Ökumenisches Orgelseminar
Wolfgang Kreuzhuber, Direktor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz, und Franziska Leuschner, Diözesankantorin der Evangelischen Kirche Oberösterreich, luden am 14. April 2018 zum vierten ökumenischen Orgelseminar ein. Zehn Organistinnen und Organisten lernten die Orgeln in der evangelischen Christuskirche im Welser Stadtzentrum und in der katholischen Pfarrkirche Wels-Heilige Familie im Welser Stadtteil Vogelweide kennen und hatten die Gelegenheit, neue Literatur auszuprobieren und sich neue Inputs für das liturgische Orgelspiel zu holen.
Zwei Kirchen, zwei Orgeln!
Franziska Leuschner stellte am Vormittag die Orgel der evangelischen Christuskirche in Wels vor. Erbaut wurde die zweimanualige Orgel (Manualwerk: mechanische Schleifladen, Pedal: pneumatische Kegelladen) 1930 von Wilhelm Zika unter Verwendung von Pfeifen, Windlade und Gehäuse der einmanualigen Vorgänger-Orgel des Nürnberger Orgelbauers Bittner (1852). Für den Entwurf zeichnete der Eferdinger Komponist Johann Nepomuk David verantwortlich, der von 1930 bis 1934 als Organist an der Kirche tätig war. Heute besitzt die Orgel 31 Register, die originale Disposition von David hatte allerdings nur 27 Register. Gerne wird in Wels von der „Johann-Nepomuk-David-Orgel“ gesprochen, auch wenn seither zahlreiche Veränderungen – 1931 und 1960 dispositionelle Änderungen, 1985 eine technische Sanierung und Erweiterung – vorgenommen wurden. Auf der Empore der Christuskirche kann aber noch der originale Spieltisch von Johann Nepomuk David besichtigt werden.
Wolfgang Kreuzhuber stellte nachmittags die Orgel in der katholischen Pfarrkirche Wels-Heilige Familie im Welser Stadtteil Vogelweide vor. Dabei handelt es sich um ein Instrument der Orgelbaufirma Kögler aus St. Florian. Die Orgel aus dem Jahr 2016 besitzt zwei Manuale und 27 Register. Die reich ausgestaltete Disposition legt einen Schwerpunkt auf Barockmusik. Die Schleierbretter der Orgel stammen von Künstler Gerold Tagwerker (Wien), der zuvor auch bereits den Innenraum der Kirche neu gestaltet hatte.
Organistinnen und Organisten – Lokalmatadore und Weitgereiste!
Großteils erfolgte die Anreise zum ökumenischen Orgelseminar aus dem Linzer und Welser Raum, doch auch zwei „Weitgereiste“ aus Niederösterreich und Kärnten waren unter den zehn Organistinnen und Organisten zu finden.
Literaturspiel – barock bis modern!
Eine bunte Auswahl an Literatur hatten Referent Wolfgang Kreuzhuber und Referentin Franziska Leuschner zusammengestellt: von barocker Musik wie Johann Pachelbels (1653-1706) „Ach Gott, vom Himmel sieh darein“ und Andreas Armsdorfs (1670-1699) „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“ über frühromantische Musik wie Christian Heinrich Rincks (1770-1846) „Adagio No. 1“ und Gustav Adolf Merkels (1827-1885) „Präludium op. 170/1“ bis hin zu modernen Werken wie Maxence Guéniffeys (18??-1925) „Carillon Bref“, Frank Adlams (1858-1929) „Golden Bells“, Johann Nepomuk Davids (1895-1977) „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ und Andreas Willschers (*1955) „Träumerei“.
Liturgisches Orgelspiel – evangelisch und katholisch!
An eigenen Intonationen und Vorspielen wurde bei folgenden Choralbegleitsätzen gearbeitet: „Heil’ger Geist, du Tröster mein“ (EG 128 / GL 349), „Herr, Deine Güt ist unbegrenzt“ (GL 427), „Herr, Dir ist nichts verborgen“ (GL 428), „Solang es Menschen gibt auf Erden“ (EG 427 / GL 425) und „Wir glauben Gott im höchsten Thron“ (EG 184 / GL 355).
Johann Nepomuk David – ohne ihn geht’s in Wels nicht!
