Sieben Uraufführungen beim Präsentationskonzert
Nach einer Begrüßung durch Bischofsvikar Johann Hintermaier, Eva Malfent als organisatorischer Leitung der oberösterreichen Kultur EXPO Anton Bruckner 2024 sowie Kulturstadträtin Doris Lang-Mayrhofer wurden die sieben Werke, die im Rahmen der Kompositionswerkstatt: Komponieren in HIMMLISCHER HÖHE entstanden waren, durch das Vokalensemble Cantando Admont (Leitung: Cordula Bürgi) uraufgeführt. Anlässlich der Doppeljubiläen 100 Jahre Mariendom und 200 Jahre Anton Bruckner war die Kompositionswerkstatt: Komponieren in HIMMLISCHER HÖHE – angesiedelt im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation – aus der Taufe gehoben worden und im Zuge eines Projektcalls als eines von 18 Eigenproduktionen der oberösterreichischen Kultur EXPO Anton Bruckner 2024 ausgewählt worden.
Cantando Admont: Hochkarätiges Ensemble für die Uraufführungen
Das 2016 gegründete Vokalensemble Cantando Admont vereint herausragende Sängerinnen und Sänger zu einem Klangkörper, vereint die Besonderheiten dieser einzelnen Stimmen zu einem ausdrucksstarken Ganzen. Unter der Leitung von Cordula Bürgi hat es sich Cantando Admont zum Ziel gesetzt, den Reichtum des historischen vokalen Erbes im zeitgenössischen Schaffen wieder zu beleben. Das Vokalensemble arbeitet dabei eng mit zeitgenössischen Komponist:innen wie Beat Furrer, Younghi Pagh-Paan Feliz oder Peter Ablinger zusammen und tritt regelmäßig bei renommierten Festivals wie den Salzburger Festspielen, dem steirischen herbst oder Wien Modern sowie in hervorragenden Häusern wie dem Concertgebouw Amsterdam, der Deutschen Oper Berlin oder dem Teatro Colón Buenos Aires auf. Dass dieses hochkarätige Ensemble für die Uraufführungen der sieben Kompositionen von Lara Bäucker, Jakob Böttcher, Emma Ebmeyer, Tina Geroldinger, Sarah Proske, Sara Stevanović und Anna Wielend gewonnen werden konnte, ist daher eine große Freude für die Komponierenden und Verantwortlichen der Kompositionswerkstatt. Bürgi hatte bereits bei der Konzerteinführung verraten: „Der ganze Dom klingt einfach und ich habe das Gefühl, ich als Dirigentin mach diesen Klang. Und das ist einfach fantastisch.“
Tina Geroldinger: Möwe, wie kannst du so schön weinen?
Die 2000 geborene und seit Herbst 2024 an der Universität Mozarteum in Salzburg studierende Tina Geroldinger gab mit ihrem Werk szenische Einblicke in die Gedankenflut einer Kurzzeit-Eremitin. Mit ihrer Komposition Sammelalbum – Möwe, wie kannst du so schön weinen? legte die Kirchberg-Theningerin sieben szenische Abbildungen für Vokaloktett und großen Kirchenraum vor. In den sieben Sätzen Raum Klang geben, Naturalismus, kopflastig, Grabbeigabe, immer höher & weiter, Klang Raum geben und In Raum und Zeit fungiert die Möwe als zentrale Figur der Komposition, wie Geroldinger hervorhob: „Möwe heißt im lettischen Kaija – ein Mädchenname, der in anderen Sprachen auch Erde und Leben bedeutet.“ Noch sprachlos zeigte sich Geroldinger nach dem Uraufführungserlebnis: „Alles, was ich jetzt dazu sagen kann, ist ein großes DANKE!“
Emma Ebmeyer: nachWelle
Die Hamburgerin Emma Ebmeyer, geboren 2001, begann bereits im Alter von acht Jahren zu komponieren. Nach Abschluss ihres Bachelorstudiums Komposition an der Universität Mozarteum Salzburg 2024 setzt sie dort nun ihr Masterstudium fort. Ihre Komposition nachWelle spülte Klangwellen – kleine und große, starke und schwache, langsame und schnelle – in den Linzer Mariendom. Durch die Platzierung der Sänger:innen im Kirchenraum arbeitete Ebmeyers Stück mit Klangbewegungen, die an Wellen erinnern. Das Stück bestand dabei aus Einzeltönen oder zusammenhängenden Tönen mehrerer Sänger:innen, durch die diese Bewegung des Klangs durch den Raum entstand, sodass Klänge vom Sopran 1 bis zu Bass 2 durchgereicht wurden.
