Tausendsassa Telemann
„Ich bin in Magdeburg Anno 1682. d. 14. Mart. gebohren und d. 17. dit. Evangelisch-Lutherisch getaufft worden.” – so beginnt die Autobiographie eines der produktivsten Komponisten der Musikgeschichte: Georg Philipp Telemann. Sein Leben hat er mehrfach und in unterschiedlicher Länge beschrieben: in Johann Matthesons General-Baß-Schule (1718), in einem Brief an Johann Gottfried Walther (1729) und in Johann Matthesons „Grundlage einer Ehren-Pforte” (1740). Und dann gibt's da noch den Lebenslauf von 1744. Hier richtet sich der Fokus aber auf den Tausendsassa Telemann.
Ein großer Haushalt: die Telemanns!
Telemanns erste Frau Amalie Louise Juliane Eberlin starb nach nur zwei Jahren Ehe 1711 bei Geburt der Tochter Maria Wilhelmina Eleonora und so heiratete er bereits 1714 Maria Catharina Textor. Diese schenkte ihm schließlich neun Kinder. Zeitweise lebte neben seiner Tochter aus erster Ehe auch eine Magd, ein Hauslehrer und ein Schüler mit im Haus. Bis zu zwölf Personen – ein ganz schöner Trubel! 1735 trennte sich das Paar und Frau Telemann kehrte nach Frankfurt zurück. Chronisten berichten von ihrer Glücksspielsucht – gemunkelt wird allerdings auch von einem Ehebruch.
Taktisch klug: Telemann und der Hamburger Rat
Telemann hatte es in Hamburg nicht immer leicht – schon nach seinem ersten Jahr war er wohl ziemlich sauer: eine ziemlich kleine Dienstwohnung, die geringe Bezahlung und der Eingriff in seine künstlerische Freiheit vergällten ihm die Stadt. Und so kam ihm das auch finanziell lukrative Angebot aus Leipzig, das Thomaskantorat des verstorbenen Thomaskantors Kuhnau 1722 zu übernehmen, gerade recht. Doch der Hamburger Rat erkannte darauf hin, wie sehr er sich blamierte, wenn er Deutschlands berühmtesten Musiker schon nach einem Jahr an das wirtschaftlich schwächere Leipzig verlöre: im Protokoll steht zu lesen, „dass man diesen berühmten Musicus, dessen Kirchenmusik der Stadt ewig Ehre macht”, behalten wolle. Wie die Geschichte weiter geht, ist bekannt: Georg Philipp Telemann sagte Leipzig ab, Christoph Graupner wurde für die Stelle in Betracht gezogen, der durfte nicht… und so kam Johann Sebastian Bach zum Zug. Und Telemann blieb mehr als die Hälfte seiner Lebenszeit in Hamburg, wo er als Musikdirektor und Komponist das gesamte Konzertleben der Stadt über hatte.
Ganz schön produktiv: wöchentlich eine Kantate, jährlich eine Passion!
Wahrscheinlich musste Telemann mehr arbeiten als jeder andere Komponist vor oder nach ihm: neben dem Unterricht, den er im Johanneum zu geben hatte, musste Telemann wöchentlich eine Kantate für den Sonntagsgottesdienst komponieren. Zu den Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertagen waren's sogar jeweils drei Kantaten. Ganz zu schweigen von der Passionsmusik oder den Trauerkantaten. Unterhaltsmusik für hohe fürstliche Besucher stand ebenso am Programm wie die Kapitänsmusiken.
Mit 3600 Werken (und darunter sind Instrumentalwerke ebenso wie geistliche und weltliche Vokalwerke) ist Telemann einer der produktivsten Komponisten der gesamten Musikgeschichte: zugute kamen ihm da sicher seine recht flüssige Arbeitsweise sowie seine mit 75 Jahren überaus lange Schaffenszeit.
Mehr als nur ein Komponist: der Verleger Telemann
Bereits 1715 hatte Telemann in Frankfurt einen Verlag gegründet, den er schließlich bis 1740 in Hamburg fortführte. In erster Linie wurden dort Werke von ihm publiziert, teilweise sogar von ihm selbst gestochen. Musikverlage gab es damals nur wenige, in Hamburg gar keinen – es war zu der Zeit üblich, die Werke durch handschriftliche Kopien zu verbreiten. Telemann war mit seinen gedruckten Noten sehr fortschrittlich. Darüber hinaus konnte man bei ihm direkt Musikalien bestellen und sogar Angebotskataloge auf Deutsch und Französisch nutzen.
