Asyl: Frauenbewegung kritisiert fehlende Verteilungsgerechtigkeit
Der Eindruck, die Aufnahmekapazität sei am Ende, mehr noch, "dass Flüchtlinge Österreichern im Kampf um existenzielle Chancen verdrängen könnten", entspreche nicht der Realität, sondern sei Folge einer falschen Verteilungspolitik zwischen Arm und Reich und innerhalb der einzelnen EU-Länder, betonte kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner am Dienstag, 15. März 2016 in einer Aussendung. Die Flüchtlinge würden so zu "Indikatoren der Entsolidarisierung" innerhalb Europas und Österreichs.
"Österreich ist reich, die Sicherung der Existenz der Menschen, die hier leben, ist eine Frage der Verteilung", so Pernsteiner. Dem im Weg stünden "aufgeschobene Reformen, ein Bildungssystem, das sozial undurchlässig bleibt, zunehmend mehr Menschen, die von ihrer Erwerbsarbeit nicht mehr leben können, ein Wohnungsmarkt, der Spekulanten und gewinnorientierten Investoren überlassen wird und dazu ein Steuersystem, das keine ausreichend umverteilende Wirkung zeigt". Gewinner einer solchen neoliberalen, an Gewinnmaximierung statt Bedarfsdeckung ausgerichteten Grundordnung, die die Kluft zwischen Arm und Reich vorantreibe, seien politisch rechts orientierte Kräfte.
Pernsteiner forderte eine gerechtere Vermögenssteuer in Österreich, ein Konjunkturpaket zur Schaffung von dringend notwendigen Arbeitsplätzen im Bereich von Pflege und Betreuung und die Einführung von Abgaben für leer stehenden Wohnraum. Maßnahmen wie diese würden ermöglichen, den grundlegenden Bedarf einer auch wachsenden Bevölkerung zu decken.
Dass etwa umstandslos und sofort alle 90.000 Flüchtlinge des Jahres 2015 mit einer Unterkunft versorgt werden könnten, untermauert die kfbö mit einer Darstellung der Interessengemeinschaft Architekturschaffender, derzufolge bis zu 400.000 Wohnungen aktuell auf dem österreichischen Markt leer stehen. 500 davon seien im öffentlichen Besitz und könnten sofort bezogen, weitere 300 nach Adaptierungsarbeiten als Notunterkünfte genutzt werden. "Rein rechnerisch kann demzufolge zum gegenwärtigen Zeitpunkt jeder Flüchtling mit einer eigenen Wohnung ausgestattet werden", so Pernsteiner.
Dass die Aufnahme einer größeren Anzahl von Flüchtlingen durchaus machbar sei, zeige auch die Vergangenheit: Pernsteiner kritisierte die "Verdrängung etwa der Tatsache, dass 180.000 Menschen aus Ungarn 1956 in Österreich Aufnahme gefunden haben, 162.000 Menschen aus der Tschechoslowakei nach dem Prager Frühling und 90.000 infolge des Jugoslawien-Kriegs Anfang der 1990er-Jahre."
Veronika Pernsteiner. © Sabine Kneidinger
EU: Fokussierung auf das Machbare
Eine stärke Fokussierung auf das Machbare wünscht sich die kfbö auch auf EU-Ebene. In der kfbö-Aussendung ist Rede von "legalen Einreisewegen für Schutzsuchende, etwa mittels Resettlement, humanitären Aufnahmeprogrammen, erweiterten Familienzusammenführungen oder Visaliberalisierungen". Oberste Priorität habe der Schutz von Menschen in Not, stellte sich Pernsteiner hinter die Erklärung hochrangiger Vertreter der Theologischen Fakultäten sowie der katholischen Kirche, die am 9. März mit diesem Appell an die Öffentlichkeit gegangen sind. "Alle politischen Anstrengungen sollten jetzt darauf gerichtet sein, einen gemeinsamen, europäischen Weg ... zu finden", heißt es in der Erklärung. Eine "Politik kurzfristiger nationaler Interessen und einseitiger Maßnahmen", die eine Schwächung der EU riskiere, sei "nicht zukunftsfähig."
Kritisch äußerte sich die kfbö auch zum Soloweg Österreichs. "Statt das Ringen um europäische Lösungen durchzutragen und solidarisch auf eine Einigung auf EU-Ebene hinzuarbeiten, ist die österreichische Regierung ausgeschert", kritisierte Pernsteiner: "Obergrenzen, Zäune, gesonderte Verhandlungen mit den Balkanländern, um Fluchtrouten zu schließen, sind Stationen auf einem Weg der Abschottung, der Verteidigung der 'Festung Europa', wie die Innenministerin offen bekennt."
Damit, sowie mit der geplanten Verschärfung des Asylgesetzes, das vor allem im Bereich subsidiär Schutzberechtigter eine Einschränkung bestehender Ansprüche und Rechte vorsieht, wende sich Österreich von europäischen Grundrechten ab, stelle die Achtung von Menschenrechten und die Förderung der Integration von Flüchtlingen zur Disposition.
Hilfsbereitschaft ungebrochen
Das "ungebrochene, ermutigende Engagement eines großen Teils der Bevölkerung" für Flüchtlinge sei zwar aus dem Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten, erklärte Pernsteiner: "Aber es gibt diese Menschen, in der Zivilgesellschaft, in den Kirchen, wie es sie auch 1956, 1986 und Anfang der 90er-Jahre in Österreich gegeben hat. Es ist eine politische Entscheidung, diese Kräfte zu stärken oder sie öffentlicher Verharmlosung oder gar Häme - Stichwort 'Gutmenschen' - preiszugeben."
Die kfbö unterstützt den Aufruf der "Plattform für eine menschenwürdige Asylpolitik", am 19. März für dieses Anliegen öffentlich einzutreten. In Wien startet eine Demonstration unter dem Motto "Flüchtlinge willkommen! Nein zur Festung Europa" um 13 Uhr am Karlsplatz.