Historikerin Weinzierl war ihrer Zeit immer voraus
Neben Weihbischof Krätzl nahmen am Begräbnis Montag, 10.11. Mittag am Wiener zentralfriedhof auch Bundespräsident Heinz Fischer und Margit Fischer, Bischof em. Maximilian Aichern, Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny und der renommierte Historiker und Weinzierl-Kenner und -Freund Oliver Rathkolb teil.
Viele WissenschafterInnen, WeggefährtInnen und ChristInnen kamen zum Begräbnis auf den Wiener Zentralfriedhof. Dr.in Erika Weinzierl wurde in einem Ehrengrab neben KünstlerInnen und ZeitzeugInnen begraben.
Eine offene Kirche, die sich der neuen Zeit stellt
Weinzierl habe sich bereits vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil für eine "offene Kirche, die sich der neuen Zeit und ihren Herausforderungen stellt", eingesetzt. Sie habe der "kleinen Elite" der katholischen Studentenseelsorge angehört, die im Zweiten Weltkrieg als eine "Zelle des geistigen Widerstands" gewirkt habe und nach Kriegsende auch maßgeblich an der Wiedereröffnung der Universität beteiligt gewesen sei, so Krätzl in einer Ansprache bei der Beisetzung Weinzierls am Montagvormittag am Wiener Zentralfriedhof.
Ihrer Zeit voraus sei die Wienerin auch bei der Aufarbeitung der Rolle der Kirche während des Nationalsozialismus gewesen. Weinzierl habe sich rasch nach dem Zweiten Weltkrieg für eine Kirche stark gemacht, "die auch ihre Mitschuld in Krieg und Nazizeit eingesteht. Eine Kirche, die vor allem ihre so alte Mitschuld am Hass der Juden eingesteht und die heilsgeschichtliche Verbindung zwischen Christen und Juden endlich erkennt", betonte der Weihbischof. Die Historikerin habe in diesem Sinne Zeitgeschichte nicht nur erforscht und gelehrt, "sondern unermüdlich gemahnt, aus ihr zu lernen".
Kirche geprägt
Bemerkenswert sei auch ihre Haltung gegenüber der Rolle der Frau in der Kirche gewesen. Als engagierte Katholiken habe Weinzierl aus der Kraft ihres Glaubens und in der Entfaltung ihrer Fähigkeiten die Kirche wahrhaft geprägt, vorangebracht und vielfach glaubwürdiger gemacht".
Mahnerin und große Frau der Zeitgeschichte
Historiker Oliver Rathkolb hob Weinzierl als "große Frau für die Zeitgeschichteforschung in Österreich" hervor. Als Warnerin vor Rechtsradikalismus und -populismus, die ihre erste Publikation in der katholischen Zeitschrift "Wort und Wahrheit" zum Thema Katholische Kirche und Nationalsozialismus hatte, zeichne sie ein "dauernder Einsatz für Toleranz, Fairness und gegen Antisemitismus im öffentlichen Bereich" aus. Trotz Anfeindungen habe sich die Historikerin immer wieder öffentlich gegen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsgefahren sowie für eine humane Asyl- und Migrationspolitik ausgesprochen.
Geprägt von Karl Strobl und Otto Mauer
Erika Weinzierl wurde am 6. Juni 1925 als Erika Fischer in Wien geboren. Nach der Matura im Jahr 1943 schloss sie sich der "Katholischen Studentenseelsorge" (Vorgängerin der Hochschulgemeinde) an, die damals vom charismatischen Priester Karl Strobl geleitet wurde. Entscheidende Impulse erhielt sie später auch vom Künstlerseelsorger Otto Mauer. Noch während des Zweiten Weltkrieges begann sie ihr Medizinstudium, ehe sie 1945 zur Geschichte und Kunstgeschichte wechselte. In den Tagen der Befreiung Wiens Mitte April 1945 befand sie sich in einem Kreis katholischer Studenten in einer Wohnung in der Wiener Ebendorferstraße, die die Wiedereröffnung der Universität vorbereiteten und schließlich durchsetzten, dass ein Sommersemester 1945 stattfinden konnte.
Nach Kriegsende wirkte sie innerhalb der Hochschülerschaft am Wiederaufbau der Universität Wien mit, gemeinsam mit dem späteren Judaistikprofessor Kurt Schubert engagierte sie sich für den Wiederaufbau der Katholischen Hochschulgemeinde. Ihr Studium schloss sie nach nur drei Jahren 1948 ab. Im gleichen Jahr heiratete sie den späteren Professor für Experimentalphysik, Peter Weinzierl, der im Mai 1996 starb.
Nach der Promotion zur Historikerin fand sie zunächst eine Stelle im Österreichischen Staatsarchiv, bereits 1961 habilitierte sich Weinzierl für Österreichische Geschichte an der Universität Wien mit einer kirchenhistorischen Arbeit über "Die Österreichischen Konkordate von 1855 und 1933". 1964 ging sie nach Salzburg, wo sie zunächst am "Institut für Grundfragen der Wissenschaften" die kirchliche Zeitgeschichte betreute. 1967 erhielt sie ein Extraordinariat an der damals gegründeten philosophischen Fakultät der Universität Salzburg und 1969 das Ordinariat für Österreichische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte.
1979 wurde sie an die Universität Wien auf den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte am Institut für Zeitgeschichte berufen. Knapp nach ihrem 70. Geburtstag emeritierte sie im Juni 1995 als Universitätsprofessorin, blieb aber auch nach Beendigung ihrer Universitätslaufbahn wissenschaftlich tätig.
Zeit ihres Lebens war Erika Weinzierl auch eine vielfältig engagierte "kritische Katholikin". Neben ihrer Pionierinnenarbeit für die Katholische Hochschulgemeinde war sie als Vizepräsidentin für den Katholischen Akademikerverband Österreichs tätig. Viele Jahre gehörte sie dem christlich-jüdischen Arbeitskreis der Katholischen Aktion an. Kardinal König würdigte Weinzierl für ihr Eintreten für eine "offene Kirche" schon vor dem Konzil. Damit habe sie mitgeholfen, "das Bild vom Laien in der Kirche" positiv zu bestimmen.
gec, Kathpress