Wolfgang Amadeus Mozart: „Missa brevis in B”
Entstehung und Uraufführung der „Missa brevis in B“, KV 275
Die genaue Zeit der Entstehung der „Missa brevis in B“, KV 275, ist nicht bekannt. Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) vermerkte auf seinen Manuskripten zwar oft Monat und Jahr der Niederschrift, doch das Autograph dieser Messe, das möglicherweise eine Datierung enthält, ist bereits seit 1854 verschollen.
Es gibt Abschriften, u.a. den Stimmensatz aus dem Familienbesitz der Mozarts, der sich seit 1787 im Notenbestand des Augustinerklosters Heilig Kreuz in Augsburg befindet. Daneben existieren Kopien in der österreichischen Staatsbibliothek, im Stift Lambach oder im Domarchiv Salzburg.
Zur Bestimmung der Entstehungszeit muss auf Sekundärquellen zurückgegriffen werden, wie beispielsweise auf einen Briefwechsel zwischen Leopold (1719–1787) und Wolfgang Amadeus Mozart. Aus ihm geht hervor, dass die Messe am 21. Dezember 1777 (4. Advent) in der Kirche der Benediktinerabtei St. Peter zu Salzburg aufgeführt wurde. Das Sopransolo sang dabei der neu an die Hofkapelle verpflichtete Kastrat Francesco Ceccarelli (1752–1840), der – so Leopold Mozart – „unvergleichlich“[1] gesungen habe. Damit erweist sich die Annahme, dass das Werk im Sommer oder Herbst 1777 vor Mozarts Abreise nach Mannheim und Paris komponiert wurde, als plausible Hypothese, die auch mit der stilkritischen Analyse korrespondiert. Eine noch frühere Entstehung kann allerdings auch nicht ausgeschlossen werden.
Aufbau der „Missa brevis in B“, KV 275
Komponiert ist die „Missa brevis in B“, KV 27,5 für Solistinnen und Solisten (Sopran, Alt, Tenor, Bass) und vierstimmigen Chor (Sopran, Alt, Tenor, Bass). Das Orchester ist mit zwei Violinen, Bass und Orgel („Wiener Kirchentrio“) und den drei in Salzburg üblichen colla-parte-Posaunen besetzt.
Die Messe besteht aus den folgenden sechs Sätzen und folgt dem Schema der meisten Salzburger Messen:
1. Kyrie (4/4, Allegro) |
Leicht und beschwingt präsentiert sich das Kyrie. Solistinnen und Solisten wechseln sich in einem Frage-Antwort-Spiel mit dem Chor ab. Verzichtet wird in diesem kurzen Satz auf einen eigenen „Christe eleison”-Teil – dieser ist mit dem „Kyrie eleison” verwoben. |
2. Gloria (2/4, Allegro) |
Das Gloria wiederholt selten Textteile und führt rasch zum Ziel. Die „Domine”-Anrufungen bleiben den Solistinnen und Solisten vorbehalten. |
3. Credo (4/4, Allegro) | Et incarnatus est (Adagio) – Et resurrexit (Allegro) |
Nachdem im Credo viel Text in kurzer Zeit in Musik umzusetzen ist, existiert ein schnell durchlaufendes Tempo. Wie üblich verlangsamt sich das Tempo mit dem „Et incarnatus est“, das den Solistinnen und Solisten vorbehalten ist. Der Chor nimmt schließlich das langsame Tempo im „Crucifixus“ auf, bevor im „Et resurrexit“ der Wechsel zurück zum heiter-beschwingten Allegro erfolgt. |
4. Sanctus (3/4, Andante) |
Das Sanctus zeigt sich als ruhig ausschwingendes Fugato, das jedoch kaum ausgeführt wird. Ein rasches Hosanna schließt den Satz ab. |
5. Benedictus (3/4, Andante) | Hosanna (Allegro) |
Wie so häufig ist auch hier das Benedictus als ruhiger Satz, der den Solistinnen und Solisten vorbehalten ist, angelegt. Der Abschluss erfolgt mit der Wiederholung des Hosanna aus dem Sanctus. |
6. Agnus Dei (4/4, Andante) | Dona nobis pacem (alla breve, Allegro) |
Beim Agnus Dei handelt es sich um den längsten Satz der Messe. Der Beginn ist dabei hochexpressiv und dramatisch: Der erste Choreinsatz erscheint als Aufschrei des Chores, der nach dem leisen Beginn unerwartet in einen Takt hineinplatzt. Hochpathetisch wirken der Oktavsprung des Soprans und die gequälte Chromatik des Alts. Das „Dona nobis pacem“ überschreitet mit seinen 150 Takten die Länge einer Missa brevis – gesetzt ist dieser Abschnitt als heitere Gavotte, die den Solistinnen und Solisten vorbehalten ist. Nach einem Rondo-Finale endet das Werk verhalten im Piano. |
Der liturgische Text dieser Messe wird immer wieder durch das Polytexturverfahren komprimiert, das heißt hintereinanderliegende Textteile werden zu gleichzeitig fortschreitenden Melodien gesetzt. Anwendung fand und findet dieses Verfahren aus der Kompositionslehre insbesondere bei der Gattung der Missa brevis, um die Vertonung der langen Ordinariumstexte (insbesondere Gloria und Credo) möglichst kurz zu halten.
