Samstag 28. Dezember 2024

Christlich leben in der Welt von heute

Kreuz auf der Skipiste

Von 8. bis 10. Jänner 2015 fand im Salzburger Bildungshaus St. Virgil die Österreichische Pastoraltagung statt. Sie beschäftigte sich damit, wie authentisches Christsein im eigenen Umfeld gelebt werden kann.

"Christlich leben in der Welt von heute", lautete das Thema der vom Österreichischen Pastoralinstitut (ÖPI) veranstalteten Pastoraltagung, die sich an kirchliche Mitarbeiter in Seelsorge und Schuldienst richtet. 300 Interessierte diesseits und jenseits der Grenzen Österreichs nehmen alljährlich daran teil, darunter zahlreiche Bischöfe wie Franz Lackner (Salzburg), Manfred Scheuer (Innsbruck), Alois Schwarz (Gurk) und Egon Kapellari (Graz). Vortragende waren u. a. der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer und die renommierten deutschen Theologen Gerhard Lohfink und Gotthard Fuchs.

ÖPI-Referatsbischof Alois Schwarz sagte in der liturgischen Eröffnung, er betrachte als "Passwort" der Tagung die Aussage aus der Genesis, wonach der Mensch Abbild Gottes sei bzw. die Menschen Gott im Gesicht ihres Mitmenschen erkennen könnten. Als beeindruckende kreative Umsetzung dieser christlichen Überzeugung empfahl er den versammelten Kirchenmitarbeitern den seit kurzem in Österreichs Kinos gezeigten Film "Die Sprache des Herzens". Darin sagt eine französische Ordensfrau über ein später von ihr betreutes taubblindes Mädchen, sie habe eine "Seele in einem Gefängnis" gefunden, die durch liebevolle Zuwendung schließlich befreit wird.

 

Auch Oberösterreich war mit drei Persönlichkeiten vertreten: Die Moderation übernahm der Theologe Dr. Helmut Eder, der Erwachsenenbildner Dr. Stefan Schlager arbeitete mit den TeilnehmerInnen zum Thema "Auf.Leben" und Betriebsseelsorger Mag. Fritz Käferböck-Stelzer setzte den Schwerpunkt auf christliches Leben in der Arbeitswelt.

 

 

 

Pastoralttheologin Maria Widl: Kirche braucht heute Binnendifferenzierung

 

Wie die Lebenslagen sind heute auch die Glaubensweisen der Menschen "hochgradig plural" geworden; um "Deutungsmusterkonflikte" bestmöglich zu lösen, ist nach Überzeugung der in Erfurt lehrenden Wiener Theologin Maria Widl Binnendifferenzierung erfolgversprechend. In ihrem Eröffnungsvortrag bei der diesjährigen Österreichischen Pastoraltagung im Bildungszentrum Salzburg-St.Virgil riet die Ordinaria für praktische Theologie zu einer kirchlichen Marketingstrategie wie etwa bei einer Waschmittelfirma: Es gelte nicht besser, wohl aber differenzierter zu sein als die anderen und dabei die vorfindbare Vielfalt des Christlichen zu nutzen. Geschehe dies nicht, würden sich verschiedene Gruppen aus dem kirchlichen Leben verabschieden, weil sie sich und ihr Leben nicht wiederfinden, so Widl.

Die seit neun Jahren im weitgehend entkirchlichten Ostdeutschland lebende Theologin unterschied drei wesentliche Deutungsmuster, wie Menschen heute auf Kirche und Glauben zugingen: Die "Traditionalen" würden im Alten, Bewährten, auch das Gute sehen und die Welt als gottgewollte Ordnung sehen. Diese Sicht spreche auch Junge wieder an, nicht umsonst hätten Orden mit traditionsverhafteter Spiritualität besonderen Zulauf. Weiters gibt es laut Widl die "Modernen", die Vorgegebenes durch Beziehungsorientierung ersetzten und bereit seien, Überkommenes über Bord zu werfen. Und schließlich die "Postmodernen", die der "Gottanmaßung" des heutigen Menschen  skeptisch gegenüber stünden und zugleich das inhaltliche Vakuum beim Thema Religion spürten. Sie seien bereit, sich der Frage zu stellen: "Was glauben (wir als) Christen eigentlich?"

