Kunst trifft Kirche: Höhenrausch auf den Spuren der Engel
Für die einen sind sie unsichtbare Wesen, die vor Unheil schützen und bewahren. Für andere sind sie Menschen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, die "der Himmel geschickt hat". Wieder andere nehmen sie als innere Stimme wahr, die den Weg weist und Klarheit schafft. Engel sind wichtige Begleiter im Leben vieler Menschen.Engel gibt es in Christentum, Judentum und Islam. Sie verbinden aber auch darüber hinaus: Menschen, die an Gott glauben, haben genauso einen Engel-Bezug wie Esoterik-AnhängerInnen. Die Zugänge sind unterschiedlich, gleich ist die dahinter liegende Sehnsucht: behütet, beschützt und begleitet zu sein von einer liebevollen, wohlmeinenden Macht.
Engel. © Nora Leitl
Engel und ihre Widersprüchlichkeit
Engel haben Hochkonjunktur - die Beliebtheit von Engel-Magazinen, Engel-Karten, Schutzengel-Figuren und Engel-Büchern spricht eine deutliche Sprache. Von 21. Mai bis 16. Oktober setzt sich der Höhenrausch auf künstlerisch-vielfältige Weise mit dem Thema "Andere Engel" auseinander. Warum heuer ausgerechnet dieses Thema gewählt wurde, begründet Martin Sturm, Künstlerischer Leiter des OÖ. Kulturquartiers, so:
"Zum ersten haben Engel offensichtlich etwas mit der Höhe zu tun - man könnte sogar sagen, sie sind ideale Bewohner des Höhenrausches. Sie sind so etwas wie die Fortsetzung der Vögel vom letzten Jahr - und sie haben mehr mit den Vögeln gemeinsam als nur die Flügel, wenn man etwa an die Brieftaube denkt, die auch Botschaften überbringt. Zum Zweiten sind Engel ein Thema, bei dem wir die BesucherInnen des Höhenrausches sehr gut abholen können - denn jeder Mensch in unserem Kulturkreis hat eine Meinung dazu, eine bestimmte Vorstellung davon, eine Erinnerung daran. Dadurch entsteht ein Resonanzraum, in dem sich die BesucherInnen wiederfinden und einen emotionalen Bezug zum Thema herstellen können - das ist für die Erlebnisqualität sehr wichtig. Zum Dritten sind Engel auch eine Erfindung der Kunst - ihre Gestalt und ihr Aussehen haben sie erst durch die Kunst gewonnen, denn die Engel in der Bibel haben keine wirkliche Gestalt, sie nehmen unterschiedliche Erscheinungsformen an. Ihr wichtigstes Attribut, die Flügel haben sie erst seit dem 5. Jahrhundert. Die Kunst beschäftigt sich sehr stark mit der Ambivalenz, der Widersprüchlichkeit der Engel. In der Ausstellung wollen wir unterschiedliche Sichtweisen auf die Engel einander gegenüberstellen und die unterschiedlichen Zugänge erlebbar machen."
Martin Sturm, Künstlerischer Leiter des OÖ. Kulturquartiers. © Diözese Linz / Appenzeller
Die Ausstellung beginnt mit einer Versammlung von Alltagsengeln, wie sie aus dem täglichen Leben bekannt sind. In den Dachböden lernen die BesucherInnen fremde Engel kennen. In der Ursulinenkirche überraschen bekannte und unbekannte biblische Engel. Auf dem Kunstparcours durch das OK zeigen sich mediale Engel als Doppelgänger, Zwilling, Schatten oder Spiegelbild. Ein eigenes Engelamt ruft die vielfältigen Tätigkeiten und Funktionen von Engeln in Erinnerung. Der voestalpine open space wird zum Spiegelraum. Auf dem Parkdeck der Raiffeisen Garage wächst ein botanischer Engelgarten, während große Klangobjekte neben einem Engelkino das Passage-Dach zum Schwingen bringen. Zeitgenössische Kompositionen verwandeln den Keine Sorgen Turm in eine vokale Himmelsstiege.
© Diözese Linz / Appenzeller
60 KünstlerInnen, ungewöhnliche Orte und eine kirchliche "Engel-Lounge"
Mit einer Beteiligung von 60 KünstlerInnen ist der Höhenrausch auch ein Festival für internationale Gegenwartskunst. In 38 Kunstprojekten wird das Engel-Thema auf überraschende und hintergründige Weise beleuchtet. Höhenrausch-Verantwortlicher Sturm: "Es ist uns wichtig, das Thema mit allen Sinnen zu vermitteln. Dabei spielen auch die atmosphärischen Räume eine große Rolle, die ja bis zu den Dächern der Linzer Innenstadt reichen." Der Parcours des heurigen Höhenrauschs wurde erweitert und umgestellt - er ist der längste aller bisherigen "Höhenräusche" und bezieht sowohl das Dachgeschoß des Ursulinenhofs als auch die Ursulinenkirche auf besondere Weise mit ein.
