Warten
Mystik und Geist vom 3. Dezember 2022 mit Anna Kienberger und Franz "Samy" Schrittwieser.
Auf Dinge warten müssen – das erleben viele Menschen als gestohlene Zeit, als langweilig und lästig. Niemand wartet gern – doch ist Warten ein Teil des Lebens und muss von klein auf erlernt werden. Wie es Kindern mit dem Warten geht, darauf geht Anna Kienberger, Pädagogin an der Mittelschule Altenberg ein. Im Gespräch schildert sie ihre Erfahrungen aus dem Schulalltag und erklärt, wie sie das Warten selbst in ihrer Jugend erlebt hat. „Warten gelingt einmal besser, einmal schwieriger“, doch mag das Warten eine „produktive“ und „geschenkte Zeit“ sein, wo man „aufmerksam sein kann – auf Dinge, die sonst untergehen würden“ und wo „alle Sinne angesprochen“ werden: „Wenn man nicht warten müsste, würde man vieles gar nicht wahrnehmen oder auch gar nicht spüren“, meint die Pädagogin, die durch ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen immer wieder auch besonders schöne und berührende Momente des Wartens im Sinne der Vorfreude zu erzählen weiß.
Anna Kienberger © R. Kienberger
Allerdings nehmen viele Menschen das Warten als „zermürbend“ wahr, macht Franz „Samy“ Schrittwieser, Referent für Gefangenenpastoral in der Diözese Linz und Seelsorger in der Justizanstalt Wels, aufmerksam. Die Männer und Frauen im Gefängnis, die Schrittwieser begleitet, warten – oft jahrelang. Er beschreibt, wie herausfordernd und „bedrückend“ die Zeit des Wartens – gerade vor Weihnachten – für Gefangene ist und was das Warten bei ihnen auslöst. Warten, in Ruhe und ohne Ablenkung, bringe Schrittwieser zufolge automatisch die Auseinandersetzung mit der eigenen Person und dem eigenen Handeln mit sich. „Wofür bin ich da? Wofür lebe ich? Wie gehe ich mit meiner Zeit um, die mir zur Verfügung steht?“ – Selbstreflexion ist etwas, das wir „von Gefangenen oder überhaupt vom Warten lernen können“, findet Schrittwieser und betont: „Warten kann eine positive Zeit sein, wenn man sie versteht, zu nützen.“
Franz "Samy" Schrittwieser © privat