Diese drei Gruppen seien zwar alle legitim, könnten miteinander aber wenig anfangen, wies Widl hin. Sie erlebten mit- und aneinander nicht "bunte" Pluralität, sondern befremdende Heterogenität. Die Theologin nannte als Beispiel dafür, wie mit kirchlicher Unterschiedlichkeit erfolgreich umgegangen werden kann, die Kleinstadt Friedberg im Speckgürtel von Augsburg, wo an verschiedenen Gotteshäusern liturgische und milieuspezifische Ausdifferenzierung geschehe. Es gehe nicht darum, bestimmten Zielgruppen Angebote zu machen, die womöglich für die Anbieter selbst gar nicht "passen", erläuterte Widl gegenüber "Kathpress". Besser sei es, die Betreffenden selbst gestalten zu lassen und ihren Vorlieben wertschätzend Raum zu geben.

 

 

Pastoraltheologe Rainer Bucher: Kirche braucht "dienenden Gestus des Angebots"

 

Bedarf an mehr dienenden und hilfreichen kirchlichen Angebote ortet der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher: Weiterhin würden Menschen Kirchenangebote zumindest situativ nutzen; in der Annahme, "dass die christlichen Kirchen etwas zur Verfügung stellen, was man eventuell brauchen kann", so Bucher am 8. Jänner im Interview mit den "Salzburger Nachrichten".

Anstatt ihr Leben wie noch vor zwei Generationen prinzipiell an den Regeln der Kirche auszurichten, würden die Menschen heute selbst über die Nutzung kirchlicher Orte bestimmen - "und das nach ihren jeweiligen individuellen biografischen Bedürfnissen", erklärte Bucher. Besonders treffe dies in einer Lebenskrise, bei Lebenswenden, zu einem gelegentlichen Gottesdienst oder einfach zum Stillwerden in einem Gotteshaus zu. Die Kirchen müssten darauf "vorurteilsfrei und offen zugehen" und sich auf ihre religiöse Aufgabe konzentrieren, "Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes zu sein".

Außer die Sorge um Ausgeschlossene, Leidende und Opfer müsse die Kirche jedoch auch die "Mühen des Alltags" begleiten und die Welt der Menschen von heute - besonders der statusniedrigeren Lebensmilieus und der Eliten - besser kennenlernen, mahnte der Theologe: "Sie darf sich nicht in Idyllen zurückziehen, wo man nicht scheitern darf, wo die Brüche des postmodernen Lebens verschwiegen werden müssen, weil man sonst nicht dazugehört."

Bedarf sehe er zudem für kirchliche Orte für "offene, wertschätzende, aufmerksame und liebevolle" Diskurse, Begegnungen und Riten zwischen dem Leben in seiner ganzen Bandbreite und der Glaubenstradition.

Eine Erneuerung werde der Kirche nur als "radikal selbstlose, dienende Kirche" gelingen, erklärte Bucher. Dies sei auch der Weg von Papst Franziskus: "Er will eine Kirche, die selbstbewusst und freundlich, kreativ und hilfreich auf die Probleme der Menschen reagiert." Erfolg habe die Kirche schließlich "überall dort, wo sie den Menschen dienend entgegentritt, im Gestus des Angebots, überall dort, wo sie als hilfreich erfahren wird".

Bollwerk gegen Kapitalismus

Eine Art "Versicherungskalkül", demzufolge man die Kirche einmal konkret im Leben oder als "transzendente Rückversicherung" noch brauchen könnte, sei Studien zufolge ein Hauptmotiv für das Bezahlen des Kirchenbeitrages, so Bucher. Ein weiteres sei die Wertschätzung der Kirche als "Wertevermittlungsagentur, als Sozialagentur, als Institution, die der fortwährenden kapitalistischen Verwertungsdynamik etwas entgegensetzt".