Rezeption der „Missa brevis in B“, KV 275
Das Werk fand in handschriftlicher Form zunächst große Verbreitung. Mit der im 19. Jahrhundert aufkeimenden kirchenmusikalischen Reformbewegung und dem Cäcilianismus herrschte dann jedoch eine ablehnende Haltung gegenüber Mozarts „Missa brevis in B“, KV 275, vor, denn die heiter-beschwingte und volkstümlich-gefällige Grundstimmung der Messe erschien den Kirchenmusikreformern unvereinbar mit dem Ernst der Liturgie. Von „tändelnder Musik“, „wahre[r] Verirrung“ oder gar einer „musikalischen Todsünde“ war da die Rede.[2]
Auf dem Stimmensatz im Musikalienbestand der Pfarrkirche St. Jakob in Wasserburg/Inn (RISM D-WS 497) existiert auch ein Eintrag von 1860: „Die lateinische Messe, angeblich von Jos. Haydn [sic!], […] darf in den hiesigen Kirchen nicht mehr zur Aufführung kommen, denn diese Komposition ist ein offenbarer Hohn auf den heiligen Text. Wasserburg, den 5ten Febr. 1860. Kath. Stadtpfarramt Wasserburg, Koenig, Stadtpfr. mp“[3]
Heute erweist sich Mozarts Messe mit den neuen expressiven Ausdrucksformen jedoch als „[…] überzeugende Wiederlegung der Ansicht, dass Heiterkeit in der Kunst nicht mit Würde und Ehrfurcht vor dem religiösen Mysterium in Einklang zu bringen sei: Ohne ein tieferes Verständnis für die mitunter geradezu fröhliche Abgeklärtheit, in der sich das Gotteslob in diesem Werk äußert, blieben uns wichtige Aspekte des Wesens Mozart, der Anschauungen seiner Zeit und nicht zuletzt auch ein gutes Stück christlicher Glaubensfreude verschlossen.“ [4]
Anmerkungen:
[1] Bauer, Wilhelm A. / Deutsch, Otto Erich (Hrsg.) (1962/1963): Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe. Kassel: Bärenreiter. Band. 2. S. 200.
[2] Witt, Franz (1889): Über Mozart’s Missa brevis in B-dur. In: Kirchenmusikalisches Jahrbuch für das Jahr 1889. 14. Jahrgang des Cäcilienkalenders. Regensburg: Pustet. S. 19-24.
[3] Zit. nach: Roman, Ulrich von (o.A.): Die Messen W.A. Mozarts – Notizen zu einzelnen Werken. Kirchenmusik in Benediktbeuern. URL: http://home.mnet-online.de/kirchenmusikinbenediktbeuern/mozart.html [Stand: 06/2018]
[4] Janz, Bernhard (2000): Vorwort. In: Janz, Bernhard (Hrsg.) (2000): Wolfgang Amadeus Mozart: Missa brevis in B, KV 275. Stuttgart: Carus-Verlag. S. 3.
Quellenangaben:
Janz, Bernhard (2000): Vorwort. In: Janz, Bernhard (Hrsg.) (2000): Wolfgang Amadeus Mozart: Missa brevis in B, KV 275. Stuttgart: Carus-Verlag. S. 2f.
Reutter, Jochen (1991): Vorwort. In: Reutter, Jochen (Hrsg.) (1991): Wolfgang Amadeus Mozart: Missa brevis in B, KV 275. Stuttgart: Carus-Verlag. S. 2.
Roman, Ulrich von (o.A.): Die Messen W.A. Mozarts – Notizen zu einzelnen Werken. Kirchenmusik in Benediktbeuern. URL: http://home.mnet-online.de/kirchenmusikinbenediktbeuern/mozart.html [Stand: 06/2018]
Roßbach, Judith (2018): Missa brevis in B „Loretomesse“ KV 275. URL: https://gemeinden.erzbistum-koeln.de/stifts-chor-bonn/dokumente/werkbeschreibung/Mozart_KV275.html [Stand: 06/2018]
Foto: Kirche des Stifts St. Peter (Link zum Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:St_Peters_Church_(HDR)_(8408439900).jpg?uselang=de). © Steve Collins/wikimedia.commons.org/CC BY 2.0 (Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)
(sp)
Stefanie Petelin