Schipka: Kirche leistet wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl
Das hat der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, bei einer Tagung über das Staat-Kirche-Verhältnis in Innsbruck betont, die am 7. Mai 2015 zu Ende gegangen war. Der Staat sei "faktisch in zahlreichen Bereichen auf die Kirche angewiesen, weil sie Aufgaben übernimmt, die ansonsten durch ihn geleistet werden müssten", so Schipka. VertreterInnen fast aller staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften nahmen an der Tagung an der Katholisch-Theologischen Fakultät Innsbruck teil, darunter auch der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer.
Diese Leistungen sollten nicht bloß toleriert, sondern vom Staat gefördert werden, so der Generalsekretär weiter. So setze eine freie Kirche in einem freien Staat etwa voraus, dass die Freiheit der Kirche auch vor Gefährdungen gesichert wird. Dort liege eine der Hauptaufgaben des Staates: die Sicherung der Menschenrechte, allen voran der Religions- und die Gewissensfreiheit, aber auch der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und der Meinungsfreiheit. "Wir können dankbar sein, dass wir in einem Land leben, in dem der Schutz der Religionen auf vielfältige Weise rechtlich gesichert ist - das ist ja leider nicht überall der Fall", so Schipka wörtlich.
Die Kirche brauche den Staat dazu, um ein Leben in Sicherheit, Wohlstand und Gerechtigkeit zu führen. Über die konkrete Ausgestaltung würden die Meinungen auch innerhalb der Kirche auseinander gehen, räumte der Generalsekretär ein, aus einer katholischen Perspektive gebe es jedoch ein paar Grundpfeiler: "Dazu gehört beispielsweise sowohl der Schutz des menschlichen Lebens vom ersten Augenblick seines Daseins an bis zu seinem natürlichen Ende als auch die - auch finanzielle - Förderung von Ehe und Familie." In diesem Sinn habe auch die Kirche die Chance und die Verantwortung, in einer pluralen Gesellschaft ihre Vorstellungen vom Gemeinwohl einzubringen.
Konkret sprach Schipka den Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich an: In Österreich besuchen 770.000 Schüler den katholischen Religionsunterricht, "der zu einer ganzheitlichen Bildung grundlegend dazugehört und der neben dem Wissen über die eigene Religion auch Kenntnisse über andere Religionen und eine rational verantwortete Ethik aus christlicher Perspektive vermittelt". Diese Kooperation mit dem Staat sei als äußerst positiv hervorzuheben. Es sei aber unbefriedigend, dass es für alle Schüler, die den Religionsunterricht nicht besuchen, immer noch keine analoge Kenntnisvermittlung gebe.
Etwa 70.000 SchülerInnen besuchten zudem eine von rund 290 Schulen in katholischer Trägerschaft. Schipka: "Die Kirche übernimmt hier Aufgaben, die der Staat sonst selber übernehmen müsste." In diesem Bereich sei aber feststellbar, "dass die staatliche Gesetzgebung vermehrt Schulen in staatlicher Trägerschaft bevorzugt". So würden Tätigkeiten, die bislang von Lehrern im Rahmen ihres Dienstverhältnisses zu erledigen waren, zunehmend dem Sachaufwand zugeordnet. Schipka: "Für den Staat macht dies keinen Unterschied, weil er sowohl das lehrende als auch das nicht-lehrende Personal besoldet. In den Privatschulen katholischer Trägerschaft hingegen müssen das nicht-lehrende Personal und der gesamte Sachaufwand durch den Schulträger getragen werden, was zu einer klaren Benachteiligung führt."
Er wolle weiters darauf hinweisen, so Schipka, dass ein großer Teil der Volks- und Hauptschullehrer an Kirchlichen Pädagogischen Hochschulen ausgebildet werden: "Die Kirche nimmt also auch hier einen wesentlichen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft wahr."
