"500 Jahre Reformation – Vom Gegeneinander zum Miteinander"
Die Pressekonferenz fand im Rahmen der Begegnung der österreichischen Bischofskonferenz mit Spitzenvertretern der evangelischen Kirchen am 6. November 2016 in Eisenstadt statt. Anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 wurde eine gemeinsame Erklärung der katholischen Bischofskonferenz und der evangelischen Kirchen in Österreich veröffentlicht. Die Quintessenz der Erklärung: Nur miteinander können die katholische und evangelische Kirche glaubwürdig vor der Welt den christlichen Glauben leben und den Menschen dienen.
"Wir haben Wege der Versöhnung gefunden. Das Gemeinsame ist stärker als das Trennende," so Schönborn bei der Pressekonferenz wörtlich. Katholische und Evangelische Kirche hätten Unterschiede, "aber wir sind nicht mehr Feinde", so der Kardinal. Heute könnten katholische und evangelische Christen dankbar feststellen, dass es "vom Gegeneinander zum Miteinander" gekommen sei.
Die ökumenischen Bemühungen vieler Christen hätten in vielfältiger Weise das Leben der Kirchen bereichert. "Gemeinsam sind uns die Überzeugung und der feste Wille, auf dem Weg zur Einheit voranzukommen und beharrlich an der Überwindung der letzten Hindernisse zu arbeiten", zitierte Kardinal Schönborn aus der am 6. November 2016 gemeinsam mit den evangelischen Kirchen veröffentlichten gemeinsamen Erklärung.
Wie weit das ökumenische Miteinander in Österreich schon ist, zeige beispielsweise die weltweit einzigartige Zusammenarbeit bei der Ausbildung katholischer und evangelischer Religionslehrer an der Kirchlich Pädagogischen Hochschule Wien/Krems.
Ökumene sei nicht nur eine Selbstverständlichkeit auf der Ebene der Kirchenleitungen, sondern lebe noch viel mehr von der tagtäglichen Ökumene der Gläubigen und solle noch weiter vorangetrieben werden, so der Kardinal. "Daher können wir durch die Freude am Evangelium und die gemeinsame Ausrichtung auf Jesus Christus miteinander feiern", so Schönborn unter Verweis auf die Erklärung.
Unterschiede können bereichernde Gaben sein
Bischof Bünker räumte in seinen Ausführungen auch die lange Zeit des Gegeneinanders, der gewaltsamen Auseinandersetzung und des verletzenden und missachtenden Umgang miteinander ein. Bünker: "Deutliche Schritte der Versöhnung sind gesetzt worden; Evangelische denken dabei voll Dank an die Vergebungsbitte, die Erzbischof Andreas Rohracher im Jahr 1966 hinsichtlich der Verteeibung der Protestanten 1731 aus Salzburg ausgesprochen hat."
Die Heilige Schrift sei die gemeinsame Grundlage der Kirchen. Bünker: "Heute sehen wir, dass uns mehr verbindet, als uns trennt." Es gebe Unterschiede, diese müssten aber nicht kirchentrennend sein bzw. bleiben, sagte Bünker. "Die bestehenden Unterschiede können auch als Gaben verstanden werden, die wir einander schenken, und müssen nicht länger zu gegenseitigen Verurteilungen führen."
Der gemeinsame Einsatz der Kirchen müsse in erster Linie den Verletzlichen und Schwachen gelten, "die unsere Hilfe brauchen und für die wir unsere Stimmen erheben". So würden die Kirchen einen unersetzlichen Beitrag zu einem friedlichen Zusammenleben in einer Gesellschaft leisten, die von religiöser, kultureller und politischer Vielfalt geprägt ist, sich zugleich mit dieser Vielfalt aber schwer tue. Hier müssten die Kirchen einen Beitrag zur Versöhnung leisten.
Bünker zeigte sich zudem zuversichtlich, dass es über den gemeinsamen gesellschaftlichen und sozialen Einsatz von evangelischer und katholischer Kirchen demnächst auch Fortschritte im theologischen Gespräch geben werde. So arbeite derzei der Päpstliche Einheitsrat mit der "Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa" (GEKE) an den Fragen des Amts- und Kirchenverständnisses sowie der Eucharistie.