Paris ruft: international gefragt!
1737 nahm Telemann die Einladung einer Gruppe Pariser Musiker an und besuchte Paris und blieb ganze acht Monate. Deutsche Musik war damals allerdings nicht sehr angesehen in Paris – dass man in Frankreich gerade Telemann als einzigen deutschen Künstler so besonders schätzte, lag wohl daran, dass er sich häufig des französischen Stils in seiner Musik bediente und als Vertreter des „galanten Stils” gesehen werden kann.
Besonders bedeutsam empfand Telemann offenbar die Einladung, in einem der damals sehr berühmten „Concerts Spirituels” im großen Saal im Palais des Tuileries eigene Werke zu dirigieren - und zwar vor der gesamten Hofgesellschaft und dem Königspaar. Zu diesem Anlass hatte er eigenes sein Grand Motet „Deus iudicium tuum” komponiert. Weil die Aufführung so erfolgreich war, musste Telemann diese zwei Tage später sogar wiederholen.
Gärtner aus Leidenschaft: Telemanns heimliche Liebe
Mit über sechzig Jahren entdeckt Telemann schließlich seine Liebe zu Blumen und Gärten - an einen Frankfurter Freund schreibt er: „[…] so habe ich ihr [der Musik] doch seither ein Par Jahren eine Gefehrtinn zugesellet, nemlich die Bluhmen-Liebe, welche beyde wechselsweis mich ihrer Annehmlichkeiten theilhaft machen”. Daraufhin bittet er Musikerkollegen, ihm für seinen Garten seltene Pflanzen aus verschiedensten Orten zu schicken. Selbst Händel hat er gefragt. Und ein Pflanzenverzeichnis mit Telemanns „Garten=Vorraht” gab's 1742 dann auch schon. Wo Telemanns Garten allerdings genau war, lässt sich heute nur schwer sagen: vermutlich irgendwo vor den Toren der Stadt.
Berühmt – und doch schnell in Vergessenheit geraten!
Schon in Frankfurt war Telemann ein bekannter Mann, besonders berühmt wurde er dann in Hamburg. Und sein Name wird schließlich europaweit bekannt: seine „Tafelmusik” und seine „Nouveaux Quatuors” wurden aus Dänemark, Frankreich, Holland, Italien, Lettland, Norwegen, der Schweiz und Spanien bestellt. Und sogar Händel in London zählte zu Telemanns Bestellern. Zahlreiche Einladungen und Auftragswerke zeigen ebenso Telemanns Ansehen weit über die deutschen Grenzen hinaus.
Der Mann, der mehr Musik als Bach und Händel zusammen geschrieben hat, zeichnete sich mit allen spätbarocken Anforderungen aus: eleganter Wohlklang, gefällige Melodik, interessanter Satz und einer spielerischen Leichtigkeit. Und genau das wird ihm zum Verhängnis: der dramatische Wechsel in der Musikauffassung durch den Übergang vom Spätbarock zum Sturm und Drang lässt ihn nach seinem Tod bald in Vergessenheit geraten.
Erst im 20. Jahrhundert gräbt man Telemann wieder aus und erkennt (wie es Max Seiffert 1927 in einem Text kommentiert): „Unfaßbar, solchen Reichtum zu besitzen und ihn achtlos in der Ecke verstauben zu lassen!”
Quellenangabe:
Hamburger Telemann-Gesellschaft e.V: Georg Philipp Telemann. URL: http://www.telemann-hamburg.de/ [Stand: 11/2015]
Frankfurter Telemann-Gesellschaft e.V: Georg Philipp Telemann. URL: http://telemann.info/ [Stand: 11/2015]
Internationale Telemann-Gesellschaft e.V.: Georg Philipp Telemann. URL: http://www.telemann.org/startseite.html [Stand: 11/2015]
Bild: Georg Philipp Telemann: koloriertes Aquatintablatt von Valentin Daniel Preisler nach einem verschollenen Gemälde von Ludwig Michael Schneider (1750)(Link zum Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Philipp_Telemann#/media/File:Telemann.jpg). © Phrood~commonswiki/wikimedia.org/PD
(sp)