Den Dom ganz neu entdecken
Mit der Digitalisierung des Doms und seiner vielen Schätze ist das jetzt möglich. „Es ist wirklich faszinierend, immer wieder neue Details zu erkennen und Verknüpfungen herzustellen“, sagt Katrin Spindler, Assistentin des Dombaumeisters. Im vergangenen Jahr war sie unter anderem für die Digitalisierung des Planarchivs zuständig: 3800 Pläne rund um den Dom sowie weitere 1500 Pläne aus dem Nachlass der Dombaumeister. Es sind großteils historische Zeichnungen aus der Dombauzeit, die ältesten stammen aus dem Jahr 1859, der größte Plan ist mehr als drei Meter lang und zeigt den Entwurf des Turms von Baumeister Vincenz Statz.
Ein Jahr lang wurden alle Pläne von einem Team aus Kunsthistoriker:innen mittels Multishot-Aufnahmen hochprofessionell eingescannt und Metadaten wie Inhalt der Pläne, Verfasser oder Datum erhoben. „Die Farb- und Detailtreue ist beeindruckend“, sagt Spindler. Die digitalen Pläne dienen der Forschung und sind für die Arbeit der Dombauhütte sehr bedeutsam. Sie stellen aber auch einen wichtigen Baustein für die digitale Vermittlung dar. Erst kürzlich konnten sich Gäste aus ganz Europa bei der Dombaumeistertagung in Linz davon überzeugen. Der digitale Dom steht aber nicht nur den Expert:innen, sondern allen Besucher:innen offen.
Nur einen Klick entfernt
Wer den Dom durch das Domcenter betritt, gelangt in die Ausstellungskapelle Ost, in der schnell klar wird, wie digitale Vermittlung funktioniert. Hier sind beispielsweise der Blümelhuber-Schlüssel, die Maurerkelle von 1862 und der Rudigierkelch ausgestellt. „Alle Domschätze wurden mit 360-Grad-Technik oder sogar fotogrammetrisch aufgenommen, sodass man sie von allen Seiten betrachten kann“, sagt Katrin Spindler. Wer auf die Bilder neben den Objekten klickt, kann es nicht nur von allen Seiten betrachten, Besucher:innen erfahren auch mehr über die kunsthistorische, architektonische und spirituelle Bedeutung der Schätze.
Fenstergucker und Steineklopfer
Ebenso beeindruckend ist der Blick nicht durch, sondern auf die Fenster. Dazu müssen Besucher:innen nur in den (noch) versteckten Lift einzusteigen, der sie auf Augenhöhe mit den Raukamp-Fenstern fährt. „Vor allem bei schönem Wetter entwickeln diese Glasfenster eine unglaubliche Leuchtkraft“, sagt Spindler.
Wer weitergeht, kann auch einen kuratierten Blick auf das Grundsteinlegungsfenster werfen. Die digitale Vergrößerung zeigt Dombaumeister Statz mit dem Hammer in der Hand. Nebenan kann man sich selbst in ein Domfenster projizieren lassen. „Diese Glasgemäldefenster zu fotografieren ist hohe Kunst, der polnische Fotograf arbeitete mit riesigen Stativen“, erklärt Spindler.
An der digitalen Werkbank lassen sich alle Gesteinsarten, die im Mariendom verbaut sind, begreifen – im wahrsten Sinne des Wortes. Berührt man einen der Steine, erfährt man sofort mehr über Vulkantuff, Neuhauser Granit, Sandstein und all die anderen. Zudem erscheinen auf dem Bildschirm jene Bereiche im Dom, wo diese eingesetzt sind.
Digitaler Domzwilling
Im Deep Space des Ars Electronica Centers (AEC) soll der digitale Zwilling des Mariendoms künftig auch der Öffentlichkeit zugänglich sein. Er entstand aus einer sogenannten Punktwolke, für das 3-D-Modell wurde alle 0,5 Zentimeter ein Punkt gesetzt. Dazu wurde jede Fläche vom Boden bis zur Decke aufgenommen und über das „Skelett“ aus Punkten gelegt. „Der digitale Zwilling eröffnet den Betracher:innen ungeahnte Blickwinkel“, sagt Katrin Spindler. Es ist, als könnte man über und durch den Dom fliegen.
Übrigens: Zu sehen sind die Krippenfiguren, der Domschatz, die Bildfenster und die Pläne auch unter https://archiv.cantat.com
Verfasst von Claudia Riedler-Bittermann