Im Interview: Emma Ebmeyer
Komponieren bedeutet für mich …
... tiefe Auseinandersetzung mit mir selbst. In dem Prozess des Komponierens beginne ich mich selbst, meine Bedürfnisse, Gedanken und Erlebnisse musikalisch zu verarbeiten. So stellt jede neue Komposition ein kleines Fenster in meine Innenwelt da. Durch das Schreiben gewinne ich häufig neue Perspektiven auf meine Identität.
So würde ich meinen Kompositionsstil beschreiben …
Meine neuesten Stücke zeichnen sich häufig durch eine starke immersive Wirkung aus. Ich möchte eine vielschichtige Klangwelt erschaffen, die die Zuhörenden abholt und mitnimmt. Gerne experimentiere ich mit Klangbeschaffenheiten, Farbgebungen und Spannungsmomenten.
Dabei ist es mir jedoch immer wichtig eine Balance zwischen diesen Aspekten zu finden.
Mit diesen kompositorischen Mitteln habe ich für den Linzer Mariendom komponiert …
Für den Mariendom habe ich insbesondere mit räumlichen Klangeffekten und dem Hall des Kirchenraums gearbeitet, um die besondere Akustik des Raumes ausnutzen.
In meiner Komposition entscheidet der Hall über die Länge bestimmer Pausen, so wird der Raum ein integraler Teil der Komposition.
Um den Fokus auf die Raumbewegungen zu legen, habe ich bewusst andere Parameter reduziert, beispielsweise werden die Sänger:innen keinen zusammenhängenden Text singen, sondern nur einzelne Silben.
Wie sich mein Bild Anton Bruckners durch die Kompositionswerkstatt verändert hat …
Durch die intensive Auseinandersetzung mit Anton Bruckner habe ich einen tieferen Einblick nicht nur in seine Bedeutung heute, sondern auch in seinen Werdegang erhalten. Dies machte ihn als Mensch fassbarer und zugänglicher. In meinem Kopf, wurde aus dem Namen Anton Bruckner ein facettenreicher Mensch mit einer großen musikalischen Bedeutung.
Diese Erfahrung im Rahmen der Kompositionswerkstatt war für mich prägend ….
Die Kompositionswerkstatt hat mir die Möglichkeit gegeben, meinen Kompositionsprozess an sich weiter zu entwickeln. Statt das Stück an meinem Schreibtisch zu Hause zu schreiben, bildete das Ausprobieren der Ideen im Dom die Grundlage. Diese Ideen konnte ich dann daheim und in der Turmstube weiterentwickeln, und dann wieder ausprobieren. Dieses „nahe“ Komponieren am Raum hat mich nicht nur sehr inspiriert, sondern auch meinen Prozess nachhaltig verändert.
Der Linzer Mariendom feiert 2024 seinen 100. Geburtstag. Für mich ist er …
... ein Raum der Ruhe, Besinnung und Reflexion. Seine Architektur gibt dem Dom eine Atmosphäre der Ruhe, und diente mir zum Entschleunigen.
Gleichzeitig beherbergt er Kunst und Geschichte, die nun als Inspiration für neue Kunst dient.
Die Zeit als Turmeremitin war für mich …
... eine einzigartige Gelegenheit zur Beschäftigung mit mir selbst. Als außenstehende Beobachterin auf den Trubel der Stadt fühlte ich mich gleichzeitig einsam und doch als Teil davon. Gerade die Reduktion des Alltags auf meine Grundbedürfnisse, Essen, Schlafen, Schreiben, hat mir sehr sehr gut getan.
Diese Reduktion war für mich die ideale Voraussetzung zum kreativen Arbeiten. Ich habe an mehreren Werken gearbeitet und Tagebuch geschrieben.
Abends auf dem Balkon zu sitzen und einen Tee zu trinken ist eine wunderschöne Erinnerung an meine Zeit in der Turmstube.
Spiritualität meint für mich …
... Verbindungen. Verbindungen zu anderen Menschen, Verbindungen zu meiner Realität und zur Gegenwart. Spiritualität erzeugt Zusammengehörigkeit, und ein Gefühl von „Ankommen“, das nicht an Bedingungen geknüpft ist.
So hat meine Spiritualität die entstandene Komposition beeinflusst …Mein Wunsch ist es, durch meine Stücke einen Einblick in meine Gedanken bzw. Perspektive zu geben. Deshalb möchte ich durch meine Werke ein Bewusstsein des Moments schaffen, und damit eine Verbindung der Zuhörenden zur Gegenwart. Dafür nutze ich eine immersive Atmosphäre, die die Zuhörenden im Moment abholt und in eine neue Klangwelt entführt.