HERBSTTÖNE in Freistadt
Der Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz unter der Leitung von Josef Haider eröffnete den herbstlichen Spätnachmittag mit „The Morning Trumpet“ von Benjamin Franklin White (1800–1879) in einem Arrangement von Mack Wilberg. Der aus South Carolina stammende Komponist erlange Bekanntheit mit seiner Sammlung „The Sacred Harp“ und begeisterte die Menschen mit seiner Lebendigkeit und seinem Temperament, sodass man über ihn schrieb: „Alle fühlten sich zu ihm hingezogen, wenn er von Musik und ihrem Zauber sprach.“[1]
Nach einer poetischen und äußerst herzlichen Begrüßung durch Christian Haubner in Vertretung der erkrankten Pfarr- und Dekanatsassistentin Irmgard Sternbauer und einleitenden Worten von Wolfgang Kreuzhuber, Direktor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz, erklangen zwei Sätze (Plein jeu à 2 chœurs, Récit) aus der „Suite du 5e ton“ des französischen Komponisten und Organisten Jacques Boyvin (1649–1706). Boyvin wirkte als Organist der Kathedrale Notre-Dame in Rouen und schuf im Wesentlichen Kompositionen für Tasteninstrumente. Die zwei Sätze der Suite musizierte Simon Eitzlmayr auf der Metzler-Orgel (2005, II/P).
Einladung zum Stillwerden und Wahrnehmen
Hermine Moser aus der Stadtpfarre Freistadt stimmte mit Max Feigenwinters (*1943) Text „Wenn die Herbstblätter fallen …“ auf den musikalisch-literarischen Herbstnachmittag ein und lud mit den Worten des Schweizer Autors zum Stillwerden, zum Wahrnehmen, zum Erleben und Dankbarsein ein.
Mit romantischen Klängen schloss der Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz (Leitung: Martha Ruttinger) an den Text an – zu hören war „In loud exalted strains (King of Glory)“ aus der Feder von Horatio William Parker (1863–1919), der zu den ersten bedeutenden amerikanischen Komponisten zählt. Parkers Kompositionsstil lässt sich dem europäischen romantischen Stil zuordnen, zumal er 1881 auch bei Joseph Rheinberger in München studierte. Am 18. Dezember 2019 jährt sich Parkers Todestag zum hundertsten Mal. Ein guter Grund, seiner musikalisch zu gedenken.
Michaela Aigner, Orgellehrerin am Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Linz, musizierte anschließend Johann Sebastian Bachs (1685–1750) aus den Leipziger Chorälen („Achtzehn Choräle von verschiedener Art“) stammende Choralbearbeitung „Allein Gott in der Höh sei Ehr“, BWV 663. Bach nimmt in seinem Werk Bezug auf das lutherische Kirchenlied aus der Feder von Nikolaus Decius, verfasst im Jahr 1523. In seinen Leipziger Chorälen stellte Bach Sätze aus verschiedenen Lebensperioden zu einer Sammlung zusammen und nutzte die Gelegenheit zu zahlreichen Detailverbesserungen.
Getragen von Gebeten
Christian Haubner las Petra Stadtfelds (*1961) berührendes Gebet „Sei mein Licht“, das die trüben Herbsttage erleuchtete und Stärke und Zuversicht zusprach.
Mit einem musikalischen Gebet von James Gossler (*1949) – „An Old English Prayer“ – knüpfte der Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz, geleitet von Carolin Landschützer, an Petra Stadtfelds Gedanken an. Der aus North Carolina stammende Gossler vertonte das alte englische Gebet „God be in my head“ ganz im Sinne des bittenden, flehenden Textes – unprätentiöse melodische Linien und beruhigende Kadenzen kennzeichnen daher die Komposition.
Moderne Klänge bot Manfred Zott an der Orgel mit dem fünften Satz „Acclamations“ aus Jean Langlais‘ (1907–1991) „Suite médiévale (en forme de messe basse)“, op. 56, aus dem Jahr 1947. Das Werk aus der Feder des blinden Komponisten und Organisten ist Langlais‘ erstem Orgellehrer, André Marchal, gewidmet.
Gedanken rund um Allerheiligen und Allerseelen
Die Feste Allerheiligen und Allerseelen rücken näher und näher – diesem Gedanken trug der nächste Konzertabschnitt Rechnung. Einleitend präsentierte Wolfgang Preissl aus der Stadtpfarre Freistadt den Text „Heilig werden“ des Schweizer Theologen Pierre Stutz (*1953), in dem sich dieser Gedanken über das Heiligsein im Alltag, in der Gegenwart macht.
Unter der Leitung von Claudia Haubner, selbst Chorleiterin beim Chor „Chorisma“ in der Pfarre Freistadt, sang der Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz das lebendige Traditional „Saints Bound for Heaven“ in einem Arrangement von Alice Parker und Robert Shaw, das die Freude des Textes musikalisch zum Ausdruck brachte.
Den Block rundete Carolin Landschützer mit Christopher Tamblings (1964–2015) Orgelstück „Fanfare for St. Gregory“ ab. Der britische Komponist, Organist und Chorleiter machte sich weit über die Grenzen seines Landes hinaus einen Namen als Herausgeber, Komponist und Bearbeiter von Chor- und Orgelwerken. Tamblings Kompositionsstil ist tief in der englischen Romantik verwurzelt und zeichnet sich durch Klangschönheit, musikalische Frische und Praxisnähe aus. Seine reiche Erfahrung als Kirchenmusiker ermöglichte ihm, stimm- und instrumentenspezifisch zu komponieren und arrangieren.
