Der Handel mit der Ware Mensch
Seit drei Jahren engagiert sich Schwester Maria Schlackl vom Orden der Salvatorianerinnen aktiv gegen Menschenhandel in Oberösterreich. Bei der dritten Großveranstaltung zu diesem Thema wurde der Blick bewusst geweitet, um auf die Situation im Osten der EU aufmerksam zu machen und jene Initiativen vorzustellen, die für mehr Menschenwürde eintreten. Rund 200 VertreterInnen verschiedenster sozialer, politischer und kirchlicher Einrichtungen und Organisationen sowie private Interessierte nahmen an der Veranstaltung am 17. Oktober 2016 im Großen Saal des Linzer Ursulinenhofs teil.
Profitabler Menschen-Handel
Der Umsatz mit der Ware Mensch wird auf jährlich 32 Mrd. US-Dollar geschätzt. Pro Jahr werden laut Informationen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) rund 2,4 Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel. Sexuelle Ausbeutung ist dabei das Hauptmotiv, gefolgt von Zwangsarbeit. Die Initiative von Sr. Maria Schlackl fokussiert sich vor allem auf jene Frauen und Mädchen, die durch Menschenhandel und unter Zwang in ausbeuterischen Abhängigkeitsverhältnissen in der Prostitution in Oberösterreich arbeiten müssen.
Bewusstseinsbildung gefragt
In seinem Grußwort bedankte sich Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer ausdrücklich für die Initiative und gab zu, dass „Veranstaltungen wie diese anklagen. Sie klagen an, dass wir im Europa des 21. Jahrhunderts noch nicht ausreichend in der Lage sind, der Konvention der UN gegen den Menschenhandel aus dem Jahre 1949 zum Durchbruch zu verhelfen“.
Veronika Pernsteiner M. A., die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, verwies auf den Armutshintergrund bei jenen Frauen, die in Österreich in der Prostitution tätig sind. Viele von ihnen haben einen Migrationshintergrund. „Die Mehrzahl der Frauen, die in Österreich in der Prostitution tätig sind, sind dorthin gehandelt worden.“ Unverständlich ist für Pernsteiner auch, dass Prostitution eine der wenigen offiziell erlaubten Tätigkeiten für Asylwerberinnen ist.
Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer forderte bei der Veranstaltung mehr Bewusstseinsbildung, „gerade bei den Männern, dass sie massiv jede Form von Gewalt an Frauen und Kindern ablehnen. Es braucht Bewusstseinsbildung, dass Sex nicht etwas Käufliches ist. Und es geht um Bewusstseinsbildung in allen Kreisen der Bevölkerung, wie man mit jenen in Beziehung und Kontakt kommen kann, deren Würde zertreten worden ist.“
Statement von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Blick nach Rumänien
Über die Situation in Rumänien berichtete Sr. Adina Balan CJ von SOLWODI Bukarest. Nach aktuellen Erhebungen leben in Rumänien 80.200 Personen in Sklaverei. Die sexuelle Ausbeutung ist dabei die Hauptform des Menschenhandels. Die Ursachen für den Menschenhandel sieht Sr. Balan vor allem in der Armut und den fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten. Menschenhändler mit scheinbar verlockenden Angeboten haben hier leichtes Spiel. Da vielfach die Familien der Betroffenen dem Menschenhandel zugestimmt haben, ist die Chance auf eine Rückkehr in die Familie meist nicht realistisch.
Sicht der Wirtschaftsethik
Univ.-Prof. Dr. Christian Spieß, Professor der Christlichen Sozialwissenschaften an der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz, suchte einen wirtschaftsethischen Zugang zum Thema. Die Wirtschaft sei aus sich selbst heraus nicht in der Lage, ein menschenwürdiges Leben für alle zu gewährleisten. Es benötige auch politischen Einfluss, um der Wirtschaft entsprechende Ziele vorzugeben, so Spieß. Denn Wettbewerb bringe zwar Produktivität hervor, verdränge aber auch die kleineren und schwächeren MarktteilnehmerInnen. Die Politik habe allerdings in diesem Feld auch nur begrenzte Möglichkeiten, schränkte Spieß ein.
Eine Möglichkeit sieht Prof. Spieß in einer Entkriminalisierung und Regulierung in der freiwilligen Erbringung von sexuellen Dienstleistungen. Er vertritt die Auffassung, „dass Menschenhandel und sexuelle Gewalt im Bereich der Prostitution besser unterbunden werden kann, wenn es einen akzeptieren Bereich legaler sexueller Dienstleistungen gibt“.
Europäische Zusammenschau
Die Europa-Parlamentarierin Maria Noichl aus Deutschland brachte in die Diskussion den gesamteuropäischen Kontext ein. Eines der Grundprobleme sieht Noichl darin, dass die EU oder generell die nördliche Halbkugel auf Kosten der südlichen Halbkugel lebt. Innerhalb der EU hat sich die Situation durch die Osterweiterung verschärft. „Diese Länder waren für viele der ersehnte Markt für unsere Produkte, die unsere Volkswirtschaften anheizen sollten. Doch jetzt merken wir, dass die Spaltung immer, immer größer wird“, so Noichl.
Kein gutes Haar ließ sie an der These von Prof. Spieß bezüglich der Entkriminalisierung. „Prostitution passt nicht zu unseren Werten, und das kann man auch nicht legal machen. Es gibt für mich auch keine Sexarbeit, weil es keine normale Arbeit ist … Eine Gesellschaft darf den Ausverkauf des Leibes niemals dulden.“
Vernetzung in andere Bereiche
In den letzten drei Jahren der Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel in OÖ“ wurden auch Kooperationen zu anderen Bereichen gesucht. Ingrid Gumpelmaier-Grandl vom Modelabel Fairytale berichtete über die Ausbeutung von Arbeitskräften in der Textilindustrie. Sie sieht in ihrem Modelabel auch Bewusstseinsbildung verwirklicht. Die KonsumentInnen entscheiden über Angebot und Nachfrage und somit auch über die Lebensbedingungen der ArbeiterInnen.
Ausblick auf 2017
Mit der 3. Großveranstaltung der Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel in OÖ“ wird das bisherige Format der Veranstaltungen beendet. Die Initiative wird aber weiterhin tätig sein und will den 18. Oktober, den „Europäischen Tag gegen Menschenhandel“, tiefer im Bewusstsein verankern. Ein weiterer Schwerpunkt wird bei Informationsveranstaltungen im schulischen Bereich liegen. Geplant ist auch ein jährlicher runder Tisch, um das Netzwerk der Engagierten zu stärken.
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Veranstalterin: Salvatorianerinnen
Informationen: Sr. Maria Schlackl SDS, maria.schlackl@salvatorianerinnen.at, Tel: 0664/936 95 12