Ein Stück von Johann Nepomuk David an „seiner“ Orgel in der evangelischen Christuskirche zu spielen: „Das dürfen wir uns hier nicht entgehen lassen“, meinte Leuschner. Und Kreuzhuber ergänzte: „Das muss man hier spielen, alles andere wäre ein Fauxpas!“ Und so wagten sich mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Johann Nepomuk Davids „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ – schon bei der Registrierung gab Franziska Leuschner aber zu bedenken: „Hier merkt man schon: Sie entspricht nicht mehr zu hundert Prozent der ursprünglichen David-Orgel. Man hat nicht mehr ganz die Möglichkeit, genau das zu machen, was er schreibt, weil sich’s von der Lautstärkebalance nicht ausgeht...“. Und nachdem es das Stück „wirklich ziemlich in sich hat“, „bastelte“ man gemeinsam daran: In einer Koproduktion spielte ein Teilnehmer nur linke Hand und Pedal, eine andere Teilnehmerin ergänzte die rechte Hand, um die Artikulation deutlicher herausarbeiten zu können, denn Franziska Leuschner erklärte: „Es ist sehr, sehr geprägt von typischer Polyphonität, die David so geliebt hat. Also immer wieder gegeneinander laufende sehr eigenständige Linien. Der große Vorteil ist immerhin: Das Pedal hat zwar immer wieder diese großen Sprünge, aber es hat wenigstens nicht ganz so viele eigenständig zu gestaltende Linien, sondern wir haben immer wieder diese genau zwei Pedaltöne und die machen dieses Stück doch ein bisschen leichter als manch andere Stücke für David.“
Choralvorspiele – vielseitig und stressfrei!
Verschiedene Schemata für Intonationen und Vorspiele wurden für die Choralbegleitsätze erprobt. Franziska Leuschner wies außerdem mehrmals auf Figuren – wie zum Beispiel Vorhaltketten – hin, die man sich gut für’s Improvisieren merken kann. Gleichzeitig gab’s auch noch Tipps und Tricks, damit die Gemeinde keinen Frühstart beim Singen hinlegt.
Und Wolfgang Kreuzhuber erarbeitete mit den Teilnehmenden ein „Basismodell der Vier-Sterne-Vorspiele“, eine „Vorspiel-Variante, die in 93,5 Prozent aller Lieder funktioniert – nur nicht bei denen aus dem NGL-Bereich“. „Wie ein Navi durch Wels“ führt das Vorspiel dann zum Lied hin. Ein Beispiel aus dem Bereich der rhythmischen Lieder bot er aber mit „Solang es Menschen gibt auf Erden“ – schmunzelnd erklärte er: „Man darf in der Kirche natürlich nicht sagen, dass das ein Rumba-Rhythmus ist, das wär ein Tanz… aber das wär so eine Idee, die man auch ins Choralvorspiel einfließen lassen könnte…“
Pausen, Pausen, Pausen – erholsam und doch spannungsgeladen!
Vom Rhythmus zur Pause, denn: „Die Stille zwischen den Noten ist genauso wichtig wie die Noten selbst“, wusste bekanntlich schon Wolfgang Amadeus Mozart. Oder Stefan Zweig, der festhielt: „Auch die Pause gehört zur Musik.“ Wie wichtig Pausen sind, betonten auch Wolfgang Kreuzhuber und Franziska Leuschner mehrfach bei verschiedenen Stücken – ob bei Rincks „Adagio No. 1“, wo Kreuzhuber die Pausen mit den Atempausen in einer Rede verglich und ermutigte mit „Keine Angst vor Pausen!“, oder bei Davids „Allein Gott in der Höh sei Ehr“, als Franziska Leuschner auf die Pausen hinwies, die da unbedingt einzuhalten sind: „Bei David streng mit sich sein und die Pausen immer schön einhalten!“
Die Pause wurde nicht nur in der Musik eingehalten. Natürlich gab’s auch zwischen der Vormittagseinheit in der evangelischen Christuskirche und der nachmittäglichen Einheit in der katholischen Pfarrkirche Wels-Heilige Familie eine Pause – nicht nur um zu essen und zu entspannen, sondern auch um zu plaudern und sich auszutauschen.
Weitere Bilder gibt's in den Bildergalerien zur Vormittagseinheit und zur Nachmittagseinheit.
Situationskomik und Wortspiele – launig und humorvoll!