Durchaus habe die Kirche gegen den zerstörerischen Kapitalismus, der außer den religiösen Fundamentalismen der "große Gegenspieler der Kirche" sei, gute Argumente vorzubringen: Sie stelle Horizonte und Ressourcen bereit, "die man anderswo nicht so leicht bekommt". Den kirchliche Widerstand gegen die Dynamiken der Selbsterlösung und des Ausschlusses werde in Zukunft noch wichtiger werden, so Buchers These. "Wir verrennen uns, wenn wir glauben, wir könnten als die Fitten und Schönen und Erfolgreichen gut durchs Leben kommen."

 

 

Bibelwissenschaftler Gerhard Lohfink: Christentum wurzelt in Gewaltfreiheit

 

Gewaltverzicht ist kennzeichnend für die Anfänge des Christentums; die Aufforderung Jesu dazu wurde von der frühen Kirche nachweisbar im gesellschaftlichen Umfeld der Antike umgesetzt. Darauf wies der deutsche Bibelwissenschaftler Gerhard Lohfink bei der Pastoraltagung in Salzburg, die noch bis Samstag andauert, hin. Vor dem Hintergrund der islamistischen Terrorakte in Frankreich widersprach er zugleich energisch der These, alle monotheistischen Religionen hätten einen Hang zur Gewalt.

Für das Christentum und das Judentum lasse sich diese Unterstellung durch viele Quellen widerlegen, beim Islam gebe es innerhalb seines "weiten Gebäudes" derzeit in zunehmender Wucht extremistische Gruppen, die Gewalt quasi im Programm hätten und "Mord als Gottesdienst" betrachteten, was wiederum islamophobe Gegengewalt auslöse. "Beides ist von Übel", betonte Lohfink und bedauerte, dass die derzeitige widerwärtige Gewalt bei vielen Zeitgenossen, Religionen und zumal die abrahamitischen insgesamt diskreditiere.

Der renommierte deutsche Theologe betonte, dass schon das Alte Testament in seinen Spitzentexten Gewalt ablehne. Jesus habe sich offenkundig auf die Gottesknechtlieder des Propheten Jesaja bezogen, als er in der Bergpredigt Sätze sprach wie "Schlägt dich jemand auf die linke Backe, dann halte ihm auch die rechte hin". Und exakt zur Zeit der Entstehung dieser Gottesknechtlieder sei im Judentum auch der Übergang von der Monolatrie, also der Verehrung nur eines Gottes, hin zum Monotheismus, also der Überzeugung, dass es überhaupt nur einen Gott gibt, erfolgt.

Die Bergpredigt ist nach den Worten Lohfinks "kein Programm für den Staat". Würde dessen Gewaltmonopol durch Gebote wie "Leistet dem Bösen keinen Widerstand" ersetzt, drohte Chaos. Die Bergpredigt richte sich vielmehr an das von Gott auserwählte Gottesvolk, das inmitten anderer Völker ein Modell für Friedfertigkeit vorleben sollte.

Dass diese Präferenz Jesu auch von der frühen Kirche in der Antike als Selbstanspruch anerkannt und vielfach auch im sozialen Leben umgesetzt wurde, belegen laut Lohfink zahlreiche schriftliche Zeugnisse der Kirchenväter, apologetische Schriften als Reaktion auf die Vorwürfe von Kirchengegnern sowie diese selbst. Staatsbedienstete mit Schwertgewalt wie Soldaten oder Ordnungshüter wurden z.B. als Taufbewerber abgelehnt, wie bei Hippolyt nachzulesen ist. Und Origines wehrte sich gegen den Vorwurf des Christengegners Kelsos, die Kirchenmitglieder ließen den Kaiser in Rom im Kampf gegen die Barbaren im Stich, mit dem Hinweis: Auch eure Priester müssen keine  Kriegsdienst leisten, und wir Christen sind alle Priester, denen es gemäßer sei, für den Kaiser und Erfolg in "gerechten Kriegen" zu beten.

Fakten gegen behauptete "Kriminalgeschichte"

Lohfink erklärte, explizit Militärgewalt ablehnende Kirchenordnungen seien nicht im ganzen Imperium Romanum verbreitet gewesen. Aber es gebe zahlreiche Belege dafür, dass die Bergpredigt in der Praxis der frühen Kirche lebendig war. Er wolle "kein romantisch verklärtes Bild einer makellosen frühen Kirche zeichnen", jedoch dem heute vorherrschenden Interesse an einer "Kriminalgeschichte" des Christentums Fakten entgegensetzen.

