Dienstag 11. März 2025

Wer Ängste vor den Flüchtlingen hat, verdient unsere Aufmerksamkeit

Bischofsvikar für Caritas und Integration Dr. Maximilian Mittendorfer

Dass so viele Menschen vor Krieg und Terror bis vor unsere Haustür flüchten, lässt nicht kalt. Eine Ermutigung des Bischofsvikars für Caritas und Integration, Mag. Maximilian Mittendorfer.

Aufgrund der aktuellen Geschehnisse rund um Asylsuchende und durchziehende Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunft sind zahllose Pfarrgemeinden, Caritas, KA, pastorale Dienste, Bildungshäuser, diverse kirchliche Gruppen und viele einzelne ChristInnen humanitär engagiert oder einfach betroffen, weil etwas in ihrer Wohngemeinde geändert ist. Auf diözesaner Ebene wurde ein Sachgebiet Migration eingerichtet, in dem die verschiedenen, auch pastoralen Aktivitäten abgesprochen und koordiniert werden. Prälat Mag. Maximilian Mittendorfer wurde als Bischofsvikar für Migration beauftragt.

 

Panik hemmt. Der Bischofsvikar für Caritas und Integration Maximilian Mittendorfer ermutigt in der Flüchtlingsthematik zum nüchternen und sachlichen Hinschauen. © Diözese Linz/Kraml

 

Den eigenen Blick hinterfragen

 

Die öffentliche Aufmerksamkeit auf Flüchtlingsbewegungen in Mitteleuropa hat in Österreich eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst, andererseits aber Ängste geweckt, und leider auch Lügengeschichten mit sich gebracht. Das Wichtigste in dieser Situation – neben der menschlich geforderten Hilfsbereitschaft und dem Verzicht auf verleumderische Darstellungen – ist es, sachlich und nüchtern zu beobachten, was sich wirklich ereignet. Wir müssen uns einen Überblick über diese neue Herausforderung verschaffen, ihre Ursachen und Folgen abschätzen, und nach einer großen, also auch politischen (auch europäischen) Lösung zu suchen.

Wir dürfen Gott sei Dank davon ausgehen, dass die österreichische Gesellschaft reich genug ist, um mehr als 8 oder 9 Millionen Menschen zu ernähren und unterzubringen. Lernen wir von den Speisungswundern, in denen Jesus und seine Jünger mehrere Tausend Menschen satt machen konnten, obwohl sie nur mit ganz wenigen Broten und Fischen zu teilen begannen. Wir sollen dabei unsere eigenen Grenzen wahrnehmen: niemand braucht sich selbst auszubeuten oder "aufzuopfern". Es genügt, bei dem zu beginnen, was sich uns als persönliche Herausforderung stellt – so wie es der barmherzige Samariter getan hat. Niemand muss als Einzelperson oder als Gemeinde "die ganze Welt allein retten".

 

 

Niemand muss als Einzelperson oder als Gemeinde "die ganze Welt allein retten".
Es genügt, bei dem zu beginnen, was sich uns als persönliche Herausforderung stellt.

 

Schritt für Schritt vorwärts

 

Auch Politiker und Wissenschaftlerinnen können noch nicht genau voraus sagen, wie sich diese Flüchtlingsbewegung gestaltet und wo die Menschen letztlich aufgeteilt werden, die nicht zurückkehren können. Daher müssen wir auch mutig und beherzt dort anfangen wo wir jetzt stehen, und den Weg im Gehen kennen lernen. Vertrauen wir dabei auf Gott, der auch das Volk Israel durch die Wüste geleitet hat.

 

Auch Politiker und Wissenschaftlerinnen können noch nicht genau voraus sagen, wie sich diese Flüchtlingsbewegung gestaltet.
Den Weg im Gehen kennen lernen.