Gewohnt heiter und humorvoll ging es beim ökumenischen Orgelseminar zu – eine Auswahl der schönsten Situationen haben wir hier zusammengestellt:
Eine Pedalstelle funktioniert beim Choralbegleitsatz „Herr, Dir ist nichts verborgen“ bei einer Teilnehmerin nicht so ganz. Wolfgang Kreuzhuber fragt nach: „Die eine Pedalstelle... oder war das nur... war das die Orgel!?“ Und Franziska Leuschner ergänzt: „Tja, die Orgel spielt!“
Eine Teilnehmerin verspielt sich beim Choralbegleitsatz „Herr, Dir ist nichts verborgen“ und spielt statt Dur versehentlich Moll. Sie bricht ab und weist lachend darauf hin: „Das war jetzt Moll!“ Darauf kontert Wolfgang Kreuzhuber: „Das ist für die 12. Strophe!“
Beim Erarbeiten eines Choralvorspieles zu „Herr, Dir ist nichts verborgen“ erklärt Wolfgang Kreuzhuber: „Wenn man in Tonsatz ein bisschen mehr Ahnung hat, tut man sich wesentlich leichter...“ Darauf die Teilnehmerin lachend: „Ja, wenn man trifft...“
Wolfgang Kreuzhuber zum Spiel am Pedal: „Das ist ein bisschen gefährlich... es geht schon alles, es ist alles nur eine Nervensache...“
Franziska Leuschner beim fanfarenartigen Vorspiel einer Teilnehmerin: „Gefährdet sind da vielleicht nur ein paar Männer, dass sie schon lossingen... aber die sind eh nicht so mutig!“ Daraufhin ein Teilnehmer: „Da kennst Du die Männer hier schlecht...“
Auf dem Programm der Vormittagseinheit steht Andreas Willschers Charaktermusik mit dem Titel „Träumerei“. Wolfgang Kreuzhuber erklärt: „Er nimmt Themen, die zunächst einmal nicht aus dem Gottesdienst herauswachsen. Es geht hier um Träumerei. Ist vielleicht nicht die richtige Tageszeit jetzt grad zur Zeit...“ Franziska Leuschner erklärt lachend: „Oder grade noch!“
Wolfgang Kreuzhuber arbeitet mit einer Teilnehmerin an Willschers „Träumerei“ und fokussiert Dynamik und Betonungen, um Spannung und Entspannung zu verdeutlichen. Am Ende des Stückes ruft er: „Lang, lang, lang...“ – zum Hineinhören:
Daraufhin Franziska Leuschner lachend: „Ich dachte immer, Lang Lang spielt Klavier und nicht Orgel!“
Es ist kurz vor Mittag. Eine Teilnehmerin arbeitet gerade mit Wolfgang Kreuzhuber an Maxence Guéniffeys „Carillon de bref“, in dem die Glocken musikalisch nachgeahmt werden. Während die Teilnehmerin spielt, erklärt Wolfgang Kreuzhuber: „Da hört man fast schon die Glocken läuten, die jetzt dann kommen...“ Die Teilnehmerin spielt das Stück zu Ende – und wie in einer gelungenen Inszenierung beginnen die Glocken der Christuskirche zu läuten.
Das „Adagio No. 1“ von Rinck steht am Programm. Wolfgang Kreuzhuber schmunzelt: „Rincks oder lechts?“
Gustav Adolf Merckels romantisches Stück „Präludium op. 170/1“ verlangt nach einem Legato und der Raum in der katholischen Pfarrkirche Wels-Heilige Familie unterstützt diesen Wunsch, man kann sich ein Stück weit mehr getragen fühlen. Franziska Leuschner bringt es auf den Punkt: „Hier wollen wir jetzt nicht die Konsonanten spucken, sondern hier können wir’s einfach genießen, dass jetzt alles so schön dahinfließt, dass hier der Raum manches an Arbeit abnimmt.“
Wolfgang Kreuzhuber erklärt, dass eine englische Orgel wohl am besten für Frank Adlams Stück „Golden Bells“ geeignet sei, weil sie den Vorzug hat, nie sehr laut zu sein: „Immer nice, lovely... so wie sie lovely komponieren, klingen auch die Orgeln!“ Und dann weist er darauf hin, dass englische Orgeln leider sehr oft zu einem günstigen Preis zu haben sind, weil dort viele Kirchen zugesperrt werden: „Mit etwas Glück hat man eine tolle original englische Orgel zu Hause...“. Daraufhin eine Teilnehmerin: „Da muss ich mir dann nur erst noch das Haus dazu kaufen…“
Ökumenisches Orgelseminar – bunt und kurzweilig!
Nach den ökumenischen Orgelseminaren in Schwanenstadt (2015), Eferding (2016) und Vöcklabruck (2017) lässt sich nun auch zum vierten Mal resümieren: Ein kurzweiliger Seminartag mit vielen praxisnahen Tipps und Tricks für Literaturspiel und liturgisches Orgelspiel – von Registrierungen bis hin zur Artikulation, von Fingersätzen bis hin zum Pedalspiel, von Literaturempfehlungen bis hin zu Übetechniken. Wolfgang Kreuzhuber und Franziska Leuschner begleiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei gewohnt wertschätzend und humorvoll.
Man könnte eigentlich Wolfgang Kreuzhubers Hinweis auf Rincks Stück zitieren. Es ging darum, eine Phrase immer als neuen Gedanken, als Bestätigung des Gesagten zu artikulieren, was er mit diesem Beispiel illustrierte: „Heut ist schön. Heut ist aber wirklich schön. Na, heut ist aber wirklich so schön...“. Dem kann man sich eigentlich nur anschließen: Schön war’s.
Wolfgang Kreuzhuber knüpfte beim Verabschieden kurz noch an das letzte Lied des Tages („Solang es Menschen gibt auf Erden“) an: „Solang es Menschen gibt hier auf Erden, solang es Orgeln gibt hier auf Erden, werden wir uns mit Orgelmusik beschäftigen!“ Davon darf man ausgehen...
(sp)