Die Diözese Linz war als Kooperationspartnerin in die inhaltliche Planung einbezogen. Hauptgesprächspartner war Bischofsvikar Dr. Johann Hintermaier. Die Diözese Linz ist sichtbar in den Höhenrausch eingebunden: zum einen mit Führungen von ExpertInnen des Bibelwerks Linz zum Thema "Biblische Engel" in der Ursulinenkirche, zum anderen mit einer "Engel-Lounge" auf dem Parkdeck, die zum Verweilen, zum Gespräch und zur Engel-Spurensuche einlädt.
Freude an der Zusammenarbeit: Bischofsvikar Dr. Johann Hintermaier (Diözese Linz) und Martin Sturm (Künstlerischer Leiter Oö. Kulturquartier). © Diözese Linz / Appenzeller
Biblische Engel in der Ursulinenkirche - und was sie mit Fußball zu tun haben
Biblische Engel sind Überbringer von Gottes Botschaften, erscheinen in Träumen, gehen voran oder stellen sich auch einmal in den Weg oder ermutigen zum Weitergehen. In der Bibel gibt es kein eigenes Wort für sie. Ihrem Namen nach sind sie „Boten“ Gottes (hebräisch mal’ak, griechisch angelos, lateinisch angelus). Sie stehen also nie für sich selbst, sondern verweisen auf die Größe und Einzigartigkeit Gottes. Durch sie wird seine Nähe, Fürsorge und liebevolle Zuwendung zu den Menschen spürbar. Oder mit den Worten von Martin Sturm: "Die Engel sind nicht die Mittelfeld-Dirigenten, sondern die Wasserträger - sie haben in jedem Team eine wichtige Aufgabe. Sie schießen vielleicht den vorletzten Pass, aber sie haben nicht das Tor. Das heißt, sie haben eine kommunikative Aufgabe: Sie überbringen den Ball, überbringen die Botschaft zwischen Instanzen."
Die Aufgaben der Engel in den biblischen Erzählungen sind vielfältig, weisen aber immer auf das gleiche Ziel: Engel wollen „Entdeckungshelfer“ sein auf der Suche nach gelingendem Leben.
Führungen von ExpertInnen des Bibelwerks in der Linzer Ursulinenkirche laden dazu ein, die Aufgaben und Funktionen biblischer Engel anhand der Engel in der Ursulinenkirche kennenzulernen. Vielfalt ist garantiert - allein das Hochaltarbild von Martino Altomonte zeigt rund 100 Engel, in der gesamten Kirche sind es etwa 400.
Führungen finden jeden Mittwoch um 11 Uhr statt und dauern ca. 50 Minuten. Sonderführungen für Gruppen können beim Bibelwerk angefragt werden.
Alle Infos zu den Führungen "Biblische Engel"
Plaudernde Engel in der Ursulinenkirche. © Otto Saxinger
Neue Perspektiven auf den Innenraum der Ursulinenkirche
Einen Abstecher in die Ursulinenkirche machen, ohne sie von der Landstraße aus zu betreten - das ermöglicht ein "Balkon", der speziell für den Höhenrausch in die Ursulinenkirche "eingebaut" wurde. Es handelt sich dabei um eine Holzkonstruktion, die vom Ursulinenhof über 75 Stufen nach oben direkt in die Ursulinenkirche führt. Der Balkon eröffnet einen spektakulären Blick aus 15 Metern Höhe auf den Innenraum der Kirche.
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Johann Hintermaier vor der Schwelle zum Balkon, der in die Ursulinenkirche führt. © Diözese Linz
Gefallene Engel: Den Himmel verloren
Hochmut kommt vor dem Fall: In frühjüdischen Texten und im Neuen Testament ist die Vorstellung von einem Engel verbreitet, der sich gegen Gott auflehnt und dessen Stelle einnehmen möchte. Er und seine Verbündeten werden mit der Vertreibung aus dem Himmel bestraft. Dieser „gestürzte Engel“ wird häufig mit Luzifer bzw. Satan in Verbindung gebracht, von dem es im Lukas-Evangelium heißt, dass ihn Jesus vom Himmel fallen sah. Satan ist aber kein ebenbürtiger Gegenspieler Gottes – Gott steht unangefochten an der Spitze. In der Offenbarung des Johannes steht symbolisch für den gestürzten Engel ein fürchterlicher Drache, der aber vom Erzengel Michael und seinen Engeln bekämpft und besiegt wird. Denn, so die christliche Hoffnung: Letztlich siegt immer das Gute.
