Christoph Graupner... macht sich auf!
Geboren wurde Graupner 1683 im sächsischen Kirchberg im Erzgebirge – nach erstem Musikunterricht bei seinem Onkel Nicolaus Küster besuchte er ab 1696 die Leipziger Thomasschule, wo er unter anderem Musikunterricht bei Thomaskantor Johann Schelle genoss.
Jura, Gänsemarkt und der opernfanatische Landgraf!
1703 begann Graupner ein Jurastudium in Leipzig – um 1706 floh er vor der schwedischen Besetzung nach Hamburg, wo er unter Reinhard Keiser als Cembalist in der damals berühmten Hamburger Oper am Gänsemarkt arbeitete und nebenher einige kompositorische Projekte umsetzte.
Richtig „ernst” wurde es schließlich, als er den musikfanatischen Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt kennenlernte. Dieser warb ihn ab und machte ihn 1709 an seinem Hof zum Vizekapellmeister unter Kapellmeister Wolfgang Carl Briegel – noch vor dessen Tod wurde Graupner offiziell zum Hofkapellmeister ernannt und damit der Hauptverantwortliche für Musik. Dazu zählte jedoch nicht allein das Komponieren, Auswählen, Proben und Aufführen von Musik für sämtliche Anlässe, Graupner betätigte sich auch selbst im Erstellen des Aufführungsmaterials.
Weg aus Darmstadt?
Im Juli 1709 erklang in Darmstadt so die erste Kantate Graupners („Süßer Tod”, GWV 1148/09) bei einem Sonntagsgottesdienst – und das hätte er wohl selbst damals auch nicht gedacht, dass er bis zu seinem Tod 51 Jahre später im Dienste des Landgrafen bleiben würde.
In den Ehestand erhob Graupner sich in dieser Zeit auch, als er 1711 die Bischofsheimer Pfarrerstochter Sophie Elisabeth Eckard heiratete, die ihn zum Vater von sieben Kindern machte.
Landgraf Ernst Ludwig hatte als Liebhaber der Oper gehofft, in seiner Residenz durch Graupner eine ähnlich moderne Oper wie das Hamburger Gänsemarkttheater zu etablieren – doch nach einer relativ ambitionierten Anfangsphase wurden die Opernaufführungen 1719 ob der notorischen Geldnot am Darmstädter Hof eingestellt. Wen wundert es da, dass er sich in diesen unsicheren Zeiten nach einer attraktiveren Stelle umsah, die er sich in jener Stadt, aus der er dereinst gekommen war, erhoffte: in Leipzig.
„Der Graupner bleibet...” - und zwar in Darmstadt!
Rund sechzehn Jahre, nachdem er Leipzig verlassen hatte, bot sich ihm die Möglichkeit für eine dauerhafte Rückkehr – und zwar durch den Tod Johann Kuhnaus im Juli 1722. Dieser war lange Jahre Organist an der Thomaskirche und seit 1701 auch Thomaskantor gewesen und Graupner hatte als Thomaner dereinst Klavier- und Kompositionsunterricht bei ihm erhalten. Wie verlockend für Graupner, Nachfolger des einstigen Lehres an der so berühmten Thomaskirche zu werden!
Unter Vorgabe eines falschen Ziels reiste Graupner so nach Leipzig, um vor Ort die gewünschten Probekompositionen zu schreiben, die den Anforderungen der Prüfungskommission entsprachen - einer Verpflichtung als Thomaskantor stand so nichts mehr im Wege, außer: das Einverständis seines Darmstädter Dienstherrn. Dieser versagte es ihm: „Der Graupner bleibet...” – und so versüßte er ihm das Bleiben durch eine anständige Gehaltserhöhung, die Graupner zu einem der best bezahlten Kapellmeister seiner Zeit werden ließ und Johann Sebastian Bach schließlich zur Ernennung zum Thomaskantor verhalf, worauf der Leipziger Rat zu Protokoll gab: „...da man nun die besten nicht bekommen könne, müße man mittlere nehmen...”
Fleißig – und plötzlich: erblindet!
Und so blieb Graupner weitere dreißig Jahre in der Residenz von Hessen-Darmstadt, in denen viele Kompositionen – darunter geistliche und weltliche Kantaten, Instrumentalmusiken der verschiedensten Gattungen – entstanden. Obwohl er sich in dieser Zeit sehr zurückzog, beschäftigte sich Graupner mit den aktuellen Werken von Kollegen, die zum Teil sogar von den Darmstädter Musikern aufgeführt wurden, wie das von Graupner erstellte Aufführungsmaterial belegt.
Zum Jahreswechsel 1754 schrieb er schließlich seine letzte Kantate für den Geburtstag Ludwigs VIII., Ernst Ludwigs Sohn. Graupner erblindete und widmete sich bis zu seinem Tod 1760 eher administrativen Aufgaben.
Fast vollständig erhaltenes Werk – selten in Konzerten anzutreffen!
Ziemlich umfangreich ist Graupners Werk – bis 1719 hatte er mehrere Opern geschaffen, danach eine Vielzahl an kirchlichen und instrumentalen Werken. Rund 2000 Werke sind im Graupner-Werkverzeichnis zu finden: 1418 kirchliche Kantaten, 24 weltliche Kantaten, 113 Sinfonien, 44 Solokonzerte, 80 Suiten, 36 Kammersonaten und Klaviermusik sowie mindestens acht Opern.
Gegen seinen Willen wurde dieser musikalische Nachlass 1760 nicht vernichtet, sondern nach langen Rechtsstreitigkeiten zwischen Familie und Landgrafschaft in 1819 in die Bibliothek der Darmstädter Hofkapelle übertragen. Heute befindet sich sein Werk zum größten Teil in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt – nur wenig ist davon veröffentlicht und wartet so noch auf die Entdeckung durch Musiker und Musikwissenschafter.
Darum verwundert es nicht, dass das Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Linz bei seinem Adventkonzert „Mache dich auf, werde licht” (GWV 1111/16) aufführt – Graupner komponierte diese Kantate nach einem Text von Georg Christian Lehm. Eindringlich wird im Nacheinander der Arien tiefer und hoher Solostimmen (Bass, Alt, Tenor uns Sopran) auf Jesus Christus, das Licht hingewiesen, bis der Chor im Schlusschoral festhält: „So kann es in Zukunft ganz freudigst geschehen dich ewiges Wesen im Lichte zu sehen.
Ja, Graupner macht sich auf...!
Quellenangabe:
Arbeitsgruppe Geschichte der Universität Leipzig (2009): Johann Sebastian Bach und die Universität. URL: http://research.uni-leipzig.de/agintern/uni600/ug151.htm [Stand: 11/2015]
Kramer, Ursula (2014): Christoph Graupner – Eine Biographie. URL: http://www.christoph-graupner-gesellschaft.de/index.php/pages/biographie/34-christoph-graupner-eine-biographie [Stand: 11/2015]
McCredie, Andrew (2001): Graupner, Christoph. In: Grove Music Online. URL: http://oxfordindex.oup.com/view/10.1093/gmo/9781561592630.article.11654 [Stand: 11/2015]
o.A.: Graupner, Christoph. In: Finscher, Ludwig (Hrsg.) (2000): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Personenteil. Kassel / Stuttgart: Bärenreiter / Metzler. Spalte 1525-1532.
Bild: Christoph Graupner: Mache dich auf, werde licht. © Christoph Graupner: Mache dich auf, werde licht. Autograph 1716. URL: http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/Mus-Ms-424-02 [Stand: 11/2015]
(sp)