Dienstag 24. Dezember 2024

Breite Ablehnung von Tourismuszonen in Wien

Tagung Recht auf Sonntag 2014 vlnr: Oliver Röpke, Maria Gluchman, Renate Anderl, Barbara Schröding, Bischof Ludwig Schwarz, Peko Baxant, Karl Proyer, Willibald Steinkellner, Franz Georg Brantner © Karoline Bloderer

Ob es in Wien zukünftig „Tourismuszonen mit Sonntagsöffnung“ geben soll oder nicht diskutierte man am 30. Oktober 2014 in Wien. Sonntags-Allianz-Sprecher Bischof Ludwig Schwarz sprach vom Recht der Menschen auf den freien Sonntag. Die breite Mehrheit der TeilnehmerInnen der Tagung lehnte, wie Bischof Schwarz, die sogenannte Tourismuszone in Wien ab.

Aus den Gewerkschaften, der Wirtschaft, den Kirchen und der Zivilgesellschaft waren VertreterInnen zur Tagung „Recht auf Sonntag“ eingeladen. Die meisten kamen – allein der Stuhl für die Wiener Wirtschaftskammer blieb leer. Nach Angaben der Allianz für den freien Sonntag Österreich hatte die WK Wien die Einladung zum Dialog nicht angenommen – trotz mehrmaliger Einladungen. Organisiert wurde die Tagung „Recht auf Sonntag“ von der Allianz für den freien Sonntag Österreich gemeinsam mit der AK Wien und der GPA-djp.

 

Sonntag als wichtiger Wert

 

Sonntags-Allianz-Sprecher Bischof Ludwig Schwarz (Österreichische Bischofskonferenz) betonte in seinem Beitrag den individuellen und gesellschaftlichen Wert des freien Sonntags und sprach von einem „Recht der Menschen auf den Sonntag“. Der freie Sonntag sei ein „Symbol der Freiheit und des gesellschaftlichen Zusammenhaltes“. Die Menschen brauchen statt einer weiteren Flexibilisierung „verlässliche Zeit“!

 

Arbeiterkammer Wien gegen Tourismuszonen

 

Die Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien habe laut dem Sprecher der Allianz für den freien Sonntag Österreich Franz Georg Brantner (GPA-djp) am 29.10. eine klare Position zum Thema Tourismuszonen bezogen: Gemeinsam wurde von allen Fraktionen im „ArbeitnehmerInnen-Parlament“ ein diesbezüglicher Antrag angenommen, mit der die Etablierung von Tourismuszonen in Wien abgelehnt wird. AK Wien-Vize-Präsident Willibald Steinkellner sprach von einer Diskussion, die „auf den Rücken der ArbeitnehmerInnen ausgetragen wird.“

 

EU: 60 % mehr Sonntagsarbeit

 

In puncto Sonntagsarbeit gäbe es in der EU Handlungsbedarf, da sich die Anzahl der Beschäftigten, die regelmäßig am Sonntag arbeiten müssen, in den letzten 20 Jahren um fast 60 % erhöht habe, das legte der Leiter des ÖGB-Europabüros in Brüssel Oliver Röpke dar. Ähnliches gelte für andere atypische Arbeitszeiten wie Nacht- oder Schichtarbeit.
Röpke analysierte, dass die bestehende Arbeitszeitrichtlinie seit Anfang der 1990er Jahren unter einen „massiven Druck“ geraten sei, dereguliert zu werden. Mit der neuen Kommission gäbe es Hoffnung, dass sich das ändert. Für 2015 sei ein Konsultationsprozess zur Erneuerung der Arbeitszeitrichtlinie vorgesehen. Die Allianz für den freien Sonntag sollte sich, so Röpke, daran beteiligen. Regelmäßige Sonntagsarbeit bedeute – den vorliegenden Studien zur Folge – eine Gefährdung bei der Arbeitssicherheit durch ein 30 % höheres Unfallrisiko und eine deutlich geringere Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen.

 

Wegfall der Zuschläge

 

Überall in Europa sei festzustellen, dass Unternehmen nicht bereit sind, Zuschläge zu zahlen, wenn Sonntagsarbeit einmal zur Regel geworden ist, so Oliver Röpke. Franz Georg Brantner verwies auf das Vereinigte Königreich und skandinavische Länder, wo seine GewerkschaftskollegInnen ebenfalls berichten, dass mit der Einführung der Sonntagsarbeit im Handel letztlich auch die Zuschläge für Sonntagsarbeit weggefallen sind.

 

Feiertage zurückerobern

 

Die stellvertretende REWE-Betriebsrätin Maria Gluchmann berichtete, dass in Tschechien derzeit eine Novellierung des Öffnungszeitengesetzes bevorstehe. Dabei sollen (so wie in Ungarn und auch in Polen) an 12 Feiertagen im Jahr die Geschäfte wieder geschlossen sein. Da in diesem Ländern Sonn- und Feiertage längst weg sind, gehe es dort zunächst einmal darum, wieder die Feiertage zurückzubekommen. In Österreich habe man übrigens  „Sonntagsöffnung“ bereits und das sei „ausreichend“.