Vorbildliche Ökumene in Österreich
Die Ökumene in Österreich zeichne sich in vielfältiger Weise aus, hielten Schönborn und Bünker fest. Der evangeliche Bischof würdigte u.a., dass die katholische Kirche in Österreich seit 1994 Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen ist, was in anderen Ländern nicht der Fall sei. Auch die starke Einbeziehung der Orthodoxie in die Ökumene - beispielsweise bei der Erarbeitung des Ökumenischen Sozialworts 2003 - sei eine österreichische Spezialität und nicht selbstverständlich.
Schönborn hob die die Vorbildfunktion Österreichs auf Ebene der Gesetzgebeung hervor. Die rechtliche Gleichstellung aller anerkannten Kirchen (und Religionsgemeinschaften) sei in vielen anderen Ländern so nicht gegeben. Dies schaffe gerade in Österreich ein Klima des gegenseitigen Vertrauens.
Die gemeinsame Pressekonferenz von Kardinal Schönborn und Bischof Bünker eröffnete die ökumenische Begegnung im Rahmen der Vollversammlung der Bischofskonferenz in Eisenstadt. Am Dienstagabend feierten die Bischöfe mit den Repräsentanten der Evangelischen Kirche A.B. und H.B sowie der Evangelisch-methodistischen Kirche einen ökumenischen Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Rust.
Das ökumenische Spitzentreffen wird am Mittwoch mit einem gemeinsamen Studientag fortgesetzt. Dabei referieren die frühere evangelische Superintendentin Luise Müller und der katholische Theologe Jozef Niewiadomski. In der Folge soll die Zusammenarbeit der Kirchen im karitativ-diakonischen Bereich, in der Bildung und in der geistlichen Ökumene vertieft werden. Der Ökumene-Teil der Bischofskonferenz endet mit einem gemeinsamen Fototermin um 12.30 Uhr im Haus der Begegnung.
O-Töne von der Pressekonferenz sind unter www.kathpress.at/audio abrufbar.
Bischof Michael Bünker (l.) und Kardinal Christoph Schönborn bei der gemeinsamen Erklärung der katholischen Bischofskonferenz und der evangelischen Kirchen in Österreich. © epdö / Marco Uschmann
Gemeinsame Erklärung zum Reformationsjubiläum
Die Erklärung trägt den Titel "500 Jahre Reformation - Vom Gegeneinander zum Miteinander" und will ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den Kirchen aufschlagen. In der Erklärung werden die gegenseitigen Verfehlungen der Kirchen in der Vergangenheit benannt, die großen Fortschritte in den ökumenischen Beziehungen gewürdigt und die gemeinsame Verpflichtung für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt in den Blick genommen.
2017 sei das erste Reformationsjubiläum im ökumenischen Zeitalter, denn auf dem Weg zueinander seien große Fortschritte gemacht worden, heißt es. Wörtlich halten die Kirchen fest: "Dankbar blicken wir auf die Ergebnisse der zahlreichen ökumenischen Dialoge, das mittlerweile selbstverständliche Miteinander evangelischer und katholischer Christinnen und Christen in Gemeinden und Familien und auf die vielen Möglichkeiten, gemeinsam unseren christlichen Glauben zu feiern, ihn in der Welt zu bezeugen und damit den Menschen zu dienen. Wir sehen, dass wir einander brauchen und nur miteinander in glaubwürdiger Weise den Reichtum der Gnade Gottes, aus der die Kirche lebt und für die die Kirche steht, vor der Welt leben können."
In vielfältiger Weise hätten sich die Kirchen bereits gegenseitig bereichern können. "Gemeinsam sind uns die Überzeugung und der feste Wille, auf dem Weg zur Einheit voranzukommen und beharrlich an der Überwindung der letzten Hindernisse zu arbeiten", halten die Kirchen fest und weiter: "Dass uns bereits heute mehr verbindet und einigt, als uns noch trennt, ist ein weiterer Grund zur Dankbarkeit und ein Anlass, darum zu bitten, dass uns die Verwirklichung der Einheit geschenkt werde."
Einsatz für Notleidende und Schutzsuchende
Die Kirche sei "Werkzeug des dreieinigen Gottes für das verheißene Reich des Friedens und der Gerechtigkeit" und zugleich schon hier und jetzt ein sichtbares Zeichen für die Wahrheit dieser Verheißung, heißt es in der Erklärung weiter. Diese Überzeugung lasse die katholische und evangelischen Kirche auch gemeinsam für das friedliche Zusammenleben der Menschen in Österreich eintreten, das durch zunehmende Vielfalt geprägt ist.