Seine Vortragsleitfrage "Haben die ersten Christen Jesus verstanden?" beantwortete Lohfink nicht nur in Bezug auf Gewaltverzicht positiv. Auch Jesu Vorstellungen hinsichtlich gelebter Nächstenliebe und seine Naherwartung  also das Erwarten, dass das Reich Gottes unmittelbar vor dem Anbrachen steht,  hätten sich unter den frühen  Christen konkretisiert. Zum Gebot Jesu, seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben, setzte Lohfink einen Seitenhieb auf die heutzutage in Predigten überstrapazierte Selbstliebe als "unentwegte lustvolle Selbstfindung". Die Bibelrede nicht von Selbstannahme, sondern fordere Umkehr; sie erwarte nicht Versöhnung mit dem Selbst, sondern mit Gott, stellte der Bibelwissenschaftler klar. "Selbst" bzw. "ich" meine im orientalischen Kontext die eigene Familie.

Konkret wurde dies im Zusammenleben der frühen Christengemeinden durch einen "Schutzraum der Achtung und der Solidarität", der auch nicht zur Blutsverwandtschaft gehörende Bedürftige umfasste: Witwen, Waisen, Kranke und auch "Fremdlinge". Und wie ein Brief des Kaisers Julian aus dem 4. Jahrhundert beweise, war gerade diese außerordentliche Menschenliebe ein entscheidendes Moment bei der Ausbreitung des Christentums, so Lohfink.

Die 75. Österreichische Pastoraltagung im Bildungszentrum Salzburg-St.Virgil steht diesmal unter dem Thema Christlich leben in der Welt von heute. 300 Interessierte aus dem In-und Ausland, darunter einige Bischöfe, nehmen an der noch bis Samstag währenden Bildungsveranstaltung des Österreichischen Pastoralinstituts für kirchliche Mitarbeiter in Seelsorge und Religionsunterricht teil.

 

 

 

Bibelwissenschaftler Gotthart Fuchs: Christen segnen und vergeben

 

 

Segnen und vergeben - diese beiden Glaubensvollzüge stellte der deutsche Theologe Gotthart Fuchs bei der Pastoraltagung als signifikant für gelebtes Christentum dar. In seinem Vortrag am Freitag über Merkmale, "woran Christen zu erkennen sind", betonte er, dass diese "Gottesprädikate" keine "Leistung" voraussetzen, "gratis" sind, "weder selbstverständlich noch einklagbar" und das zuvorkommende Wirken Gottes voraussetzen. Fuchs sprach wörtlich von einem "kategorischen Indikativ", der allen ethischen Imperativen vorausgehe: das Glück des Glaubens, das sich dem Geliebt-wissen durch Gott verdanke. Der französische Armenpriester Abbé Pierre habe kurz vor seinem Tod auf die Frage nach dem Sinn lapidar geantwortet: "Lieben lernen!" Wie Fuchs ergänzte, gehöre dazu auch, sich lieben zu lassen.

Auch der im Roncalli-Haus in Wiesbaden tätige Theologe strich im Blick auf die islamistischen Terrorakte in Frankreich das "Geschenk" eines Evangeliums heraus, das einen Gott zeichnet, der durch seinen Tod am Kreuz "hinein ins Auge des Orkans der Gewalt" gegangen sei. Ein muslimischer Ayatollah habe diesen Kreuzestod in einem Gespräch mit Fuchs einmal als unvereinbar mit dem Islam bezeichnet: "Gott lässt seine Propheten nicht hängen!". Ungeachtet der gegenwärtigen "Abscheulichkeiten" der Islamisten sollten deren Taten den Christen aber auch Anlass zur Gewissenserforschung dienen: Während des 30-jährigen Kriegs seien im Herzen Europas unter Berufung auf Gott ähnliche Gewaltakte begangen worden.