 

Wer Ängste hat, verdient Aufmerksamkeit

 

Wer Ängste vor den Flüchtlingen hat, verdient unsere Aufmerksamkeit und Zuwendung. Angst fordert unser Verständnis heraus, soll sich aber nicht mit Aggressivität oder Boshaftigkeit, Lügengeschichten oder Feindseligkeit verbinden. Oft haben Menschen Angst vor Fremden, weil sie selbst berufliche, einkommensmäßige oder familiäre Sorgen um ihre Zukunft haben. Solche Menschen brauchen nun vermehrt unsere Zuwendung und Zeichen der Hoffnung! Österreich hat schon öfters große Einwanderungsphasen gut bewältigt, und die Menschen, die gekommen sind, waren auch eine Bereicherung. Wie schon oft in der Geschichte hat eine Herausforderung im Nachhinein auch Vorteile und bringt, neben allem Schweren, auch Glück und Segen mit sich. Z.B. kommen mit Asylsuchenden auch wirtschaftliche Chancen, Entwicklungen und neue Arbeitsplätze, aufgrund der Kreativität der vielen jungen Ankommenden.


Die Bibel und der christliche Glaube erinnern uns daran, dass wir niemand verachten dürfen, weil er flüchtet oder fremd ist. Viele unserer Großeltern mussten selbst flüchten. "Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen." (Ex 22,20). Gott erinnert uns in diesem Bibelwort daran, dass die Erde und unsere Heimat nicht im allerletzten Sinn uns persönlich gehören, sondern von ihm geschenkt und für alle da sind.

 

Fliegerangriff. Viele unserer Großeltern mussten selbst flüchten.
Niemand besitzt die Welt für sich alleine. Gott hat die Erde uns allen gegeben.
 

 

Dank an die "Gutmenschen"

 

Wir erleben in dieser Zeit, dass sehr viele Menschen unseres Landes liebevoll, hilfsbereit sind. Das ist ein Segen, den wir beachten und im Gedächtnis bewahren sollen. Hunderttausende setzen sich persönlich für Menschen mit dem furchtbaren Schicksal der Flucht ein. Unser Dank und unser Gebet soll auch den vielen guten Menschen Österreichs gelten: "Heimat großer Söhne und Töchter", wie es in der Bundeshymne heißt. Danken wir Gott, der uns durch die Geschichte führt, für das Gute, das sich in unserem Land ereignet – und beschimpfen wir nicht zynisch „Gutmenschen"! Versuchen wir in den Ereignissen der heutigen Zeit ein Zeichen Gottes zu erkennen, das uns in Zukunft wertvoll sein kann.

Es geht bei allem Helfen nicht darum, Menschen zu bevormunden oder mehr zu tun als nötig wäre: richtig und wichtig ist jene Haltung, mit der Jesus dem blinden Bettler Bartimäus begegnet ist: "Was soll ich dir tun?" (Mk 10,51). Die meisten Flüchtenden sehnen sich nach "Normalität" des Lebens, nach Arbeit und Einkommen. Schenken wir ihnen soziale Unterstützung genauso wie allen Einheimischen, die Armut und Zukunftsangst fühlen.

 

Beim Helfen geht es nicht um Bevormundung, sondern um die Frage: Was kann ich dir tun? © Sprachcafé Pfarre Steyregg/Gaisberger

 

Auch Maria, Josef und Jesus flüchteten


Die heutige Lage fordert die Kirche heraus, Seelsorge, christliches Leben und caritatives Engagement eng zusammen zu bringen. Das ist eine Chance! Maria und Joseph haben für sich und ihren Sohn Jesus Christus "in der Adventszeit" Herberge gesucht und wurden hart abgewiesen. Nach Jesu Geburt wurde die Familie von König Herodes zur Flucht gezwungen. Beten wir in diesem Advent und am heurigen Weihnachtsfest für alle jene, deren Schicksal Jesus als Kind geteilt hat und für alle, die sich erbarmt und den Herrn aufgenommen haben. Was wir dem Geringsten seiner Brüder tun, das haben wir IHM getan, daher nimmt, wer einen Flüchtenden aufnimmt, den Herrn auf.

Dieses Kirchenjahr ist ein heiliges Jahr der Barmherzigkeit. Es wird uns auch in spiritueller und seelsorglicher Weise neu ausrichten, uns "reformieren", was wir ja immer nötig haben.

Möge in diesem Sinn das Weihnachtsfest 2015 den Menschen Oberösterreichs einen besonderen Segen schenken!

 

Mag. Maximilian Mittendorfer
Geistlicher Rektor der Caritas
Bischofsvikar für soziale Aufgaben

 

Maximilian Mittendorfer: Die heutige Lage fordert die Kirche heraus, Seelsorge, christliches Leben und caritatives Engagement eng zusammen zu bringen. © Diözese Linz/Appenzeller

 

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