Wörtlich halten die Kirchen fest: "Die Botschaft von der freien Gnade und Barmherzigkeit Gottes und von Gottes Ja zu jedem Menschen ist angesichts der heutigen Herausforderungen von besonderer Aktualität. Sie ermutigt uns, gemeinsam für Notleidende und Schutzsuchende einzutreten und die Kräfte der Menschlichkeit zu stärken." Der gemeinsame Einsatz der Kirchen für den Nächsten gebe auch dem politischen Gemeinwesen Orientierung für zukünftiges Handeln.
Gegenseitige Unterdrückung
Die Kirchen räumen in der Erklärung allerdings auch ein, dass nicht alles eitel Wonne ist. Während für die evangelischen Kirchen "500 Jahre Reformation" ein Jubiläum ist, das in gebührender Weise gefeiert werden soll, stelle es für die römisch-katholische Kirche einen Anlass zum Gedenken an die Spaltung der abendländischen Kirche dar, heißt es. Aber: "Durch die Besinnung darauf, dass keine der damaligen Konfliktparteien eine Spaltung der Kirche beabsichtigt hatte und insbesondere durch die Einsicht, dass es in der Reformation trotz aller politischen, gesellschaftlichen und biographischer Faktoren, die eine Rolle spielten, um das Evangelium als verpflichtenden Maßstab und als Kraft zur Erneuerung gegangen ist, wurde ein gemeinsamer Weg möglich: Die Freude am Evangelium und die gemeinsame Ausrichtung auf Jesus Christus können wir miteinander feiern."
Die Konfessionalisierung, die mit der Reformation einsetzte, habe es mit sich gebracht, "dass die eigene Identität als Kirche viel zu oft durch Abwertung der anderen und durch Abgrenzung von ihnen bewahrt wurde", gestehen die Kirchen ein. Dies sei bis zu gegenseitiger Unterdrückung, Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung gegangen, vor allem in den Religionskriegen, "die sich unauslöschlich im kollektiven Gedächtnis Europas und unserer Kirchen eingegraben haben".
Dankbar seien Evangelische in Österreich für die Bitten um Vergebung von katholischer Seite für das in der Vergangenheit geschehene Unrecht. Die evangelischen Kirchen hätten ihrerseits um Vergebung gebeten, insbesondere gegenüber den Baptisten und Mennoniten als den Nachfahren der im Reformationszeitalter blutig verfolgten Täuferbewegungen.
Wörtlich heißt es in der Erklärung: "Wir bedauern das Unrecht, dass wir einander getan haben. Heute nehmen wir die Verantwortung für die schuldbeladene Geschichte wahr und hören aufeinander. Wir wissen uns als Kirchen zu Umkehr und Buße gerufen und suchen nach Wegen der Versöhnung aus dem Geist des Evangeliums."
"Kathpress dokumentiert den Text der Erklärung im vollen Wortlaut:
500 Jahre Reformation - Vom Gegeneinander zum Miteinander
Erklärung der Katholischen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirchen in Österreich in Vorbereitung auf das Jahr 2017
I
Die 95 Thesen, die Martin Luther Ende Oktober 1517 veröffentlichte, werden weltweit zum Anlass genommen, das Jahr 2017 unter die Überschrift "500 Jahre Reformation" zu stellen. Während es für die Evangelischen Kirchen ein Jubiläum ist, das in gebührender Weise gefeiert werden soll, stellt es für andere, insbesondere die Römisch-Katholische Kirche, einen Anlass zum Gedenken an die Spaltung der abendländischen Kirche dar. Durch die Besinnung darauf, dass keine der damaligen Konfliktparteien eine Spaltung der Kirche beabsichtigt hatte und insbesondere durch die Einsicht, dass es in der Reformation trotz aller politischen, gesellschaftlichen und biographischer Faktoren, die eine Rolle spielten, um das Evangelium als verpflichtenden Maßstab und als Kraft zur Erneuerung gegangen ist, wurde ein gemeinsamer Weg möglich: Die Freude am Evangelium und die gemeinsame Ausrichtung auf Jesus Christus können wir miteinander feiern.
