist Wolfgang Kreuzhuber leitete mit einer großen Improvisation den Hymnus der Vesper ein. Es folgten Gänge zu Texten aus den Psalmen und aus dem Neuen Testament mit Bezug zu Maria.
Kirchen-Räume als „durchwachsene Wirklichkeit“
In seiner Predigt nahm Bischof Manfred Scheuer die Atmosphäre von (Kirchen-)Räumen in den Blick. Beim Betreten eines Raums sei wahrnehmbar, „was in der Luft liegt, vielleicht auch, was die Menschen, die in diesem Raum wohnen oder arbeiten, gerade getan haben, wie sie miteinander umgegangen sind“. Der „Wohlgeruch der liebenden Aufmerksamkeit“ werde dabei ebenso spürbar wie der „Bleigeruch von Spannung, Streit und Aggression“, die Last eines niederdrückenden Schweigens, das Gewicht bedrückender Einsamkeit oder gelöstes, beschwingtes Dasein. Es sei rasch zu erahnen, ob ein Raum „ein Vogelhaus, ein Treibhaus oder ein Bunker“ sei, so Scheuer. Der Bischof wörtlich: „Räume verleiblichen unsere Seele, nehmen Grundhaltungen dem Leben gegenüber auf und spiegeln sie wider. Sie drücken die Kultur oder auch die Verwahrlosung unseres Miteinanders aus.“ Dies gelte auch für die Kirche und für Kirchenräume. Wer ein Gotteshaus betrete, nehme wahr, ob Anbetung und Sammlung die Atmosphäre prägten oder ob die Kirche ein Museum sei, in dem der Mief der Vergangenheit überwiege. Die Atmosphäre eines Kirchenraums sei „geladen von Lebensfreude, Zuversicht, Trost, Gebet oder auch von Geschäftigkeit, Geld, Formalität, von Moder, Ruß und Feuchtigkeit“, betonte der Diözesanbischof.
Die existierenden Kirchen-Räume und die konkrete Kirche von Linz seien „eine höchst durchwachsene Wirklichkeit“, so Scheuer. Die Kirche sei „zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig“, wie es in Lumen gentium, der Dogmatischen Konstitution über die Kirche, heiße. Der Bischof kritisch: „Die Kirche ist durchwachsen von hohen Idealen und einem teilweise recht niederen Niveau an Nachfolge. In ihr geschieht Weitergabe des Glaubens; wir haben aber auch den Bruch von Tradition zu beklagen. Da gibt es Empörung und Gleichgültigkeit, Jubel und Dank, Motzen und Raunzen. In ihr finden wir geistliche Öde und Leerlauf, aber auch Tiefenbohrungen des Gebetes. In der Kirche gibt es Sammlungsbewegungen der Gemeinschaft, aber auch eine Vereinzelung mit Tendenzen zum Egoismus und Narzissmus.“
Die liturgische Neugestaltung des Mariendoms mache wieder bewusst, wie kostbar der gemeinsame Raum des Glaubens sei, unterstrich der Diözesanbischof. „Er beheimatet uns als Gemeinschaft und als Einzelne, mit allem, was wir mitbringen. Gott will mit seinem Sohn bei uns sein, bei dem was wir erfahren und tun. Das Haus, indem wir mit Gott ins Gespräch kommen – das Gebet –, eröffnet uns aber das Vertrauen, dass Gott in uns beheimatet sein möchte. So sind wir Haus Gottes. Es ist wie mit Liebenden, die sich gegenseitig im Herzen beheimaten und bewohnen.“ Wie Steine und Materialien von den Baumeistern zu einem Gebäude zusammengefügt werden, so sei es die Liebe, die Menschen zusammenfüge zu einer tragenden, Halt gebenden Gemeinschaft, meinte Scheuer. Der Bischof abschließend: „Wir wollen dieses Haus, das äußere und das innere, die Gemeinschaft, die Seele, den Raum und die Architektur, mit Leben erfüllen und gastfreundlich sein für die Gegenwart Gottes.“
Predigt von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Bischof Manfred Scheuer bei der Vesper am Vorabend der Altarweihe. © Diözese Linz / Hermann Wakolbinger
Nach der Predigt sprach der Bischof den Lobpreis über den Ort der Tagzeitenliturgie, das Chorgestühl: „Wir bitten dich nun, Herr, unser Gott: Gieße vom Himmel her deinen Segen aus über diesen Ort des Gebetes, an dem wir, deine Gläubigen, unsere Stimmen erheben zu dir, unserem Gott, und nachsinnen über dein Wort. Erfülle alle, die hier einstimmen in den Lobpreis deiner Herrlichkeit, mit der Kraft deines Geistes. Hilf uns, ein Leben zu führen, das deinem Namen entspricht, und begleite uns alle auf dem Weg, der uns in deiner Liebe und Barmherzigkeit ans Ziel führt.“ Danach besprengte der Bischof das Chorgestühl und die Betenden mit Weihwasser.
Nach dem Magnificat, dem Lobgesang Mariens (Lk 1,46–55), den Fürbitten und dem Vaterunser endete die Vesper mit dem bischöflichen Segen und dem gesungenen „Salve Regina“ („Sei gegrüßt, o Königin“) als Gruß an die Gottesmutter Maria, der der Mariendom geweiht ist. Zum Auszug spielten Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Pflüger-Orgel und Heinrich Reknagel an der Rudigier-Orgel ein gemeinsames Postludium.
© Diözese Linz / Hermann Wakolbinger
Weitere Bilder zur Vesper am Vortag der Altarweihe im Linzer Mariendom