Fortissimo der Abschiedssymphonie
Hermine Moser schilderte in Maria Sassins (*1963) Text berührende „Oktoberimpressionen“ – ganz im Sinne eines im Herbst erklingenden „Fortissimo der Abschiedssymphonie“.
Nicht minder berührend war Moses Hogans (1957–2003) daran anschließendes Chorwerk „Hear My Prayer“ – die von tiefem Glauben geprägten Worte des Stücks bekommen angesichts der Lebensgeschichte des amerikanischen Komponisten, der selbst fünfundvierzigjährig nach einem langen Kampf gegen die Krankheit an einem Hirnturmor starb, eine noch tiefere Bedeutung. Interpretiert wurde das Stück vom Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz unter der Leitung von Gerlinde Plank.
Wolfgang Kreuzhuber (*1957), Direktor und Orgellehrer am Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Linz, entlockte der Freistädter Metzler-Orgel moderne und imposante Klänge – bei seiner freien Improvisation.
Auf dem Weg nach Hause ...
Nach dem Schlusssegen von Wolfgang Preissl wünschte der Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz (Leitung: Verena Stütz) auch musikalisch noch eine gute Heimreise – mit „The Road Home“ von Stephen Paulus (1949–2014). Stephen Paulus schrieb wenige Monate vor seinem Tod Gedanken zur Entstehung des Werkes nieder: „Im Frühling 2001 erhielt ich von den Dale Warland Singers den Auftrag, ein kurzes ‚folkartiges‘ Chorarrangement zu schreiben. In einem Volksliederbuch hatte ich die Melodie ‚The Lone Wild Bird‘ entdeckt, in die ich mich sofort verliebte. Ich […] fragte meinen guten Freund und Kollegen Michael Dennis Browne um Worte zu dieser Melodie. Die Melodie stammt aus der Sammlung ‚The Southern Harmony Songbook‘ von 1835. Sie ist pentatonisch und das macht wohl auch ihren Reiz aus. […] Michael schrieb drei Strophen und gab ihnen den Titel ‚The Road Home‘. Er schrieb so wortgewandt über das Heimkommen, das Zurückkehren nach dem Umherwandern, nach dem Sichverlaufen. Ein universelles Thema, das bei Chören auf der ganzen Welt Anklang gefunden hat. […] Das kleine A cappella-Chorstück ist daher einmal mehr ein Beweis dafür, dass die mächtigste und schönste Botschaft oft eine einfache ist.“[2]
Auch Textdichter Michael Dennis Browne äußerte sich zu seiner Schöpfung im September 2010: „Mehrere Wochen spielte ich die aufgenommene Melodie wieder und wieder, während ich einige Worte formte, die zu ihrer Gestalt passten. Jedes Mal, wenn ich mit dem Hund spazieren ging, sang ich die Noten leise vor mich hin. […] Alles, was ich über die Melodie wusste, war, dass sie aus dem ‚Southern Harmony‘-Songbuch von 1835 stammte und unter verschiedenen Titeln aufgeführt worden war. […] Ich tat, was ich tun musste: Ich verbrachte viel Zeit mit der Melodie und versuchte herauszufinden, was sie mir sagen wollte. Ich besuchte in dieser Zeit immer wieder England, wo meine geliebte Schwester Angela krank geworden war. Und ich dachte sicherlich auf eine Weise auch an ‚das alte Land‘, das ich 1965 verlassen hatte, um in die USA zu gehen. In den ersten drei Tönen hörte ich auch den Anfang von ‚Loch Lomond‘, ein Lied, das ich seit meiner Kindheit gesungen und geliebt hatte. Was ich suchte, war eine bedeutende Einfachheit, etwas Denkwürdiges, Nachklingendes und Strukturiertes, aber nicht so komplex wie Gedichte oft sein können oder müssen. […] Nach und nach kamen die Worte. Ich dachte an den Erzähler eher als andere Person als an mich, obwohl es natürlich eine ‚persönliche Schwingung‘ geben musste […]. Ich versuchte auch, den Trost zu vermitteln, der jemandem im Glauben in belastenden Zeiten als Ergebnis des Gebets und des Glaubens an die göttliche Barmherzigkeit zuteil werden kann. […] Poesie ist meine ursprüngliche Liebe – und ich bringe all meine Fähigkeiten und Energien, die ich als Poet habe, in das Schreiben von Libretti und Gedichten ein. Es ist eine Freude zu wissen, wie dieses Stück Menschen berührt und – in einigen Fällen – Teil ihres Lebens wird. Das ist ein Privileg, das ich nicht unterschätze – diese Tatsache ehrt und freut mich.“[3] Und sicher haben Paulus und Browne mit ihren Worten und Klängen auch in Freistadt wieder Menschen berührt und das Lied Teil ihres Lebens werden lassen …
Anmerkungen:
[1] Miller, Kiri (2002): The Chattahoochee Musical Convention, 1852–2002: A Sacred Harp Historical Sourcebook. Carrollton, Georgia: The Sacred Harp Museum. S. 164.
[2] Paulus, Stephen (2013): Work Story: The Road Home. A note from composer Stephen Paulus on The Road Home. URL: https://stephenpaulus.com/blogs/news/17806884-work-story-the-road-home [Stand: 10/2019]
[3] Browne, Michael Dennis (2010): Work Story: The Road Home. A note from librettist Michael Dennis Browne on The Road Home. URL: https://stephenpaulus.com/blogs/news/17806884-work-story-the-road-home [Stand: 10/2019]
Stefanie Petelin