Das Geheimnis der Hoffnung
Seit Beginn meiner Arbeit als Krankenhaus-Seelsorgerin im Jahr 1995 begleitet mich dieses Symbol. Immer, wenn es darum gegangen ist, Angebote, Gottesdienstzeiten, Erreichbarkeiten und vor allem unsere seelsorglich tätigen Frauen und Männer bekannt zu machen, fand sich dieses Zeichen auf den Aushängen in den Bettenstationen. Ursprünglich von und für die evangelische Krankenhaus-Seelsorge Mitte der 50er Jahre entwickelt, wird es heute – als Zeichen gelingender ökumenischer Zusammenarbeit – sehr oft einvernehmlich verwendet. Ich möchte am Tag der Kranken die Gelegenheit nutzen, dieses Symbol vorzustellen. Es ist mehr als ein gut designtes Logo. Es ist ein Bild für ein „Geheimnis der Hoffnung“, so sagt es W. Wiedemann[1], Pfarrer und Psychotherapeut aus Nürnberg.
Drei Seiten des Geheimnisses der Hoffnung
In seinen Ausführungen spricht Wiedemann von drei Seiten dieses Geheimnisses. Da ist zunächst der abgesägte Stamm. Eine Krankheit kann so ein Abgesägt-Werden sein, ein Unfall, eine Beziehung, die zerbricht, das Sterben und der Tod. Wenn jemand verliebt ist und der oder die andere kann diese Erfahrung und Gefühle nicht erwidern, dann kommt man/frau sich vielleicht vor wie dieser Stamm, der plötzlich abgesägt ist. Die Wunden tun weh und bluten. Und das, was hilft ist, den abgesägten Stumpf zu versorgen, zu reinigen und zu pflegen, so dass die Tränen, das Blut und der eitrige Ärger herausfließen können. Diese Art von Pflege geschieht nicht durch Verbinden mit Mull, sondern meistens durch Worte. Solche, die gehört werden, und solche, die gesprochen werden.
Dann kommt eine Zeitlang nichts. Eine schwierige Zeit, weil sie voll von Hoffnungslosigkeit ist. Und dann geschieht das, was auf dem Bild abgebildet ist: der neue Spross, die neue Blüte bricht hervor. Und auf einmal ist wieder Leben da. Man sieht die Sonne wieder, die Füße finden festen Grund, das Essen schmeckt, neue Hoffnung sprießt.
Beides – abgesägt werden und neu erblühen – sind Erfahrungen, die eigentlich nicht zusammen passen. Und deshalb vielleicht auch Angst machen. Die Angst, in Stücke zu zerbrechen. Die Angst, dahin und dorthin geschleudert zu werden und sich mit sich selbst und den anderen nicht mehr auszukennen. Beides – der abgesägte Stumpf und der neue Spross – passen eigentlich nicht zusammen.
Und deshalb ist es gut und vielleicht sogar nötig, dass sie durch die äußere Linie zusammengehalten werden. Dieses Zusammengehaltenwerden hat die Form eines Kreuzes. Und hat etwas mit dem zu tun, was das Kreuz ausdrückt. Das Erlebnis, dass jemand beide Erfahrungen gemacht hat: Sterben und Leben – und daran nicht zerbrochen ist, sondern zusammengehalten wurde.
Dieses Kreuz, das beide Erfahrungen zusammenhält, ist das Zeichen und das eigentliche Geheimnis der Hoffnung. Dass es einen gibt, der dafür sorgt, dass wir nicht auseinander fallen, sondern „gut beieinander“ sind und bleiben.
Mag.a Christiane Roser