Sarah Proske: Fiori musicali
Die 1999 im thüringischen Suhl geborene Sarah Proske studiert nach Abschluss ihres Masterstudiums 2024 in Kirchenmusik mit dem Schwerpunkt IKN (Improvisation – Komposition – Neue Medien) an der Musikhochschule Lübeck derzeit dort im Master Orgelimprovisation bei Franz Danksagmüller. Ihrer Komposition Fiori musicali legte sie den Gedanken zugrunde: „Was wäre, wenn man mit der Stimme nicht nur Töne und Klänge, sondern auch Farben, Muster, Strukturen und Figuren hervorbringen kann?“ Proske verstand dabei jeden erklingenden Ton als Pinselstrich, bis auf diese Weise ein Klangbild entstand, so dass sie resümierte: „Alles aus Klang – gemalt mit Stimmen. Oder erschaffen? Für einen schönen Moment leuchten die Farben. Doch die Stimmen verklingen, die Schöpfung vergeht. Für die Ewigkeit blüht sie nur, wenn sie immer wieder neu erdacht wird.“
Proske war von der Klangschönheit der Stimmen von Cantando Admont beeindruckt – und darüber hinaus: „Begeistert war ich, wie verschieden und einfallsreich die Ideen aller Komponist:innen waren und wie abwechslungsreich und überraschend dadurch der Konzertabend. Gerührt war ich von der Offenheit, der Freude und Leidenschaft mit der die Musiker:innen die Kompositionen erarbeiteten und aufführten.“ Uraufführungen haben für Proske darüber hinaus einen Lerneffekt, wie sie nach dem Konzert verriet: „Gleichzeitig lernt man bei jeder Uraufführung für sich selbst dazu: Was war eindeutig notiert, was ließ Interpretationsspielraum, wie haben die Interpretationen und Beobachtungen anderer auch mir eine neue Perspektive auf das Stück eröffnet?“ Summa summarum: „Für mich war es sicherlich eine der Sternstunden in diesem Jahr – ein Abend voll guter Musik, den ich einfach genießen konnte!“
Lara Bäucker: in caeco macula
Lara Bäucker, geboren 2000, kreiert, konzipiert und tritt im Bereich der zeitgenössischen Musik, des Theaters und der Performancekunst auf. Bäucker vertritt in ihrem künstlerischen Schaffen klar einen sozialen Ansatz und hofft, mit ihrer und durch ihre Kunst die Welt Stück für Stück zu einer besseren zu machen. So inszeniert auch ihre im Konzert erstmals zu hörende Komposition in caeco macula verschiedene Formen von Begegnung, wie Bäucker festhält: „Es thematisiert die Ambivalenz, dass in einem Kontakt mit Menschen und Objekten, wie Räumen oder Manuskripten, immer etwas bleibt, was wir nicht wissen oder ergründen können.“ Inspiriert war ihre Komposition dabei von einem Text des Autors und Regisseurs Bruno Brandes. Im Fokus der Komposition stand die Auseinandersetzung mit „blinden Flecken“, was für Bäucker mit „einer liebevollen Zuwendung zu anderen Lebewesen“ verbunden ist und die Musizierenden gleichzeitig dazu einlädt, sich mit „Themen wie Vertrauen, Zugehörigkeit, Verschiedenartigkeit jedes Einzelnen und Erinnerungsprozessen“ auseinanderzusetzen.
Anna Wielend: STABAT MATER – stab our mother?
