Orgelimprovisation leicht gemacht! - Teil 4
2. Juni 2017, Freitagnachmittag, Studentenkapelle im Petrinum: Trotz gefühlter dreißig Grad und verlockendem Bade- und Ausflugswetter waren zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum (voraussichtlich) letzten Teil des Seminars „Orgelimprovisation leicht gemacht!“ mit Wolfgang Kreuzhuber gekommen. Neben Vorspielen und Basso ostinato-Variationen über eine Kadenz bzw. den Bass eines Kirchenliedes standen diesmal aufregende Themen für die Orgelbegeisterten auf dem Programm.
„Du machst Musik draus...“
Spannende Aufgaben hielt Kreuzhuber diesmal für die Seminarteilnehmerinnen und Seminarteilnehmer bereit: So galt es beispielsweise, außermusikalische Stimmungen – in diesem Fall einen Sonnenaufgang – wie im Stummfilm in Musik zu übersetzen. „Du machst Musik draus. Lass Deine Gefühle in Musik erklingen und wir alle schauen den Film an...“, erklärte der Referent vorab. In diesem Kontext wies Seminarleiter Kreuzhuber auch auf die Bedeutung von Musik für die Verkündigung hin und zeigte sich erfreut, dass diese Funktion auch immer mehr von Liturgen und Theologen erkannt wird.
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Dass die Übersetzung von Worten in Musik eine lange Tradition hat, zeigten Kreuzhubers historische Beispiele wie Johann Kuhnaus „Sonata I: Il combattimento trà David e Goliath“ („Der Streit zwischen David und Goliath“) aus dessen „Musicalische[r] Vorstellung einiger biblischer Historien“ (1700) oder Justinus Heinrich Knechts Tongemälde für Orgel zur „Auferstehung Jesu“ (1795/98).
„Stücke mit Charakter – oder: Charakterstücke“
In seiner Hinführung zur Improvisation von „Stücken mit Charakter – oder: Charakterstücken“ ging Kreuzhuber demnach von Schilderungen von Naturstimmungen wie der aufgehenden Sonne bis zur Improvisation über Josef Gabriel Rheinbergers „Abendfriede“ (1888). Auch beim Erklären arbeitete Kreuzhuber mit anschaulichen Bildern und Metaphern, so nahm man zum Beispiel jede einzelne Harmonie, zerschnitt diese mit der Schere und setzte sie dann wieder zusammen wie ein Puzzle.
Inspiriert durch diese Impulse befand man sich quasi schon am Vorhof der Improvisation über Texte (zum Beispiel Psalm 23,4: „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“ oder Jesaja 9,1: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“). Wie hätte in diesem Kontext ein Hinweis auf den Großmeister Olivier Messiaen fehlen können – und schon durfte sich eine Teilnehmerin in Anlehnung an Messiaens „Apparition de l'Église éternelle“ („Erscheinung der ewigen Kirche“, 1932) selbst an einem musikalischen Bild, einer musikalischen Vision versuchen und auf der Orgel präsentieren, wie sie sich die Ewigkeit vorstellt.
„Und was hast Du heute noch vor?“
Gewohnt humorvoll agierte Referent Wolfgang Kreuzhuber. Und so manches Bonmot lässt sich nach diesem Seminar in der ohnehin schon reichen Sammlung ergänzen. Nach einer nahezu Schubertschen Wendung bei der Improvisation einer Teilnehmerin hörte man: „Der Schubert hätte sich darüber sicher gefreut...“. Als man über die Pentatonik sprach, erklärte Kreuzhuber: „Das klingt fernöstlich?! – Kein Wunder, da kommt’s auch her!“ Und dass man beim oberen und unteren Orgelpunkt aufpassen muss, keine Massenkarambolage auszulösen, wissen die Teilnehmenden jetzt auch – schlagfertig ergänzte da ein Teilnehmer: „Das heißt, das ist dann die Rettungsgasse...“
Auch auf die Möglichkeit, Töne mit Gewichten (oder eben Bleistiften) lang zu halten, wies Kreuzhuber hin – eine ganz andere Möglichkeit der Improvisation. Darüber hinaus gibt es sogar komponierte Stücke, die diese Hilfsmittel erfordern. Und schon steckte er Bleistifte in die Tasten, demonstrierte das beispielhaft und grinste: „Die Frage ist, ob die Leute unten es aushalten... die holen sonst vielleicht erst mal den Orgelbauer!“ Zu lachen gab’s also auch genug in dem kurzweiligen, interessanten Seminar für „Anfänger und Geübtere“ (wie es in der Knecht-Orgelschule heißt) – zum Beispiel auch bei einem kurzen Sidestep zum Organistenalltag. Denn es kann schon mal vorkommen, dass man als Organist, während man beim Auszug gerade am Modulieren ist, vom Chor oder Chorleiter gefragt wird: „Und was hast Du heute noch vor?“ – Da kann man dann eigentlich nur antworten: „H-Dur“.
(sp)