„Koran trifft Bibel“ in der Welser Stadthalle
Die evangelische Theologin Dr.in Susanne Heine und die islamische Theologin Dipl.-Päd.in Nadire Mustafi hielten Referate über die gemeinsamen Wurzeln beider Religionen und die unantastbare Menschenwürde.
Bei der anschließenden Diskussion tauchten Fragen auf, wie zum Beispiel:
„Was heißt: Der Islam will zur ursprünglichen Religion zurückkehren?“
Der Islam geht hinter das Christentum zurück. Mohammed kannte viele christliche und jüdische Gemeinden und natürlich auch die Erzählungen der verschiedenen Religionen. Innerhalb des Christentums gab es einen großen Pluralismus. Es war damals in Arabien klar, dass der grundlegende Monotheismus zersplittert war. Das ist nicht der Sinn des Eingottglaubens. Mohammed will zum Eingottglauben zurückkehren, zurückkehren zur ursprünglichen Religion.
„Gibt es im Koran Stellen, die zur Gewalt motivieren?“
Man muss die Textpassagen in der Historizität sehen. Die Situation auf der arabischen Halbinsel war damals so, dass viele Stämme im Krieg miteinander waren. Als die Offenbarungen in einem Zeitraum von 23 Jahren entstanden herrschte überall in Palästina und Arabien Krieg. Als Reaktion auf den Krieg gab es auch für die Israeliten im Alten Testament die Erlaubni,s sich zu verteidigen. Aber es gab eine Einschränkung der Gewalt. Wenn ein Volk besiegt war, durften sie keine Beute machen. Keine Beutekriege, nur Verteidigungskriege. Im Koran sind Aggressionskriege nicht erlaubt.
„Identifizieren sich die islamischen Jugendlichen wirklich stärker mit ihrer Religion als die christlichen Jugendlichen?
Religiöses Wissen haben die islamischen Jugendlichen oft genau so wenig wie die christlichen. Aber wenn die islamischen Jugendlichen, die hier geboren wurden, immer noch als Fremde bezeichnet werden, ausgegrenzt werden, werden sie den radikalen Gruppen in die Hände getrieben. Jugendliche brauchen ein Wir-Gefühl, ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie können Verluste ertragen, Vertreibungen ertragen, aber Demütigungen können sie nicht ertragen. Wenn man sie immer als arbeitsscheu, ungebildet, Frauenunterdrücker bezeichnet, werden sie gedemütigt und suchen ihre Stärke bei radikalen Gruppen. Die Demütigungen müssen sie gar nicht selbst erleben, es reichen auch Identifizierungen. Es gilt, den Jugendlichen respektvoll zu begegnen und sie zu bestärken.
Nach der bereichernden Diskussion riefen Glockengeläut und Muezzin zum Friedensgebet.
Birgit Raffelsberger / Dekanatsassistentin Wels-Stadt (be)