Stille – gefüllt mit der Gegenwart Gottes
„Gib Dir jeden Tag eine Stunde Zeit zur Stille.
Außer wenn Du viel zu tun hast. Dann gib Dir zwei.“
Dieser scheinbar widersprüchliche Rat wird dem Mystiker Franz von Sales (François de Sales) zugeschrieben. Es scheint, als habe der Franzose Hektik und Zeitnot unserer Tage zum Anlass genommen, um diese Unterweisung zu formulieren – doch der heilige Franz von Sales lebte und wirkte bereits im 16. und 17. Jahrhundert. Aber der vielbeschäftigte Mann wusste aus eigener Erfahrung, wovon er sprach …
Diese Stunde der meditativen Stille gelingt am besten, wenn wir Zeiten in der Ebbe und Flut unseres täglichen Lebens festsetzen (im Sinne der mittelhochdeutschen „gezīt“, der festgesetzten Zeit, der Gebetsstunde), die uns in unserem hektischen und stressigen Alltag, der täglich laut und manchmal fast unerbittlich über uns hereinbricht und uns mit seinen vielen Eindrücken fordert, unterbrechen. Diese Stunde der Stille – das ist Zeit, um uns auf das Wesentliche zu besinnen, um den Blick darauf zu richten, was wichtig und richtig ist. Und gerade dann, wenn es drunter und drüber geht, wenn Überforderung sich breit macht, ist es noch wesentlicher, uns bewusst Zeit zu nehmen, um innezuhalten, uns der Stille hinzugeben, um im Anschluss daran wieder mit neuen Kräften ans Werk gehen zu können. Und diese Stille sollte nach der Überzeugung des Franz von Sales vor allem mit der Gegenwart des liebenden Gottes gefüllt sein.
Zur Person:
Franz von Sales, 1567 in Savoyen geboren, wurde 1594 zum Priester und 1602 zum Bischof von Genf mit Sitz in Annecy geweiht. Unermüdlich als Seelsorger, begnadet als Prediger, einfühlsam als Begleiter – Franz von Sales, der „Gentleman“ unter den Heiligen, wie er gerne bezeichnet wird, begeisterte und beeindruckte die Menschen seiner Zeit. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Philothea: Anleitung zum frommen Leben“ (1609) und „Theotimus: Abhandlung über die Gottesliebe“ (1616). Gemeinsam mit Johanna Franziska von Chantal gründete er 1610 die Ordensgemeinschaft der Schwestern von der Heimsuchung Mariens (Salesianerinnen, Visitantinnen). Franz von Sales starb 1622 in Lyon; er wurde 1665 heiliggesprochen und 1877 zum Kirchenlehrer (Doctor ecclesiae) ernannt. Franz von Sales ist Patron der Journalisten und Schriftsteller, der Gehörlosen sowie der Städte Genf, Annecy und Chambéry. Als Attribute trägt er Herz, Buch und Schreibfeder bei sich. Die römisch-katholische Kirche begeht seinen Gedenktag am 24. Januar.