Wo Kirche und Welt einander treffen
„Während viele Kirchengemeinde auf ihren Verlust von gesellschaftlicher Bedeutung defensiv reagieren, agiert die Diözese Linz progressiv und innovativ“, zeigt sich Peter Haimerl begeistert. Die Rudigier-Stiftung, Eigentümerin des größten österreichischen Kirchengebäudes, hat sich über ein kühnes Projekt gewagt. Ein neuer Zugang zum Dom sollte geschaffen werden, ein neues Domcenter und eine neue Ausstellung im Kircheninneren. In Peter Haimerl, der mit Clemens Bauder aus Linz zusammenarbeitete, fand man einen Architekten, der bereit war zum Wagnis.
Wie ein leichtes Zeltdach sollte das scheinbar am Dom befestigte Domcenter wirken, das war Haimerls Grundidee. Aus denkmalpflegerischen Gründen durfte der Anbau an keiner Stelle den Dom berühren. Der in München beheimatete Haimerl entschied sich für eine Doppelschalen-Konstruktion. „Die Schalen ragen vor der Fassade nach oben und nähern sich der Fassade des Doms, ohne diesen zu berühren“, erläutert der Architekt. Drei innere Stützen tragen je eine Schale. Die Fassadenstützen übernehmen lediglich Zugfunktionen und verhindern ein Kippen der Betonschalen zum Dom hin. Zudem sei, so Haimerl, Beton ein effektives Material, weil es im Laufe seiner Lebenszeit fast einen Großteil CO2, das bei seiner Produktion freigesetzt wurde, wieder speichert.
„Im Äußeren entspricht die Schalenkonstruktion der Umkehrung der Spitzgewölbe in den Seitenschiffen des historischen Doms“, erzählt der Architekt. Dazu ließ er sich auch vom katalanischen Architekten Antoni Gaudi, bekannt für seine Kirche „Sagrada Familia“ in Barcelona, inspirieren. Im Fall des neuen Domcenters passt diese architektonische Verbindung mit dem Inneren des Mariendoms exakt. Denn durch das helle, lichte Gebäude werden Besucher nun auch direkt in den Dom geführt. Der neue Zugang ermöglicht einen Blick auf die neu präsentierten Domschätze und die Ausstellung zur Geschichte des Doms. Er eröffnet aber vor allem die ursprünglich gewollte Form des Eintretens in das monumentale neugotische Gebäude. Wer von hinten in den Raum kommt, der wird beim Gang nach vorne in die aufwärtsstrebende Architektur gleichsam „hineingezogen“.
„Mit dem neuen Domcenter erhält der Mariendom in Linz eine Ergänzung, die den kirchlichen Bereich um einen weltlichen Servicebereich erweitert“, sagt Peter Haimerl. Im Café mit angeschlossenem Gastgarten nehmen Gäste und Passanten inzwischen gerne Platz. Peter Haimerl ist zufrieden: „Wir haben den Patz an seiner bisher unattraktivsten Stelle aktiviert.“ Und streut den Verantwortlichen der Diözese noch einmal Rosen: „Nicht nur seelsorgerisch, künstlerisch und sozial positioniert sich der Dom neu, sondern auch architektonisch.“ In seiner bayerischen Heimat könne er sich so etwas nur wünschen.