In der Linzer Ursulinenkirche ist ein solcher gefallener Engel zu sehen: die Installation "Fallen Angel" des in der Sowjetunion geborenen, heute in den USA lebenden Künstlerehepaars Ilya und Emilia Kabakov.
"Fallen Angel" von Ilya und Emilia Kabakov. © Diözese Linz
Engel-Lounge: Ruheort und Begegnungszone
Den Höhenrausch-Verantwortlichen war es ein Anliegen, der Katholischen Kirche in Oberösterreich auch außerhalb der Ursulinenkirche Raum zu geben. Nun gibt es auf dem Parkdeck die sogenannte "Engel-Lounge". Dieser gemütlich gestaltete Bereich, der in Anspielung auf das diözesane Logo in Gelb die Silhouette des Linzer Mariendoms zeigt, lädt zum Innehalten und Ausruhen ein. Beim Blättern in einem kunstvoll gestalteten Magazin erfährt man Wissenswertes über (biblische) Engel. Auch die Sonderausgabe der Kirchenzeitungs-Beilage "inpuncto", die unter dem Thema "beflügelt" steht, macht Lust auf Schmökern und Nachlesen.
Johann Hintermaier schmökert im eigens gestalteten Magazin. © Diözese Linz
Einander zum Engel werden
Auch Menschen können einander zum Engel werden - durch ein liebes Wort oder ein Lächeln, durch tatkräftige Hilfe, durch Zuhören und Verstehen, durch Da-Sein und Mitfühlen. Manchmal ist ein "Ich denke an dich" genau das, was ein Mensch gerade braucht. Engel bringen und vermitteln göttliche Botschaften - gerade der Engel Gabriel ist ein Überbringer von guten Nachrichten. Die Postkarten, die in der Engel-Lounge aufliegen, warten darauf, mit einer guten Nachricht, mit einigen netten Worten an liebe Menschen in den Briefkasten geworfen zu werden. Bischofsvikar Johann Hintermaier: "So können wir auch zum Engel werden - indem wir jemandem sagen: 'Du bist mir wichtig', 'Ich denke an dich', 'Danke, dass es dich gibt'. Damit wird deutlich: Engelsbotschaften sind keine Theorie, sondern werden Wirklichkeit. Sie sind nicht vom Leben losgelöst, sondern wirken ins Leben hinein."
"Von Engeln berührt"
Bischofsvikar Johann Hintermaier war es wichtig, in der Engel-Lounge auch eine Begegnungs- und Gesprächsmöglichkeit zu schaffen. Jeden Mittwoch von 15.00 bis 16.30 Uhr bieten diözesane MitarbeiterInnen unter dem Motto "Von Engeln berührt" abwechselnd Gesprächsrunden und Wanderlesungen an (keine Anmeldung nötig, Treffpunkt: Parkdeck).
Weitere kirchliche Angebote rund um den Höhenrausch
Kombiführung Mariendom - Höhenrausch
Dieses Ticket ist beim DomCenter erhältlich. Die Führung im Linzer Mariendom nimmt zunächst speziell die Mariendom-Engel in den Blick und geht dann beim Höhenrausch weiter. (Dauer der Kombiführung: ca. 2 Stunden).
© Diözese Linz / Appenzeller
Stadtführungen "Triff (d)einen Engel"
Mit Austrian Guide Theresa Stampler können Interessierte bei einer Linz-Führung Engel mit ihrem kunsthistorischen, theologischen und spirituellen Hintergrund, aber auch ihre zeitgenössische, politische und persönliche Relevanz entdecken.
Termine:
3. Juni, 1. Juli, 9. September und 14. Oktober, jeweils 17.00 Uhr und
nach Vereinbarung (ab 8 Personen).
Dauer: 1,5 Stunden. Kosten: EUR 10,00 pro Person.
Kontakt: 0699 18 23 10 66
... und vieles mehr
Viele Diözesane Einrichtungen haben Veranstaltungen zum Höhenrausch geplant. Urbi@Orbi und andere Bildungseinrichtungen bieten ein themenbezogenes Programm.
Mehr über Engel unter www.dioezese-linz.at/engel