Kirche steht nicht für  "Verfallsgeschichte"

Über die derzeitige Umbruchssituation des Christentums in Europa sagte Fuchs, "wir glauben mittels, dank und trotz der Kirche". Trotz aller Unzulänglichkeiten dürften sich Gläubige nicht der Sichtweise anschließen, die 2.000-jährige Kirchengeschichte sei eine "Verfallsgeschichte"; die Welt wäre um vieles ärmer, gäbe es die Kirche nicht.

Eine "freche" These stellte Fuchs zum Thema Priestermangel auf: Er halte es für denkbar, dass Gott mit dem immer geringeren Klerikernachwuchs die "rote Karte" zeige und die "Zwei-Klassen-Gesellschaft" Priester-Laien auslaufen lasse, um das Fundament des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen wieder zu verdeutlichen.

Berichte verschiedener Mitarbeiter im kirchlichen Bereich verdeutlichten bei der Pastoraltagung die Vielfalt, in denen sich christliches Leben auch unter den Bedingungen der Moderne konkretisiert. Zu Wort kamen u.a. der Grazer Künstlerpriester Hermann Glettler als Angehöriger der Gemeinschaft Emanuel, die Initiatorin der Gemeinschaft Sant' Egidio in Deutschland, Ursula Kalb, und die in der Erzdiözese Wien für Erwachsenentaufen verantwortliche Friederike Dostal.

Kirche in Medien: "Der Krenn fehlt"

Ein "Lebensbeispiel" aus dem Bereich Medien gab die ORF-Redakteurin und Theologin Eva Maria Kaiser-Hoppe, die Kriterien der Kirchenberichterstattung in säkularen Medien darlegte und Statistiken über gesendete Beiträge seit der Gründung der ORF-Sendung "Report" vor 20 Jahren referierte. Weniger als drei Prozent aller Sendungsbeiträge handelten von Religion, meist von Aufregerthemen in der Katholischen Kirche. Zuletzt habe die Frequenz abgenommen, ein Kollege sagte Kaiser dazu - wie sie erzählte: "Der Krenn fehlt uns halt, es tut sich nichts mehr in der Kirche."

Die kirchlich engagierte ORF-Journalistin zitierte Papst Franziskus, der Priester mit Flugzeugen verglich - über beide werde nur berichtet, wenn sie "abstürzen". Wenn ihr manchmal vorgeworfen werde, Kirche komme nur als Skandalthema, könne sie nun auf die vorweihnachtliche Strafpredigt des Papstes vor der Kurie verweisen, sagte Kaiser: So ungeschminkt, wie Franziskus dort Missstände und Fehlhaltungen beschrieben habe, befinde sie sich in ihrer Medienarbeit "in bester Gesellschaft".

 

 

Jesuit Andreas Batlogg: Papst Franziskus sorgt für "pastorale Wende" in der Kirche

 

Papst Franziskus ist der große Hoffnungsträger auf eine "pastorale Wende" in der Kirche; vor allem an der Basis der Kirche hoffe man auf den Erfolg der Ermutigung, dabei gewohnte Wege zu verlassen. Darauf wies der Münchner Jesuit Andreas Batlogg am Samstag, dem Schlusstag der Pastoraltagung in Salzburg, hin. Jemand, der mit 77 zum Papst gewählt wurde - "in einem Alter, da andere seit 17 Jahren Rasen mähen und Golf spielen" - müsse freilich aufgrund seiner begrenzten Amtszeit Schwerpunkte setzen. Diese hießen bei Franziskus Nähe zum Menschen, gerade zu jenen an den Rändern der Gesellschaft, Barmherzigkeit und Mut zu neuen kirchlichen Wegen, so Batlogg.

Wenig Änderung erwartet der Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit" hinsichtlich der Kirchenlehre. Aus Batloggs Sicht notwendige Neuakzentuierungen werde hier vielleicht erst Franziskus' Nachfolger vornehmen.