Selbiges gelte umso mehr im Sozialbereich: Allein bei der größten Sozial-Organisation der Katholischen Kirche, der Caritas, arbeiteten in Österreich über 10.000 hauptberufliche und - "das macht kirchliches Handeln besonders bemerkenswert" - mehr als 28.000 ehrenamtliche Mitarbeiter. Darüber hinaus gebe es in Österreich 32 Krankenhäuser katholischer Orden mit fast 10.000 Betten, in denen etwa 450.000 stationäre und über 800.000 ambulante PatientInnen pro Jahr medizinisch versorgt würden.
Auch mit der Erhaltung von Kulturdenkmälern leistet die Kirche etwas, das andernfalls der Staat übernehmen müsste. Für allfällige Renovierungsarbeiten gebe es zwar staatliche Zuschüsse. Diese reichten allerdings meist nicht einmal dazu aus, um die anfallende Umsatzsteuer von 20 Prozent zu begleichen, kritisierte Schipka.
Dantine: "Vertrauensvolles Verhältnis"
In gleicher Weise wie Schipka würdigte auch der evangelische Landessuperintendnet Olivier Dantine das gute Staat-Kirche-Verhältnis in Österreich, das sich etwa bei den Theologischen Fakultäten, dem Religionsunterricht oder auch der Gefängnis-, Militär- und Krankenhausseelsorge zeige. "Das Verhältnis Kirche-Staat ist durchaus vertrauensvoll, so Dantine wörtlich. Er sprach in diesem Zusammenhang etwa auch die gute Zusammenarbeit zwischen dem Land Tirol und dem Diakonie-Flüchtlingsdienst an.
Kritisch bemerkte Dantine, dass in der Gesellschaft - "nicht nur in Medien, sondern auch in manchen Politikerreden" - pauschal immer nur von "der Kirche" gesprochen werde. Damit werde übersehen, dass es neben der katholischen Mehrheitskirche eben auch noch andere Kirchen gebe. Kritisch beurteilte der evangelische Landessuperintendent auch die Selbstverständlichkeit, mit der vor allem in Tirol Festakte des Landes mit römisch-katholischen Messen verbunden sind. In Anbetracht der religiösen Vielfalt wären inzwischen multireligiöse Feiern angebracht, forderte Dantine.
Ganz allgemein sehe er mit großes Sorge die zunehmende Tendenz, Kirche und Religion aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Dies treffe gerade kleine Kirchen besonders, so Dantine. Er nannte in diesem Zusammenhang neue Melde-Formulare ohne Möglichkeit der Angabe des Religionsbekenntnisses: "Will der Staat nicht wissen, wo welche Religionsangehörige wohnen?" Uns erschwert es massiv, in Kontakt mit aus dem Ausland zugezogenen Evangelischen zu treten, und sie über die Angebote unserer Kirchen zu informieren."
In öffentlichen Krankenhäusern sei weiters der Umgang mit der Angabe der Konfession bei der Aufnahme von Patienten sehr unterschiedlich. Es gebe vermehrt Anstalten, die das Bekenntnis der Patienten nicht mehr erfragen. "Das verunmöglicht uns die im Protestantengesetz zugesicherte Seelsorge an Kranken", bedauerte Dantine.
16 anerkannte Kirchen
Ein weiterer Referent der Tagung war der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej Cilderdzic. Weiters kamen auch VertreterInnen der Neuapostolischen Kirche, der Freikirchen, der Buddhistischen Religionsgesellschaft, der Zeugen Jehovas, der Altkatholischen Kirche, der Islamischen Glaubensgemeinschaft, der Alevitischen Glaubensgemeinschaft, der Israelitischen Kultusgemeinde und der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) zu Wort.
Insgesamt gibt es 16 staatlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften in Österreich, sowie als Vorstufe dazu sieben "eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften" (u.a. Hinduistische Religionsgesellschaft, Pfingstkirche, Bahai). Letztere besitzen zwar eine eigene Rechtspersönlichkeit, jedoch nicht die Rechte und Pflichten anerkannter Religionsgemeinschaften, etwa im Arbeits- und Sozialrecht, im Schulwesen oder im Steuerrecht.
Kathpress (be)