Sonntag 22. Dezember 2024

Dazu müssen sich christliche Kirchen heute positionieren

Zehn Jahre nach der Entstehung des Ökumenischen Sozialwortes lädt die Diözese Linz zur Relektüre sozialwort 10+ © mensch und arbeit vöcklabruck

Vor zehn Jahren haben die damals 14 christlichen Kirchen in Österreich im Sozialwort gemeinsam ihre Stimme zu gesellschaftlichen Fragen erhoben und für eine gerechtere und sozialere Welt Selbstverpflichtungen formuliert.

Die Diözese Linz war mit Bischof Maximilian Aichern maßgeblich am Prozess zur Entstehung des Ökumenischen Sozialwortes beteiligt. Zehn Jahre danach gibt es eine Relektüre und das Sozialwort wird aktualisiert. Vier ExpertInnen der Diözese Linz verraten ihre Gedanken nach der Relektüre.

Ein Blick auf das „alte“ Sozialwort: Wo haben Sie sich konkret eingebracht? Was war gut, beziehungsweise was ist aus heutiger Sicht zu kritisieren?

Mag.a Edeltraud Artner-Papelitzky (Bereichsleiterin mensch­&arbeit, geschäftsführende Vorsitzende des Pastoralrats): Wir sind und waren als Bereich mensch&arbeit Kooperationspartner diverser Veranstaltungen. Die Initiative „Gute Arbeit ist Menschenrecht“ ist von uns ausgegangen. Das Engagement unserer Gruppen ist und war groß. Das Sozialwort ist in vielen Bereichen prophetisch gewesen, bei den Forderungen harrt noch einiges auf Umsetzung. Die Frage von Bildung und friedlichem Zusammenleben müsste nochmals genauer überarbeitet werden.

Dr. Severin Renoldner (Bereichsleiter Bildung und Kultur, Sozialreferat der Diözese Linz): Das Sozialwort ist aktuell, muss aber weiter umgesetzt werden. Die österreichischen ChristInnen dürfen einerseits auf das Sozialwort 2003 stolz sein, denn es aktualisiert und umreißt die wichtigsten Dimensionen sozialer Herausforderungen und ruft zum engagierten Handeln auf. Vieles wurde umgesetzt. In vielen Bereichen sind ChristInnen in sozialen Themen präsent. Es braucht aber auch politischen Nachdruck. Zum Beispiel muss in der EU und in Österreich ein Kurswechsel vom „Kaputtsparen“ zu fairen Vermögenssteuern und gut budgetierten Sozialleistungen herbeigeführt werden.

Dr. Markus Schlagnitweit (Hochschul-, AkademikerInnen- und KünstlerInnen-Seelsorger, ksoe Kooperationspartner): Wenn ich das Sozialwort 2003 mit der gegenwärtigen Situation vergleiche, so erscheinen mir viele damals angesprochene Themen und Anliegen unverändert aktuell. In einem Punkt orte ich einen gravierenden Perspektiven-Wechsel: 2003 lag noch vor der großen Finanzkrise. Sozialethische Kritik in diesem Bereich stellte vor allem auf die Forderung nach ethisch orientierten Formen der Geldanlage ab. Dementsprechend findet die Finanzwirtschaft auch nur in diesem Zusammenhang Erwähnung mit zwei kirchlichen Selbstverpflichtungen: Nr. 201f.

Mag.a Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer (Referentin im Sozialreferat der Diözese Linz): Als Christin bringe ich einen Blick auf die Gesellschaft ein, der auch Menschen am Rand, die Sorge um die Schöpfung und um ein gutes Miteinander beachtet. Meine Beiträge zum sozialwort 10+ kommen aus dem, was mich in meinen beruflichen Tätigkeiten, aber auch privat und in der Pfarre beschäftigt. Kirche muss politisch sein. Am Sozialwort 2003 kritisiere ich, dass die Umsetzung durch die Politik und auch die Selbstverpflichtungen der Kirchen teilweise nicht eingelöst wurden. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Formulierungen so weich sind, weil sie keine Kirchenmitglieder vergrämen wollen oder sie wurden gewählt, um im Gespräch zu bleiben.


Wo soll ein sozialwort 10+ heute klare Positionen formulieren? Was sind die heutigen Themen?