Die Neugier für die Wechselwirkung von Klang/Musik und Bewegung/Tanz wurde bei der 1999 geborenen Anna Wielend durch ihr Studium der Musik und Bewegungspädagogik/Rhythmik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien geweckt. Auf eine ganz persönliche Wahrnehmung geht Wielends Komposition STABAT MATER – stab our mother? zurück: „Wenn ich wahrnehme, wie wir mit dieser Welt umgehen, ist genug Schmerzvolles in mir, um ein Stabat Mater zu schreiben. Ich übertrug die bildhafte Erzählung von den Schmerzen Marias, ausgelöst durch den Weg ihres Sohnes Jesu, auf die Erde.“ Wielend sieht diesen „Planeten, der uns vorbehaltlos beschenkt und nährt“, darum „wie eine Mutter, ein Elternteil, eine wichtige Bezugsperson“. Fragen wie „Hat der Erdboden Schmerzen oder auch die Pflanzen, die darauf wachsen?“ oder „Betrachtet die Erde uns und leidet an den Qualen, die wir ihr antun?“ wollte Wielend in ihrer Komposition allerdings nicht „in diesen Schmerzen hängend“ beantworten. Das Ende der Komposition zeigte sich daher von Robin Wall Kimmerers Bestseller Geflochtenes Süßgras inspiriert – darin thematisiert die amerikanische Autorin positive Wechselwirkungen „zwischen Menschen und der mehr-als-menschlichen Umwelt“ und sensibilisiert – so Wielend – dafür, dass „wir uns um unsere Umgebung kümmern können“ und „wir ohne unser Zutun beschenkt werden“. Anna Wielend zeigte sich nach dem Konzert sehr beeindruckt von dem Abend: „Ein Erlebnis, dass der Dom auf so eine Weise bespielt wurde – mit diesen geformten Klängen und von diesem tollen Ensemble. Es freut mich, ein Teil davon gewesen zu sein.“
Sara Stevanović: I mean what I say
Sara Stevanović, 1998 geboren, wendet sich in ihrer musikalischen Arbeit zeitgenössischen, multimedialen und Musiktheaterwerken zu, die sich großteils mit sozialen Konstrukten, Stereotypen, Trends, Post-Everything und niedlicher/absurder Ästhetik auseinandersetzen. Die in Linz lebende Tonschöpferin widmete sich in ihrer Komposition einem Füllwort: I mean what I say. Für Stevanović zeichnet sich ein Füllwort durch seine emotionale Funktion aus: „Füllwörter dienen emotionaler Färbung, füllen unangenehme Pausen aus, zeigen wie unsere Gesprächspartner:innen nachdenken.“ Und nicht zuletzt resümiert sie: „Oft sind es genau Füllwörter, die das ausdrücken, was Nicht-Füllwörter nur schwer tun können.“ So versteht Stevanović ihre Komposition I mean what I say als „ausgedehnte Denkpause“ und „Love-Song“.
Sehr dankbar war Stevanović nach dem Präsentationskonzert: „Nach dem Konzert, aber auch nach den langen Diskussionen und Gesprächen, die wir in den vergangenen Tagen in Linz geführt haben, fühle ich noch mehr Dankbarkeit dafür, dass ich ausgewählt wurde, an diesem Projekt teilzunehmen. Diese Tage haben mir viele Gedanken über Räume und das Thema Spiritualität aus der Perspektive meiner Generation hinterlassen.“
Jakob Böttcher: speicher
Jakob Böttcher, geboren 1999 in Hamburg, befasst sich allumfassend mit Musik: Er komponiert, produziert, performt und schreibt darüber. Für den in Berlin lebenden Komponisten ist der Linzer Mariendom ein großer Speicher – daher lautet auch der Titel seiner Kompostion speicher. „Die hier erklungene Musik als Speicher der Kultur. Die Liturgie als Speicher unserer Gesellschaft. Die Orgel als Speicher der Klangfarben. Und die Glocken als Speicher der Zeit.“ – So trägt für Böttcher das Gemäuer des Mariendoms seit hundert Jahren seine „höchst sonderbare akustische Signatur“, wie Böttcher es formuliert, beschrieben als „gigantischer heller, feinporiger Nachhall“ und „gleichzeitig präziseste Verständlichkeit über riesige Distanzen“. Und diese Distanzen nutzte Böttcher in einer seiner „fünf Miniaturen über viereinhalb Worte: Warum – toben – die – Völker - ?“ auch aus – aus 70 Meter Entfernung musizierten die Tenöre Bernd Lambauer und Hugo Paulsson-Stove miteinander. Für Böttcher imaginiert speicher „das abstrahierte Echo aller Messen im Gemäuer: die fünf Miniaturen vereinen musikalische Gesten, räumliche Konstellationen, Nachklänge Bruckners und Obertonspektren der sieben Turmglocken“. Ein einziger Satz aus einem Psalm, für ihn „heute so aktuell wie damals“, liegt dabei allem zugrunde.
Große Begeisterung war bei Böttcher nach dem Konzert spürbar: „Es war unglaublich spannend, zu sehen, wie meine Mitstreiter:innen alle ganz unterschiedlich mit der großen Chance und Herausforderung dieses tollen Raums umgegangen sind. Jedes Stück hat auch ein bisschen der Persönlichkeit von uns sieben Komponierenden freigelegt. Ein Erlebnis, wie sich nach diesem langen Prozess die fertigen Stücke zu einem Konzertabend fügten — mit sieben explizit für diesen großartigen Raum komponierten Stücken. Und das Ensemble war einfach großartig!“