 

Deutschland

 

Der deutsche Volkswirt Hannes Kreller (Katholische ArbeitnehmerInnen-Bewegung Deutschland), der in der deutschen und europäischen Sonntagsallianz engagiert ist, berichtete, dass 40 Mitglieder des neu gewählten Europäischen Parlaments eine Unterstützungserklärung für den freien Sonntag abgegeben haben. Derzeit werde eine parteienübergreifende „interest group“ innerhalb des Parlaments vorbereitet. Auch würden Kontakte zu VertreterInnen der Gesundheitssysteme gesucht -, wegen des erhöhtes Unfallrisikos bei regelmäßiger Sonntagsarbeit wie auch wegen der hohen burn out-Gefährdung. In Deutschland sei feststellbar, dass sich viele Selbständige in den über 100 regionalen Sonntagsallianzen in Deutschland engagieren - seien es Handwerksmeister oder etwa kleine Bäckereien.

 

Selbständige wollen das nicht

 

Der Wiener Gemeinderat und Vertreter des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Peko Baxant sagte zum Thema Tourismuszonen: „Wir wissen, dass die Selbständigen das nicht wollen“ und sprach von einer „Trickbefragung“ der Wirtschaftskammer: „Warum soll ein Programmierer im 22. Bezirk bestimmen, ob ein Händler im 1. Bezirk offen halten soll?“. Für Baxant seien einige wenige Sparten die treibenden Kräfte bei diesem Vorstoß: Hoteliers und Tourismus. Die Mehrheit der Händler wolle laut Umfragen des SWV keine Tourismuszonen, so Baxant. Gesellschaftspolitisch sei der freie Sonntag wichtig, weil eine „Sonntagsöffnung“ eine weitere Beschleunigung bringe und das bedeute „weniger Menschlichkeit“. Wien sei „gemütlich“, unter anderem wegen des freien Sonntags, so Baxant.

 

Konsequenzen für Lagerarbeiter

 

Tourismuszonen und Sonntagsarbeit würde nicht nur Konsequenzen für Handelsangestellte, sondern auch für HandelsarbeiterInnen und andere Berufsgruppen haben, betonte die Wiener Landessekretärin der Gewerkschaft vida Barbara Schröding. Für Lagerarbeiter sei jetzt Samstag Mittag Schluss, das würde sich dann ändern. Sie müssten dann vielleicht am Samstag bis spät in die Nacht arbeiten. Für diejenigen, die bereits am Sonntag arbeiten müssen – in Tourismus, Hotellerie und Gastgewerbe – brauche es eine „menschenwürdige Bezahlung“ und ebenfalls „Zeit für Familie und FreundInnen“. Im Tourismus gäbe es einen „wahnsinnigen Personalmangel“, weil eine solche Konstellation nicht lange auszuhalten sei. Schröding erinnerte daran, dass Kindergärten üblicherweise maximal bis am Freitag 17.30/18.00 offen haben und am Wochenende geschlossen hätten. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel hätten am Wochenende längere Intervalle.

 

Recht, nicht zu arbeiten

 

Der stellvertretende Bundesgeschäftsführer der GPA-djp Karl Proyer betonte: „Die GPA-djp ist jetzt und in Zukunft in aller Klarheit für den freien Sonntag“. Handelsangestellte hätten das Recht auf einen freien Sonntag, es sei ihr „Bürgerrecht“ zu sagen: „Ich arbeite am Sonntag nicht“.

 

Was ist die Allianz für den freien Sonntag

 

Als breites gesellschaftliches Bündnis stellt die Allianz für den freien Sonntag Österreich, der über 50 Organisationen aus den Bereichen Vereine, Freizeitorganisationen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Gewerkschaften und Kirchen angehören, die Bedeutung gemeinsamer freier Zeiten für das gesellschaftliche Zusammenleben in den Mittelpunkt.

 

Tagung Recht auf Sonntag 2014 vlnr: Oliver Röpke, Maria Gluchman, Renate Anderl, Barbara Schröding, Bischof Ludwig Schwarz, Peko Baxant, Karl Proyer, Willibald Steinkellner, Franz Georg Brantner © Karoline Bloderer

Tagung Recht auf Sonntag 2014. vlnr: Oliver Röpke, Maria Gluchman, Renate Anderl, Barbara Schröding, Bischof Ludwig Schwarz, Peko Baxant, Karl Proyer, Willibald Steinkellner, Franz Georg Brantner © Karoline Bloderer

 

Online-Petition unterzeichnen:


„Ohne Sonntag ist jeder Tag ein Werktag. JA zum freien Sonntag“

www.freiersonntag.at

Allianz für den freien Sonntag (ma)

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