Schlagnitweit: Ich glaube, dass die Kirchen gefordert sind, in einem sozialwort 10+ deutliche Positionen zu formulieren, die letztlich auf eine klare Unterordnung der Finanzwirtschaft unter die Realwirtschaft im Sinne ihrer ursprünglichen Dienstfunktion für diese abzielen müssen. Die globalen ökologischen Verwerfungen (Klimawandel, Biodiversität, Ernährungs- und Energieproblematik) zeigen mehr als deutlich, dass das „Dogma“ der aktuellen Wachstumsökonomie dringend Alternativen braucht, in Richtung solidarischer und am Gemeinwohl orientierter Wirtschaftsformen. Weitere Themen sind für mich: Pflege, (politische) Bildung, Verteilungs-Gerechtigkeit, Migration.

Renoldner: Die Menschen haben seit 2003 sicher viele neue Erfahrungen gemacht, u.a. ist das Vertrauen in die Börsen, in die Spekulation und unbegrenzte Geldvermehrung gesunken. Viele Konsequenzen müssen aber noch gezogen werden: dass etwa die Pensionen, die Pflege, die Schule oder die Integration fremder Menschen in Österreich auch mit öffentlichen Mitteln ergänzt und dotiert werden müssen und nicht ständig mit dem Argument der Knappheit beschränkt werden dürfen. Daher ist die Steuerfrage heute von noch gestiegener Bedeutung.

Gumpenberger-Eckerstorfer: Ganz zentral ist für mich die Frage, wie wir als ChristInnen mit „Fremden“ umgehen. Halten wir uns an die biblischen Maximen? Wir selbst sind auch nur Gast auf Erden. Das eigene Fremd-Sein fordert uns auf, auch menschlich und wohlwollend gegenüber Menschen aus anderen Ländern zu sein. Daher ist es eine Frage unserer Glaubwürdigkeit, dass etwa Pfarrgemeinden sich um MigrantInnen kümmern, ihnen Platz und Stimme und auch eine Wohnmöglichkeit geben.

Artner-Papelitzky: Ich glaube, heute sind diese Fragen zu stellen: Was ist genug? Was wirkt heilend? Die Frage eines friedlichen Zusammenlebens ist nämlich auch eine Frage nach dem: Was ist genug? Das Wirtschaftswachstum muss enttabuisiert werden, also auch die Frage nach der gerechten Form des Wohlstandes für alle und wie die Verteilung von guter Arbeit gelingen kann. Aufgabe der Kirchen ist es, sich mit Heilung zu beschäftigen – für einzelne und für eine Gesellschaft, wo Krankheiten wie Burn-out und psychische Krankheiten zunehmen. Weitere Themen sind: prekäre Arbeitsverhältnisse, die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Sozial- und Care Bereich, Arbeits-migration und Bildung.

Welche konkreten Selbstverpflichtungen sollen im sozialwort 10+ festgeschrieben werden?

Artner-Papelitzky: Die Entflechtung bei den Banken von Real- und Finanzinvestment scheint mir ein wesentliches Thema zu sein. Der Markt und der Profit kann und darf nicht oberster Wert sein. Weiters soll ein klares JA zum Sozialstaat formuliert werden. Es wird gekürzt, es wird umverteilt nach oben, das kann eine „Kirche für die Armen“ nicht akzeptieren.

Schlagnitweit: Den Kirchen stünde es durchaus gut an, die aktuell weitverbreitete Tabuisierung des Privateigentums (etwa in der aktuellen Steuerreformdebatte) kritisch anzusprechen und in Frage zu stellen: Es gibt in der Tradition der katholischen Soziallehre zwar ein unbedingtes Recht auf Privateigentum, das aber gleichwohl dem Prinzip der universalen Bestimmung der Erdengüter für alle Menschen untergeordnet ist.

Renoldner: Ein Versprechen des Sozialwortes wurde nicht eingelöst: Die Kirchen wollten eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Steigerung der Mittel zur Entwicklungshilfe auf 0,7 % des BIP einsetzen, damit auch die Beiträge der kirchlichen Organisationen gesteigert werden, und der Druck auf den Staat erhöht wird.

Gumpenberger-Eckerstorfer: Ich wünsche mir Selbstver­pflichtungen, die etwa so lauten: Wir sorgen uns um die Menschen am Rande unserer Gesellschaft. Wir fordern, die Schönheit und Reichtümer dieser Erde für die künftigen Generationen zu bewahren und sie nicht dem kurzfristigen Profit, der momentanen Bequemlichkeit oder dem Wirtschaftswachstum zu opfern.

 

Das Interview führte Gabriele Eder-Cakl. Erschienen ist es in der MitarbeiterInnen-Zeitung "informiert" der Diözese Linz; Ausgabe 10/14 (ma)

 

Dialogveranstaltung sozialwort 10+


10. Oktober 2014, 14 bis 19 Uhr; Cordatushaus, Wels
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