II
Die Konfessionalisierung, die mit der Reformation einsetzte, brachte es mit sich, dass die eigene Identität als Kirche viel zu oft durch Abwertung der anderen und durch Abgrenzung von ihnen bewahrt wurde. Dies ging bis zu gegenseitiger Unterdrückung, Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung, vor allem in den Religionskriegen, die sich unauslöschlich im kollektiven Gedächtnis Europas und unserer Kirchen eingegraben haben. Dankbar sind Evangelische in Österreich für die Bitten um Vergebung für das in der Vergangenheit geschehene Unrecht, wie sie etwa der Salzburger Erzbischof Andreas Rohracher im Jahr 1966 unter dem Eindruck des Zweiten Vatikanischen Konzils erstmalig ausgesprochen hat. Die Evangelischen Kirchen haben ihrerseits um Vergebung gebeten, insbesondere gegenüber den Baptisten und Mennoniten als den Nachfahren der im Reformationszeitalter blutig verfolgten Täuferbewegungen. Wir bedauern das Unrecht, dass wir einander getan haben. Heute nehmen wir die Verantwortung für die schuldbeladene Geschichte wahr und hören aufeinander. Wir wissen uns als Kirchen zu Umkehr und Buße gerufen und suchen nach Wegen der Versöhnung aus dem Geist des Evangeliums.
III
2017 ist das erste Reformationsjubiläum im ökumenischen Zeitalter. Auf dem Weg zueinander sind große Fortschritte gemacht worden. Dankbar blicken wir auf die Ergebnisse der zahlreichen ökumenischen Dialoge, das mittlerweile selbstverständliche Miteinander evangelischer und katholischer Christinnen und Christen in Gemeinden und Familien und auf die vielen Möglichkeiten, gemeinsam unseren christlichen Glauben zu feiern, ihn in der Welt zu bezeugen und damit den Menschen zu dienen. Wir sehen, dass wir einander brauchen und nur miteinander in glaubwürdiger Weise den Reichtum der Gnade Gottes, aus der die Kirche lebt und für die die Kirche steht, vor der Welt leben können. In vielfältiger Weise haben wir einander in unserem Leben als Kirchen bereichern können. Gemeinsam sind uns die Überzeugung und der feste Wille, auf dem Weg zur Einheit voranzukommen und beharrlich an der Überwindung der letzten Hindernisse zu arbeiten. Dass uns bereits heute mehr verbindet und einigt, als uns noch trennt, ist ein weiterer Grund zur Dankbarkeit und ein Anlass, darum zu bitten, dass uns die Verwirklichung der Einheit geschenkt werde.
IV
Wenn die Christen heute gemeinsam ihr Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums ablegen, leisten sie zugleich einen Beitrag für den Zusammenhalt der Menschheit. Die Kirche ist Werkzeug des dreieinigen Gottes für das verheißene Reich des Friedens und der Gerechtigkeit und zugleich schon hier und jetzt ein sichtbares Zeichen für die Wahrheit dieser Verheißung. Diese Überzeugung lässt uns auch gemeinsam für das friedliche Zusammenleben der Menschen in Österreich, das durch zunehmende Vielfalt geprägt ist, eintreten. Die Botschaft von der freien Gnade und Barmherzigkeit Gottes und von Gottes Ja zu jedem Menschen ist angesichts der heutigen Herausforderungen von besonderer Aktualität. Sie ermutigt uns, gemeinsam für Notleidende und Schutzsuchende einzutreten und die Kräfte der Menschlichkeit zu stärken. Unser gemeinsamer Einsatz für den Nächsten gibt auch dem politischen Gemeinwesen Orientierung für zukünftiges Handeln. Auf diesem Weg haben wir uns mit den Kirchen der Ökumene durch die "Charta Oecumenica" (2001) und das "Ökumenische Sozialwort" (2003) aneinander gebunden und miteinander verbunden.
V
Die Reformation hat der Heiligen Schrift eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Heute halten wir dankbar gemeinsam fest: Das in der Heiligen Schrift bezeugte Wort Gottes ist die entscheidende Orientierung für das Gottes- und Menschenverständnis. Es ist die Quelle aller Wahrheit des Glaubens und Lebens in der Kirche. Für unser Miteinander sei uns ein Wort des Apostels Paulus Ermutigung und Verpflichtung zugleich: "Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist" (Epheser 4,2-6).
Lesen Sie auch: Schönborn und Bünker: Hindernisse in Ökumene überwinden