LebensGRUND
Der alttestamentliche Tag beginnt mit dem Abend und endet wieder mit dem Sonnenuntergang. Das ist die Zeit der Erwartung. Der Tag der neutestamentlichen Gemeinde beginnt mit der Frühe des Sonnenaufgangs und endet mit dem Anbruch des Lichtes am neuen Morgen. Das ist die Zeit der Erfüllung, der Auferstehung des Herrn. In der Nacht wurde Christus geboren, ein Licht in der Finsternis, der Mittag wurde zur Nacht, als Christus am Kreuze litt und starb, aber in der Frühe des Ostermorgens ging Christus als Sieger aus dem Grabe hervor. [...]
"Die ihn liebhaben, sollen sein wie die Sonne aufgehet in ihrer Macht" (Richter 5,31).
Die Frühe des Morgens gehört der Gemeinde des auferstandenen Christus. Beim Anbruch des Lichtes gedenkt sie des Morgens, an dem Tod, Teufel und Sünde bezwungen darniederlagen, und neues Leben und Heil den Menschen geschenkt ward.
Was wissen wir Heutigen, die wir Furcht und Ehrfurcht vor der Nacht nicht mehr kennen, noch von der großen Freude unserer Väter und der alten Christenheit an der morgendlichen Wiederkehr des Lichtes? Wollen wir wieder etwas lernen von dem Lobpreis, der am frühen Morgen den dreieinigen Gott gebührt, Gott, dem Vater und Schöpfer, der unser Leben bewahrt hat in der finsteren Nacht und uns aufgeweckt hat zu einem neuen Tag.
(Dietrich Bonhoeffer)
Quellenangabe:
Text: Bonhoeffer, Dietrich: Der gemeinsame Tag. In: Müller, Gerhard Ludwig / Schönherr, Albrecht (Hrsg.) (2008): Dietrich Bonhoeffer Werkausgabe - Band 5: Gemeinsames Leben. Das Gebetbuch der Bibel. 3. Auflage. Gütersloh: Chr. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus. S. 35f.
Video: Sonnenuntergang und Sonnenaufgang am Hochkönig. © Martin Stifter.