Sonntag 22. Dezember 2024

Pax Christi: "Frieden in Gerechtigkeit" als ökumenisches Anliegen

„Frieden in Gerechtigkeit. Das ökumenische Friedensengagement der Kirchen und ChristInnen“, so lautete das Thema des diesjährigen Studientags von Pax Christi Österreich, zu dem Bischof Dr. Michael Bünker am 3. März 2017 in Linz referierte.

Das Jubiläum „500 Jahre Reformation“ wird erstmals ökumenisch unter Einbeziehung der römisch-katholischen Kirche begangen. Als Beitrag zum Reformationsjahr 2017 widmete Pax Christi Österreich den Studientag seiner Generalversammlung im Linzer Studierendenheim „Franz Jägerstätter“ den Themen Frieden und Gerechtigkeit sowie dem ökumenischen Friedensengagement der Kirchen und ChristInnen.


Hon.-Prof. Dr. Michael Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich und Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, ging in seinem Referat auf die vergangenen 500 Jahre ein und zog dabei mit Blick auf die in der Veranstaltung thematisierten Friedens- und Gerechtigkeitsanliegen eine ernüchternde Bilanz: Die letzten Jahrhunderte seien von zahlreichen Kriegen und von militärischerer Gewalt geprägt gewesen. Die religiösen Konflikte im Zuge der Reformation und Gegenreformation, die mit neuen Grenzziehungen und territorialen Herrschaftsansprüchen einhergingen, führten zu massenhaften Deportationen und viele Menschen mussten auch Jahre später ihr Land wegen ihrer Religion verlassen. Es gab zwar manche „Oasen der Toleranz“, in denen religiöse Vielfalt von Menschen christlichen, jüdischen und islamischen Glaubens gelebt werden konnte (z. B. Polen, Litauen, die „Siebenbürgische Toleranz“), doch insgesamt zogen die Reformationskriege die größte Völkerwanderung Europas nach sich, die nur von der Migrationsbewegung am Ende des Römischen Reiches und von den beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert mit 80 Millionen Flüchtlingen überboten wurde. Zudem trugen diese Kriege auch dazu bei, dass sich die Regierungssysteme der meisten europäischen Ländern wandelten und (wenn auch unbeabsichtigt) die Zentralisierung staatlicher Macht beförderten.

 

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker

Bischof Michael Bünker. © Alois Reisenbichler

 

Auch heute – so hielt Bischof Bünker fest – stehen wir vor zahlreichen kriegerischen Konflikten, die zudem von einem neuen Wettrüsten besonders im atomaren Bereich begleitet werden. Die Abrüstungsabkommen der 1980er werden nach und nach durchbrochen, die USA und Russland haben die Erweiterung und Modernisierung ihrer Atomwaffenprogramme angekündigt und auch europäische Länder befürworten den Ausbau einer europäischen Atommacht. Beispielhaft führte Bünker die steigenden Ausgaben für Aufrüstung an, die im Fall der NATO-Staaten 900 Milliarden Euro, für Russland „nur“ 66 Mrd. betragen. Die Erhöhung der Rüstungsbudgets der NATO-Staaten auf 2 % des BIP deutet darauf hin, dass die Länder verstärkt auf militärische Sicherheit setzen; auch das österreichische Bundesheer darf sich über eine deutliche Steigerung der Budgets „freuen“, meinte Bünker. Neben der forcierten Aufrüstung bedroht die Entwicklung völlig neuer (chemischer) Waffen und Tötungssysteme wie Drohnen den Frieden. Sie bedeuten zugleich eine Deregulierung des Krieges, indem rechtsstaatliches Normenverständnis untergraben wird und kriegerische Gewalt im rechtsfreien Raum und ohne Kontrolle stattfindet.

 

In diesem Kontext erfährt die Lehre vom gerechten Krieg, in dem ethische Kriterien sogenannte humanitäre Interventionen legitimieren sollen, eine Renaissance. Dies trifft vor allem auf die westlichen Interventionskriege zu (z. B. Irak, Kosovo, Afghanistan). Das Konzept der Schutzverantwortung („responsibilty to protect“) der Vereinten Nationen ist letztlich eine Neuauflage der Lehre vom gerechten Krieg, wenn auch unter anderem Namen.

