Lichtmomente
Manchmal gibt es im Leben von uns Menschen Momente oder Ereignisse, die etwas ganz Besonderes an sich haben, und diese Momente können oft auch Auslöser für entscheidende Entwicklungen oder Veränderungen im Leben sein.
Da geht einem auf einmal ein Licht auf. Da erkennt man Zusammenhänge. Da wird man von etwas ganz und gar erfasst. Momente wie ein Lichtblick, eine Sternstunde.
Das ereignet sich meist in außergewöhnlichen Lebenssituationen – in Freud oder Leid, in Gemeinschaft oder Einsamkeit. Man fühlt sich angesprochen und innerlich betroffen und da klärt sich etwas. Ein neuer Horizont tut sich auf. Da weiß und spürt man auf einmal, wie oder wo es weitergeht, und man wünscht sich, dass es immer so bleiben soll: „Verweile Augenblick, du bist so schön!“
So ähnlich ist es wohl auch den drei Jüngern Jesu – Petrus, Jakobus und Johannes - ergangen, als sie mit ihm auf einen hohen Berg gegangen sind um zu beten. Und genau diese Drei werden es sein, die später eine Erklärung und Deutung dafür finden werden, warum Jesus leiden und sterben musste. Sie sind nach den Frauen auch die Ersten am offenen Grab und werden sozusagen zu Kronzeugen der Auferstehung. Es geht um die Bibelstelle von der sogenannten Verklärung Jesu, die wir jedes Jahr am zweiten Fastensonntag als Evangelium hören (Mk 9,2-10).
Der Berg ist in der Bibel immer der Ort, wo Himmel und Erde sich berühren, der Ort der Gottesnähe. Und das, was sich da auf diesem Berg ereignet, war sicherlich ein gewaltiger Lichtblick im Leben dieser drei Jünger, auch wenn es zuerst einmal Angst und Unsicherheit auslöst. Nach dem ersten Schrecken will Petrus diesen besonderen Moment festhalten.
Diese Form der Gottesbegegnung hat eine außergewöhnliche Intensität und Qualität. Der Bericht von der Verklärung Jesu am Berg Tabor liefert uns wunderschöne Bilder, um das zu beschreiben:
- Es ergibt sich eine klare Sicht auf die Dinge und Geschehnisse.
- Zusammenhänge werden erkennbar und man sieht etwas in ganz neuem und hellem Licht.
- Man ist total erfasst von dem Geschehen, eingehüllt in eine Wolke der Gottesnähe.
- Es kann auch etwas Erschauderndes, Erschütterndes, Faszinierendes haben.
- Und es sind Augenblicke von tiefer Intimität: man posaunt nicht einfach alles heraus, was man da gerade erlebt hat, man behält es zunächst einmal für sich, überlegt und bewahrt es in seinem Herzen.
Mich erinnert das auch noch an eine andere Szene des Neuen Testaments, nämlich an die Begegnung von Maria Magdalena mit dem auferstandenen Jesus am Ostermorgen. Auch sie will ihn festhalten, doch Jesus sagt zu ihr: „Halte mich nicht fest!“. Intensive Gotteserfahrungen oder -begegnungen kann man (offenbar) nicht festhalten. Sie können (und wollen) aber offenbar Anstoß und Kraftquelle zum Handeln und Weitergehen sein. Sie können neue Perspektiven geben und Sicherheit.
Nun sind solche Momente nicht gerade etwas Alltägliches und in solcher Intensität wohl eher selten. Aber wir kennen aus der Bibel dann ja auch die einfachen, weniger spektakulären Formen der Gottesbegegnung im Alltag. Dort, wo Menschen ihr Leben miteinander teilen, wo durch Nähe und Zuwendung Heilung passiert, wo man sich um Versöhnung und Gerechtigkeit bemüht.
Alle Momente von Gottesbegegnung sind Geschenke, die kann man nicht selber machen. Was man aber tun kann, ist, bereit und empfänglich dafür zu werden. Zwei Sinne sind ja in diesem Evangelium besonders angesprochen: das SEHEN und das HÖREN.
Die Fastenzeit will eine Zeit sein, in der wir unsere Sinne schärfen. Eine Zeit, in der wir genau wahrnehmen, wie es um uns und um unser Leben steht, wo wir unsere Kraft- und Lebensquellen aufspüren und wo wir vielleicht so manches auch wieder klären und ordnen (können).
Und sie ist auch eine Zeit, die uns einladen will, dass wir unseren Beziehungen wieder eine neue Qualität geben, auch der Beziehung und Begegnung mit Gott. So kann sich vielleicht auch der eine oder andere Lichtmoment einstellen.
Übung zur Schärfung der Sinne:
Nimm dir in dieser Woche bewusst eine Stunde Zeit und geh in die Natur. Halte zwischendurch auch bewusst inne, spüre deinen Atem, gehe in Verbindung mit dir. Und öffne deine Sinne: Was siehst du? Was hörst du?