Der aus Österreich stammende und seit 14 Jahren in München tätige Jesuit legte anhand des programmatischen päpstlichen Dokuments "Evangelii Gaudium" dar, wo von Franziskus Impulse für "Christlich leben in nder Welt von heute" - so das Tagungsthema - ausgehen. Dieses Lehrschreiben konzentriere theologische und seelsorgliche Ansätze, die der Papst auch in Interviews und davor in seiner Zeit als Erzbischof Bergoglio in Buenos Aires immer wieder hervorgehoben hatte. Grundlegend dafür ist laut Batlogg ein besonderer Fokus auf die unmittelbare Begegnung mit Christus, aus der sich dann Konkretisierungen unter Stichworten wie "Vom Zentrum an die Peripherie", Aufbruch, Initiative, Barmherzigkeit, offene Türen, Wagnis und Heilen ergeben.

Absage an "Lehnstuhlkatholizismus"

"Weckt die Welt auf! Seid Zeugen eines anderen Handelns": Dieser Appell des Papstes an versammelte Jesuiten, aber auch an alle kirchlichen Verantwortungsträger und letztlich an alle Christen sei für ihn selbst zur Herausforderung geworden und seien eine Absage an jeden "Lehnstuhlkatholizismus", erklärte Batlogg. Besonders gefordert sieht er auch die Bischöfe, die Papst Franziskus zur weltkirchlichen Mitgestaltung auffordere, etwa in  Form "mutiger Voschläge" angesichts pastoraler bzw. personeller Notlagen. Insofern sei dieses Pontifikat ein "Window of Opportunity", eine Gelegenheit zu mehr Synodalität, die es zu nützen gelte.

Dabei dürften auch Fehler gemacht werden, so Batlogg mit Verweis auf Aussagen von Franziskus. Vergleichbar mit seinem viel zitierten Wort von der "verbeulten" Kirche habe er auch an lateinamerikanische Ordensleute den Appell gerichtet: "Ihr werdet Fehler machen, ihr werdet anderen auf die Füße treten. Das passiert. Vielleicht wird sogar ein Brief der Glaubenskongregation bei euch eintreffen... Erklärt, wo ihr meint erklären zu müssen, aber macht weiter." Ihm sei eine Kirche lieber, so Franziskus, "die etwas falsch macht, weil sie überhaupt etwas tut, als eine Kirche, die krank wird, weil sie sich nur um sich selber dreht."

Der Papst aus Argentinien war - etwa auch in Form von "Pflückzetteln mit Zitaten aus "Evangelii Gaudium" - durchgehender Bezugspunkt der 75. Österreichischen Pastoraltagung im Bildungszentrum Salzburg-St.Virgil, die Samstagmittag zu Ende ging. 300 Interessierte aus dem In-und Ausland, darunter die Bischöfe Franz Lackner (Salzburg), Egon Kapeellari (Graz), Alois Schwarz (Gurk), Manfred Scheuer (Innsbruck) und der Linzer Altbischof Maximilian Aichern, nahmen an der Bildungsveranstaltung des Österreichischen Pastoralinstituts für kirchliche Mitarbeiter in Seelsorge und Religionsunterricht teil.

 

 

Aurelia Spendel: Die Brunnenfassungen des geistlichen Lebens

 

Von beobachtbaren "enormen tektonischen Verschiebungen in der Religiosität" sprach die bayerische Dominikanerin Aurelia Spendel in ihren Ausführungen über heute taugliche "Brunnenfassungen geistlichen Lebens". Was immer aber auch am Horizont auftauchen werde, Christen und die Kirche hätten die Pflicht, dorthinein die Botschaft des Evangeliums zu verkünden und im Sinne von Augustinus ("Auf dass ein Anfang sei, ist der Mensch geschaffen") nötige Neubeginne zu setzen.

Eine Frage aus dem Publikum, ob sie oder andere Frauen die Priesterweihe empfangen können sollten, schloss die Ordensfrau für sich diesen Weg aus. Aber sie fügte die Rückfrage hinzu: "Hüpft die Kirche nicht, statt auf zwei Beinen zu gehen, nur auf einem, wenn sie für das Priesteramt nur eine bestimmte genetische Konstellation vorsieht?"