 

Wenn heute die Kirchen in ökumenischer Absicht den Weg des gerechten Friedens gehen, so unterscheidet sich dieser Weg grundlegend vom alten Konzept des gerechten Kriegs. Gerechter Friede bedeutet allerdings mehr als den Schutz der Menschen vor ungerechtem Einsatz von Waffen und Gewalt. „Es ist notwendig, dass die Waffen schweigen, aber das genügt nicht, sondern der Frieden schließt soziale Gerechtigkeit ein, die Achtung der Menschenrechte und Sicherheit für alle. Gerechter Frieden hat eine ökologische und soziale, eine politische und ökonomische Dimension. Lediglich den Krieg zu verurteilen genügt nicht“ so Bischof Michael Bünker. Die Lehre vom gerechten Krieg habe bisher weder ungerechte Kriege verhindert noch Kriegsgewalt verringert. Zudem wird sie politischen, gesellschaftlichen sowie militärischen Entwicklungen – etwa der Möglichkeit von Massenvernichtungswaffen – nicht gerecht. Im Gegenteil fördert sie Kriege mit der Illusion einer moralisch zulässigen Kriegsführung.

 

Der im Jahr 1948 in Amsterdam gegründete Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) entzieht der bis dahin unangefochten geltenden Lehre vom gerechten Krieg theologisch wie kirchlich den Boden unter den Füßen, denn – so wurde betont – „Krieg soll um Gottes Willen nicht sein“. Dementsprechend hat sich in der Ökumene die Überzeugung durchgesetzt, dass nicht erst der Einsatz von atomaren Waffen ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellt, sondern bereits deren Herstellung, Erprobung oder ihre Androhung aus Gründen der Abschreckung (Weltkonferenz des ÖRK in Vancouver 1983). Atomare Abschreckung ist moralisch unvertretbar, weil ihre Glaubwürdigkeit darauf beruht, dass der Einsatz von Atomwaffen tatsächlich beabsichtigt ist; diese Möglichkeit steht im Widerspruch zum Glauben an Jesus Christus.

 

Wenn Kirchen den Einsatz von Waffengewalt in Extremsituationen als letzten Ausweg und zum Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen als notwendig sehen, so wird der „Einsatz von Waffengewalt in Konfliktsituationen sowohl als Zeichen schwerwiegenden Versagens wie auch als zusätzliches Hindernis auf dem Weg zu einem gerechten Frieden an[gesehen]“ (ÖRK 2011). Die Kirchen betonen damit, dass auch Einsätze humanitärer Intervention ein Ausdruck des Schuldigseins sind und nie mit gutem Gewissen erfolgen können. Deshalb kommt der Kirche primär die Aufgabe zu, sich für die Stärkung politischer Vernunft einzusetzen, die eine gewaltfreie Lösung von Konflikten und eine Zukunft in Gerechtigkeit und Frieden anstrebt.

 

Dieses Ziel bekräftigten auch Papst Franziskus und der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib A. Younan, in ihrer gemeinsamen Erklärung beim katholisch-lutherischen Reformationsgedenken am 31. Oktober 2016 in der Kathedrale von Lund: „Wir bitten Gott um Eingebung, Ermutigung und Kraft, damit wir zusammenstehen können im Dienst und so für die Würde und die Rechte des Menschen, besonders der Armen, eintreten, für die Gerechtigkeit arbeiten und alle Formen von Gewalt zurückweisen. Gott fordert uns auf, all denen nahe zu sein, die sich nach Würde, Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung sehnen. In besonderer Weise erheben wir heute unsere Stimme für ein Ende der Gewalt und des Extremismus, die so viele Länder und Gemeinschaften sowie unzählige Schwestern und Brüder in Christus betreffen. Wir fordern zur Zusammenarbeit auf, um den Fremden aufzunehmen, denen zu Hilfe zu kommen, die wegen Krieg und Verfolgung zur Flucht gezwungen zu Hilfe zu kommen, und die Rechte der Flüchtlinge und der Asylsuchenden zu verteidigen.“


Damit seien zentralen Punkte benannt, in denen sich katholische und evangelische ChristInnen heute einig sind, so Bischof Michael Bünker.

 

Maria Dammayr und Adalbert Krims / Pax Christi

 

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