 

 

Bischof Manfred Scheuer: Wahrheit "mitten im Metapherngestöber"

 

Auf das heutige Christsein in der Diaspora, also in einer Minderheitensituation, ging auch Bischof Scheuer in seinem die Tagung abschließenden Vortrag ein. Er zitierte dazu die  französische Schriftstellerin und Mystikerin Madeleine Delbrel: "In jeder Periode der Geschichte hat Gott eine Reihe von Menschenn den Auftrag erteilt, das Evangelium nach dem Urtext vorzuleben, in ihrer Person 'mit Leib und Blut' sozusagen eine zeitgemäße Originalausgabe darzustellen." Und Scheuer erinnerte auch an die Art und Weise, wie sich das Zweite Vatikanische Konzil der Welt geöffnet habe. Papst Paul VI. sprach zu dessen Abschluss von einer "ganz großen Sympathie", mit der sich die Kirche in dieser wegweisenden Versammlung auf die Zeit zugegangen sei.

Scheuer befürwortete sowohl eine Evangelisierung in die Breite wie auch in die Tiefe: Es wäre "fatal", wenn etwa in Tirol die vorhandene Volksfrömmigkeit zur Seite geschoben würde; aber es brauche auch geistliche Vertiefung jenseits von traditionsgebundenem Kulturkatholizismus. Zu bemühen habe man sich kirchlicherseits auch um eine religiöse Sprache ohne jedes formelhafte "Gefühlsgeschwätz" bzw. moralisierendes Betroffenheitsgerede. Und noch ein Zitat des belesenen Innsbrucker Bischofs: Der Lyriker Paul Celan habe von der Wahrheit geschrieben, die "mitten ins Metapherngestöber" hineinkam.

Die Pastoraltagung, die größte kirchliche Bildungsveranstaltung zum Thema Seelsorge, wird in ihrer nächsten Auflage im Jänner 2016 das Thema Pluralität ausleuchten. (Info: www.pastoral.at)

 

 

 

Kapellari: Gott suchen in Zeit großer Umbrüche

 

In einer Zeit großer Umbrüche, aber auch Aufbrüche mit vielen Suchbewegungen, geht es um ein vertieftes Suchen nach Gott und Jesus Christus sowie um ein vertieftes Suchen und Sorgen um den Menschen. Das hat der Grazer Bischof Egon Kapellari bei der am Wochenende zu Ende gegangenen Pastoraltagung in Salzburg betont, die drei Tage lang das Thema "Christlich leben in der Welt von heute" beleuchtete. Die heutige Gesellschaft sei besonders herausgefordert durch die großen Fragen "Was bleibt?" und "Was kommt?", so Kapellari in seiner Predigt. "Utopien sind verbraucht, Pragmatismus ist angesagt. Weithin fehlen schlüssige Rezepte für den weiteren Weg oder sie sind kontrovers."

Das betreffe auch die Kirche, die derzeit um neue Seelsorgestrukturen ringt. Der Zeit adäquat gestaltete Strukturen "können nicht spiritualistisch einfach ignoriert oder übersprungen werden", auch wenn es letztlich um die fundamentalere Suche nach Gott gehe, sagte der Bischof.

In den vergangenen Jahren sei "das Miteinander in der katholischen Kirche Österreichs aus bekannten Gründen immer wieder beeinträchtigt" gewesen, blickte Österreichs längstdienender Bischof, der am 12. Jänner 79 geworden ist, zurück. Die damit verbundenen Leiden seien "teilweise zerstörerisch, aber in manchem auch läuternd" gewesen. Er hoffe, dass dieser Schmerz "nicht vergeblich gewesen ist" und dass die Kirche in Zukunft das Miteinander in ihren eigenen Reihen "und damit verbunden auch in der Zivilgesellschaft", in der viel Nebeneinander, Gegeneinander und Durcheinander herrsche, stärken kann.  

Die Kirche stehe in der Spannung zwischen Breite und Tiefe, zwischen Heiligkeit und Sünde, zwischen Stärke und Schwäche, erklärte Kapellari. "Sie bewegt sich, aber sie kann nicht galoppieren." Jedenfalls habe die Kirche "Millionen von Lebenskeimen" in sich und sei trotz aller Umbrüche zahlenmäßig die größte Gemeinschaft in Österreich.

 

 

Kathpress (be)

 

Foto: Morguefile, Autor: Kaagen. Link zum Foto

 

 

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